Familie Lachmann

Wohnen in Schwabach: Ein Leben im Vogelherd

26.10.2019, 05:58 Uhr
Marianne und Helmut Lachmann vor ihrem Haus im Vogelherd.

© Foto: Thomas Correll Marianne und Helmut Lachmann vor ihrem Haus im Vogelherd.

Vor dem Einfamilienhaus im Schwabacher Stadtteil Vogelherd weht eine Fahne des 1. FC Nürnberg. Marianne Lachmann wartet schon am Gartentürchen und begrüßt den Besucher von der Zeitung herzlich. Der erste Blick geht in Richtung Garten: ein bisschen Grün, ein bisschen Deko, jedenfalls gepflegt und mit einigen Sitzmöglichkeiten. "Das ist mein Urlaubsort", sagt Lachmann. In die Fremde zu fahren, daran haben die Lachmanns kein Interesse.

Marianne Lachmann ist 1952 im Vogelherd geboren und hat – mit einem Zwischenspiel in Rednitzhembach – einen Großteil ihres Lebens hier verbracht. Der Vogelherd, das sind eigentlich nur wenige Straßenzüge – begrenzt von Autobahn, Bahngleis und der ehemaligen Sondermülldeponie. Eine unschöne Wohnsituation? Von wegen: "Ich würde mit niemandem auf der Welt tauschen", betont Lachmann.

Seit 1981 wohnen die 67-Jährige und ihr 73-jähriger Mann Helmut auf den rund 120 Quadratmetern dieses Hauses, drei Kinder haben sie hier großgezogen – die Tochter wohnt mitsamt dreijährigem Enkelkind im Haus direkt hinter dem der Lachmanns. Früher, erinnern sich die beiden, war der Vogelherd ein nicht ganz unproblematisches Viertel. Lange befand sich dort ein Lager von kleinen Holzbaracken. Dort wohnten nach dem Krieg Heimatvertriebene, später dann vor allem sozial schwache Menschen.

Lebenslange Aufgabe

"Da fuhr fünfmal am Tag die Polizei vor, während der Kirchweih gab es furchtbare Raufereien", erzählt Lachmann, die sich aber nicht abschrecken ließ. Mit dem Fahrrad sei sie dort oft unterwegs gewesen. Schon damals habe sie ärmeren Menschen gern etwas abgegeben, ihre Schuhe zum Beispiel. Es ist eine lebenslange Aufgabe geworden: Lachmann sammelt und verkauft Trödel, die Erlöse gehen an einen guten Zweck. Den karitativen Verein "Schutzengel" hat die ehemalige Schwabacher Stadträtin mitgegründet. Auch in der Notwohnanlage, die im Vogelherd Obdachlosen eine Schlafgelegenheit bietet, engagiert sie sich.

Aber zurück zum Vogelherd: Wie ist das eigentlich, neben einer Giftmülldeponie zu wohnen? Die Lachmanns stört es nicht. Es sei mehrfach versucht worden, eine Gesundheitsgefährdung für die Anwohner nachzuweisen, es gebe jedoch keinen Beweis. Lachmann erinnert sich, dass in den 1980er Jahren überlegt wurde, Giftmüll aus Venezuela in Schwabach abzulagern. Das habe man mit viel Bürger-Engagement abwenden können – verständlicherweise reicht den Vogelherd-Bewohnern der heimische Giftmüll völlig aus.

Für die Katholikin Lachmann hat die Wohnsituation vor vier Jahren eine klare Abwertung erfahren: die Kirche, in der sie 20 Jahre lang ehrenamtlich den Mesnerdienst ausführte, musste geschlossen werden. Davon abgesehen loben die Lachmanns ihre Nachbarschaft in den höchsten Tönen. Es sei ein "super Zusammenhalt", auch wegen der täglichen Trödel-Anlieferungen ins Hause Lachmann habe sich noch nie jemand beschwert. Gut, den Autobahnlärm höre man ab und zu, "aber wir beschweren uns nicht über Kleinigkeiten".

Der Bäcker hat schließen müssen

Man habe alle nötigen Einkaufsmöglichkeiten in Fußweite, auch zum Schwabacher Bahnhof sind es nur acht Minuten. Doch wie so oft gibt es bei der Infrastruktur auch einen Wermutstropfen: Der Bäcker eine Straße weiter, bei dem man auch Zeitschriften kaufen konnte und die Post aufgeben, hat schließen müssen. Helmut Lachmann will sich aber nicht zu sehr beklagen: "An der Rother Straße gibt es ja alles."

Die Lachmanns ziehen in Bezug auf ihre Wohnsituation dasselbe bittersüße Fazit, das im Zuge unserer Wohn-Serie schon einige Male geäußert wurde: Erst der Tod soll sie scheiden von ihrem Eigenheim. Da dürfen aber ruhig noch ein paar Jährchen vergehen, zumal sich die Lachmanns mit Trödel, Enkel und dann auch noch dem 1. FC Nürnberg definitiv nicht über Langeweile beschweren können.

Die Teile Eins, Zwei, Drei, Vier und Fünf unserer Serie lesen Sie mit Klick auf die folgenden Links: Im Reihenhaus in Penzendorf; Das Hochhaus als Notlösung; Glücklich im Altbau; Heimat Gartenheim; Im Loft im O'Brien-Park.

Keine Kommentare