Seehofer sagt "Nein" zu Kohle- und Atomstrom

13.2.2014, 15:51 Uhr
Der Kampf um die Stromautobahn ist noch nicht ausgefochten, da setzt Horst Seehofer erneut  Prioritäten: Atom- und Kohlestrom sollen bald der Vergangenheit angehören.

© dpa Der Kampf um die Stromautobahn ist noch nicht ausgefochten, da setzt Horst Seehofer erneut Prioritäten: Atom- und Kohlestrom sollen bald der Vergangenheit angehören.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will die bayerische Stromversorgung künftig ohne Kohle- und Atomstrom aus dem Ausland oder anderen Bundesländern sicherstellen. Das sagte Seehofer am Donnerstag am Rande der Landtagssitzung in München. Über die geplante Stromtrasse von Sachsen-Anhalt nach Augsburg könnte auch Kohlestrom nach Bayern importiert werden. Er habe sich noch kein abschließendes Urteil über die Trasse gebildet, sagte Seehofer: "Das kann ich immer erst sagen, wenn ich selber klar bin." Ohne Zustimmung der Staatsregierung könne jedoch keine Stromleitung gebaut werden. "Gegen Bayern wird das nicht der Fall sein."

Seehofer hatte vergangene Woche angesichts des heftigen Widerstands gegen die Trasse eine Planungspause für neue Leitungen in Bayern verkündet. Rechtlich sind der Staatsregierung allerdings die Hände gebunden, da die Bundesländer die Planungshoheit für länderübergreifende Leitungen an den Bund abgegeben haben.

Am Mittwoch verständigte sich Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sowie Sachsen und Thüringen auf eine Überprüfung der Netzausbaupläne bis zum Sommer. "Das ist sehr im bayerischen Sinn", sagte Seehofer. Bisher war die Fertigstellung der umstrittenen Höchstspannungsleitung von Lauchstädt ins schwäbische Meitingen für 2022 geplant.

Nach dem Fahrplan des Atomausstiegs soll Ende 2015 das nächste bayerische Kernkraftwerk vom Netz gehen: der Reaktor Grafenrheinfeld bei Schweinfurt, der nach Angaben des Betreibers Eon jährlich 10 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Nach wie vor ist unklar, wie diese gewaltige Strommenge ersetzt werden soll. Die Staatsregierung macht deshalb Druck auf die Bundesnetzagentur und Bundesenergieminister Sigmar Gabriel, für Ersatz zu sorgen: "Ich brauche Gaskraftwerke jetzt", sagte Aigner.

Ausbau der Stromnetze als Zankapfel

Wenn es in Bayern Stromausfälle gebe oder Industriebetriebe vom Netz genommen werden müssten, seien Bundesnetzagentur und Gabriel verantwortlich: "Ihr seid's zuständig, wenn bei uns das Licht ausgedreht wird", sagte Aigner. "Das müssen die verantworten, wenn's im Zweifelsfall nicht funktioniert."

Die bayerische Wirtschaft pocht sowohl auf zusätzliche Stromleitungen als auch auf ein neues Gaskraftwerk: "Wir brauchen einen schnellen und bedarfsgerechten Ausbau der Stromnetze", betonte Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw). "Darüber herrscht große Einigkeit."

Priorität habe aus bayerischer Sicht die Thüringer Strombrücke, über die nach der Abschaltung von Grafenrheinfeld Windenergie nach Bayern geleitet werden solle. "Um die Versorgungssicherheit im Freistaat zu gewährleisten, brauchen wir zudem ein neues Gaskraftwerk im Freistaat", sagte Brossardt.

Die vbw pocht aber bislang nicht kompromisslos auf die umstrittene Gleichstromtrasse. Die Wirtschaft erwarte eine rasche Prüfung, ob die Trasse dringend erforderlich sei, "damit in der zweiten Jahreshälfte ein aktueller Netzausbauplan im Rahmen eines Gesamtkonzepts steht, in dem sich Erzeugungskapazitäten, Speicher, Stromleitungen und die Steigerung der Energieeffizienz sinnvoll ergänzen", sagte Brossardt.

Die Opposition wirft Seehofer vor, das Unmögliche zu verlangen. Seehofer könne nicht gleichzeitig Atomkraft abschalten, den Ausbau der erneuerbaren Energien in Bayern drosseln und auf Stromimporte verzichten, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. "Er wird Opfer seiner eigenen Widersprüchlichkeit."

Allein aus technischen Grünen könnte nach Einschätzung der Grünen ein vollständiger Verzicht auf Kohle- und Atomstrom nicht sichergestellt werden, weil Ökostrom, konventioneller Strom und Atomstrom gemeinsam im Netz fließen. "Das ist physikalisch unmöglich", sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Ein Verzicht auf Stromtrassen sei ebenfalls nicht möglich. In Bayern werde der Zubau an Windkraft und Biogas geringer ausfallen als von der Staatsregierung ursprünglich geplant, sagte Hartmann. "Da braucht man eigentlich mehr Trassen und nicht weniger."

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