«Wir drehen die Lautstärke runter»

1.10.2009, 00:00 Uhr
«Wir drehen die Lautstärke runter»

Der Protest: «Niemand will eine tote, verödete Altstadt», betonte Dr. Steffen Krätzig. «Aber jede Veranstaltung fängt mit dem hier an», sagt er und zeigt demonstrativ auf die große Lautsprecherbox neben dem Podium im Bürgerhaus. Seine Botschaft: «Leute, das muss doch nicht sein.»

Vor eineinhalb Jahren ist er an den Martin-Luther-Platz gezogen, erzählte er. Klar wusste er, dass hier auch gefeiert wird. «Aber der Lärmpegel ist noch weit höher als erwartet», berichtet Krätzig.

Im Sommer hat er deshalb die Initiative «Liebenswertes Schwabach» gegründet (wir berichteten). Denn mit seinen Erfahrungen steht er nicht allein.

Auch eine ganze Reihe weiterer Anwohner fanden deutliche Worte. «Wir haben zehn Tage gelitten», kommentiert eine Frau die Kirchweih. «Man kann nicht arbeiten und die Kinder können nicht schlafen», beschreibt ein anderer Anwohner die Lage. «Es ist entsetzlich laut», erklärte auch Dieter Schreyer.

Mehrfach genannt wurden das Bürgerfest, die Kirchweih mit den Fahrgeschäften direkt vor den Häusern, das Griechische Weinfest und die Tiefgaragenparty als «neueste Errungenschaft». Die Musik, die bis morgens um 5 Uhr läuft, ist mit ihren tiefen Bässen offenbar in der Nachbarschaft als «Körperschall» wahrzunehmen. Eine Mieterin habe deshalb gekündigt und ziehe um, weil sie den Lärm nicht mehr aushalte, wurde berichtet.

Vor allem der Martin-Luther-Platz kristallisierte sich als Problempunkt heraus. Ein dortiger Anwohner vertrat allerdings auch die gegenteilige Ansicht. Insgesamt habe sich die Situation etwa bei der Kirchweih verbessert. «Wir sollten toleranter sein. Und vielleicht hätte man auch woanders hinziehen sollen», sagte er.

«Auf das Argument habe ich gewartet», antwortete Krätzig. «Aber das dreht die Tatsachen um. Es heißt doch nur: Wir machen weiter den Lärm, den wir für nötig halten. Die Feste dürfen sein, ganz klar. Aber es muss erträglich sein.»

Der Lärm und die Rechtslage: Thomas Kellner, der Leiter des städtischen Umweltamtes, hatte die nicht einfache Aufgabe, Einblick in die Welt des Bundesimmissionsschutzgesetzes, der Technischen Anleitung Luft oder auch des «baugebietsadäquaten Immissionsschutzniveaus» laut einer «Freizeitwert-Richtlinie» zu erläutern, die aber wohlgemerkt kein Gesetz sei. Der Lärm aus Gaststätten gilt als Gewerbelärm. Die Altstadt ist baurechtlich kein reines Wohn-, sondern ein «Mischgebiet». Tagsüber gilt hier ein Höchstwert von 60 Dezibel, nach 22 Uhr von 45 Dezibel. «Das ist sehr wenig», so Kellner.

In einem Konfliktfall am Martin-Luther-Platz sei es gelungen, einen vernünftigen Kompromiss zu finden. Der Wirt ließ in die Verstärker der Musikanlage einen «Limiter» einbauen. «Der Erfolg spricht für sich», so Kellner. Auch von den Anwohnern wird dieser Kompromiss offenbar akzeptiert.

Feste sind hingegen als «Freizeitlärm» eingestuft. Hier ist die Rechtslage nicht so eindeutig. Schwabach bezieht sich auf eine Richtlinie, die an zehn Tagen im Jahr tagsüber 70 und zwischen 23 und 7 Uhr 55 Dezibel ermöglicht. Gemessen wird in Wohn- oder Schlafräumen. Diese Werte würde nach den bisherigen Messungen auch eingehalten. Aus personellen Gründen könnten aber nur Stichproben erhoben werden.

Die Haltung der Stadt: «Wir legen größten Wert darauf, dass Wohnen in der Altstadt möglich bleiben muss», betonte Stadtrechtsrat Rainer Schmitt-Timmermanns. «Wir stecken ja viel Geld in die Altstadtsanierung, und zwar nicht, um sie dann zuzusperren.» Zu einer attraktiven Altstadt gehörten aber auch Veranstaltungen.

Ohne es so deutlich auszusprechen, ließ Schmitt-Timmermanns durchblicken, dass er die Belastungen insgesamt noch für hinnehmbar hält.

Petra Schwarz vom Tourismusbüro betonte, die Stadt bemühe sich um anwohnerfreundliche Lösungen. So verzichte man etwa auch bei der nächsten Goldschlägernacht 2010 auf laute Musik.

Die Reaktion der Verbände: «Wir wissen, dass Sie keine notorischen Nörgler sind und wir wollen Ihnen mit dieser Einladung zum Gespräch zeigen, dass wir Ihre Bedenken sehr ernst nehmen», sagte Bruno Fetzer, der Vorsitzende der Werbe- und Stadtgemeinschaft. Von der Resonanz zeigte er sich aber etwas überrascht. Über 150 Altstadtbewohner seien mit persönlichen Schreiben eingeladen worden. Unter den knapp 30 Besuchern des Infoabends seien die Vertreter der verschiedenen Verbände aber in der Mehrheit.

Dennoch versicherte Fetzer, dass man mit allen Veranstaltern nochmals reden werde, um bessere Lösungen zu finden.

Fürs Bürgerfest fand Rudi Nobis bereits klare Worte: «Wir drehen die Lautstärke runter», versicherte er. «Ich war heuer zum ersten mal richtig sauer, weil wir’s nicht in den Griff bekommen haben. Wir gehen das Problem an.»

Auch Dieter Trutschel vom Hotel- und Gaststättenverband betonte: «Bei unserem Wirtefest läuft ja bewusst nur Hintergrundmusik. Aber wir wollen sehen, dass es noch etwas leiser wird.»

Hartmut Hetzelein, der Vorsitzende des Verkehrsvereins, appellierte: «Bitte versuchen wir gemeinsam, den Konflikt am Boden zu halten.»

Die Zukunft der Kirchweih: Dr. Steffen Krätzig findet, dass die Form, in der die Kirchweih gefeiert wird, eher mit einem normalen Volksfest als mit Brauchtumspflege zu tun habe. Er schlägt vor, sie aus der Innenstadt auf einen Festplatz zu verlagern. Eine Diskussion, die in den vergangenen Jahren immer wieder aufflackerte.

Rainer Schmitt-Timmermanns spricht sich hingegen klar für die Kirchweih in der Altstadt aus: «Das ist hier eine Traditionsveranstaltung. Sie lebt davon, dass sie in der Innenstadt stattfindet. Auf einem Festplatz wäre sie nur eine 08/15-Kirchweih.»

OB Matthias Thürauf hat Hartmut Hetzelein schon vor einiger Zeit gebeten, Vorschläge zu erarbeiten. Hetzelein findet die Fürther Kirchweih sehr attraktiv. Auch sie ist in der Innenstadt.

Die Zukunft des Martin-Luther-Platzes: Wie berichtet soll der Platz neu gestaltet werden. Ein Architektenwettbewerb hat bereits ein Konzept hervorgebracht. Dessen Umsetzung aber wird sich vermutlich hinziehen.

Denn die Schäden an der Stadtkirche müssen dringend behoben werden. Wegen der Sanierungsarbeiten aber wird der Martin-Luther-Platz etwa für die Baufahrzeuge benötigt. Damit fällt der Platz für die Kirchweih aus.

Rudi Nobis zu den Anwohnern: «Ein Jahr müssen Sie noch aushalten. Dann haben Sie sechs oder sieben Jahre Ruhe. Und so wie jetzt wird es auch dann nicht mehr sein.»