Wie funktioniert eigentlich ein Autohaus?

18.11.2019, 14:30 Uhr
Die Verkaufshalle des Schwabacher Audi-Autohauses Feser aus der Froschperspektive: viel Sonnenlicht lässt die Boliden glänzen, am Boden findet sich kaum ein Staubkorn.

© Thomas Correll Die Verkaufshalle des Schwabacher Audi-Autohauses Feser aus der Froschperspektive: viel Sonnenlicht lässt die Boliden glänzen, am Boden findet sich kaum ein Staubkorn.

Vor fast 20 Jahren war ich das letzte Mal in einem "Autohaus" – es handelte sich um einen Gebrauchtwagenhändler, der auf dem Parkplatz neben seiner einstöckigen Verkaufsbude etwa 30 mehr oder weniger heruntergekommene Kisten stehen hatte. Am Ende war ich – kurz nach meinem 18. Geburtstag – stolzer Besitzer eines VW Polo, den ich wenige Jahre später mit Totalschaden in einen metallenen Baumschutz am Straßenrand lenkte.

Das Audi-Autohaus Feser an der Fürther Straße zu betreten, ist die diametral entgegengesetzte Erfahrung zu meiner lange zurückliegenden Autohaus-Anekdote. Der Parkplatz ist riesig, die Verkaufshalle ebenso. Die zahllosen Neuwagen stehen hier teilweise verhüllt herum – man fragt sich, was für ein toller, neuer und natürlich noch geheimer Prototyp wohl unter der Plane steckt. 100 Menschen arbeiten hier, der Boden ist wie geleckt, der Kaffee ist hervorragend – ein lichtdurchfluteter Tempel für PS-Liebhaber.

"Wie bei McDonalds"

Seit 90 Jahren verkauft Feser Autos, Schwabach ist die Basis der Firma. Die Feser-Graf-Gruppe hat deutschlandweit 49 Betriebe, verkauft jedes Jahr rund 55 000 Fahrzeuge und gehört damit zu den führenden Autohändlern des Landes. Für mich ist das Feser-Jubiläum der Anlass, mir so ein Autohaus einmal gründlich erklären zu lassen. Neben Uwe Feser selbst haben sich Verkaufsleiter Engelbert Herrler und Diagnose-Techniker Günther Seemann Zeit für mich genommen.

Erkennungszeichen vor jedem Feser-Autohaus: das vertikal aufgebockte Vorzeigemodell des jeweiligen Autoherstellers.

Erkennungszeichen vor jedem Feser-Autohaus: das vertikal aufgebockte Vorzeigemodell des jeweiligen Autoherstellers. © Thomas Correll

Bald schon beginne ich, die Zusammenhänge zu verstehen. Hinter allem stehen die Automarken, Feser ist Franchise-Nehmer: "Es ist wie bei McDonalds, da gibt es genaue Vorschriften." Das gehe von der IT über die Anzahl der jeweiligen Vorführmodelle bis hin zur Innenarchitektur. "Zwischen Hersteller-eigenen Betrieben und unseren darf es keinen Unterschied geben", erklärt Feser.

Die Größe macht den Erfolg

Ist das nicht nervig? "Nein, damit kann ich leben. Es bringt viele Vorteile. Jedes zweite Auto, das in Deutschland verkauft wird, kommt von VW. Die bauen hochwertige Fahrzeuge. Ich bin mit meiner Wahl sehr zufrieden." Dazu muss man wissen, dass zum VW Imperium jede Menge Marken gehören, Audi, Seat oder Porsche beispielsweise. In Schwabach allein betreibt Feser fünf Autohäuser: für VW, Audi, Seat, Skoda und VW-Nutzfahrzeuge. Die Größe sei ein entscheidender Faktor seines Erfolgs, sagt Feser. "Die Kunden wollen Auswahl: und zwar nicht drei Fahrzeuge, sondern 30." Außerdem bringe die Größe gerade beim Einkauf – und damit beim Preis – klare Vorteile.

Engelbert Herrler im Audi-Autohaus – ein eher seltener Anblick.

Engelbert Herrler im Audi-Autohaus – ein eher seltener Anblick. © Thomas Correll

Aber wie funktioniert so ein Autohaus eigentlich? Die Struktur ist dreigeteilt: Vertrieb, Kundendienst, Ersatzteilwesen. Engelbert Herrler kann viel über den ersten Bereich erzählen. Der Verkaufsleiter VW ist sozusagen ein Fremdkörper hier im Audi-Autohaus. "Fotografieren Sie mich dann vor den Audis? Das kommt eigentlich nicht in Frage", sagt Herrler mit einem Augenzwinkern und lässt sich später trotzdem bereitwillig ablichten. Aber die Trennung ist real, Herrler ist für VW, und nur für VW, zuständig.

Der 61-Jährige verkauft seit 40 Jahren Autos, nachdem er als Buchhalter 1979 beim damals unabhängigen Autohaus Joachim in Roth in den Verkauf hineingerutscht war. "Da gab’s Top-Verkäufer, die hatten 20 000 Mark auf dem Gehaltszettel. Ich dachte mir: Hier kann ich was verdienen"; erinnert sich Herrler.

Was macht einen guten Verkäufer aus?

Muss man ein Psychologe sein, um Autos zu verkaufen? Das frage ich ihn, eigentlich will ich aber wissen: Was sind die Tricks, wenn man jemandem ein Auto aufschwatzen will, das derjenige vielleicht gar nicht braucht oder sich nicht leisten kann? Herrler bleibt cool: "Es gibt gute und schlechte Verkäufer. Man muss vor allem ein gute Beziehung zum Käufer aufbauen." Heute sei das um einiges komplizierter geworden. "Früher hatte man das Programm in der Sakko-Tasche. Fertig."

Es gebe klare Vorgaben, wie viele Autos ein guter Verkäufer im Jahr an den Mann (oder die Frau) bringen sollte: 200 bis 250 gebrauchte, 120 bis 150 neue Wagen. In den besten Jahren habe er 500 Wagen im Jahr verkauft, oft aber an Großkunden. "Grundig nahm im Jahr 100 Autos ab, da konnten die noch bar bezahlen", erinnert sich Herrler und schmunzelt. Zurück zu den Verkäufern: Festgelegte Quoten, das klingt nach Druck. Was passiert, wenn die Ziele nicht erfüllt werden? "Er wird geschult", betont Herrler, "es gibt Weiterbildungen, man bekommt dort Tipps von erfolgreichen Verkäufern."

Wie funktioniert eigentlich ein Autohaus?

© Foto: Thomas Correll

Zehn Kilometer Kabel

Wenn sich bei den Verkäufern viel geändert hat in den vergangenen Jahrzehnten, dann umso mehr auf der technischen Seite. Darüber spreche ich mit Günter Seemann. In der Werkstatt, die fast so sauber ist wie die Verkaufshalle, arbeitet er an einem Unfallwagen.

Zehn Kilometer Kabel seien in einem neuen Auto gut und gerne verlegt. Drei Bildschirme stehen neben der Hebebühne. "Man muss heute fast ein Informatiker sein, um Autos zu reparieren", sagt der 39-Jährige, dessen Spezialgebiet Elektro-Autos sind. Immerhin sind an seinen Fingern schwärzliche Ölspuren zu erkennen. Für mich eine beruhigende Beobachtung.

Ja, das war alles im Auto drin. Und ja, da muss es auch wieder rein.

Ja, das war alles im Auto drin. Und ja, da muss es auch wieder rein. © Thomas Correll

Wochenlange Detektivarbeit

Seemann findet Fehler an Fahrzeugen. Das kann manchmal wochenlange Detektivarbeit sein, immer im Austausch mit dem Hersteller und dem Kunden. Dass ein Mechaniker im Blaumann mit gezücktem Schraubenschlüssel Fahrzeuge jeder Marke reparieren kann, das ist Vergangenheit. Audi gehe etwa davon aus, dass ein Mechatroniker etwa drei Jahre braucht, um so zu arbeiten, wie Audi sich das vorstellt. "Jedes System funktioniert ein bisschen anders", sagt Seemann.

Die Autowelt ist eine Markenwelt, das ist klar geworden bei meinem Besuch. Eine Sache interessiert mich deshalb noch: Was für ein Auto fahren die Angestellten eines Autohauses eigentlich? "VW, ausschließlich", antwortet Engelbert Herrler – es war nicht anders zu erwarten. Und Seemann? Fährt ein geräumiges Familienauto von Seat. Kein Audi?! Nein. Aber ein Auto, das vom Inhalt her einem Audi an nächsten kommt – nur ein bisschen preiswerter.

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