Seine "zweite Halbzeit": Horst Seehofer wird 65

4.7.2014, 07:47 Uhr
Die "zweite Halbzeit" beginnt mit 65: Der bayerische Ministerpräsident feiert seinen Geburtstag - will sich aber nicht feiern lassen.

© dpa Die "zweite Halbzeit" beginnt mit 65: Der bayerische Ministerpräsident feiert seinen Geburtstag - will sich aber nicht feiern lassen.

Ministerpräsident Horst Seehofer ist kein begeisterter Anhänger der Rente mit 67. Doch wenn der CSU-Chef an diesem Freitag bei seinem 65. Geburtstag das Ruhestandsalter erreicht, gilt das nicht für ihn persönlich. Vier Jahre will er noch erster Mann des Freistaats Bayern bleiben, bis er im Herbst 2018 nach der nächsten Landtagswahl Hof und Erbe übergibt.

Seehofer erweckt den Eindruck, als wäre es ihm am liebsten, würde sein 65. einfach übergangen. Es wird keine offizielle Geburtstagsfeier geben, kein Geburtstagsständchen, keine Gratulationen. Seine geburtstägliche Tagesordnung: „Ich wach auf, schau aufs Wetter, und dann wird das entschieden.“ Danach wird ihn der Alltag wieder einholen. Seehofer spricht selbst von der „zweiten Halbzeit“, oder auch dem Teil II seiner Mission. Das beinhaltet die Sicherung der absoluten CSU-Mehrheit im Landtag und die Installation von Nachfolger oder Nachfolgerin.

Dem CSU-Chef schwebt eine Mixtur aus evolutionärer Auslese und dynastischer Stabübergabe vor. Es soll der oder die Beste sich durchsetzen – und Seehofer will ihm oder ihr anschließend seinen Segen erteilen. Von einer Doppelspitze hält der CSU-Chef nichts. Das schlechte Europawahlergebnis der CSU hat zwar seine Autorität geschmälert. Doch weder herrscht in der CSU-Spitze revolutionäre Stimmung, noch ist diese in nächster Zukunft zu erwarten. Seehofer hat sich am Wochenende die Rückendeckung der Parteispitze geholt, mit seinem Programm fortzufahren.

Kein geordneter Machtwechsel seit 1978

Eine Prognose seiner Erfolgschancen wäre Kaffeesatzleserei. Benennen lassen sich jedoch die für Seehofer günstigen und ungünstigen Faktoren. Nimmt man die CSU-Geschichte zum Maßstab, müsste Seehofer zum Scheitern verurteilt sein. Seit 1978 hat es keinen geordneten Machtwechsel in der Partei gegeben. Seehofer will auf dem CSU-Wahlparteitag im Herbst 2015 wieder antreten. Das wird nach jetzigem Stand die erste große Hürde sein. Sollte er ein schlechtes Ergebnis erzielen, würde seine Autorität schwinden. Anschließend will er die „Schrittfolge“ festlegen lassen:

Die Spitzenkandidaturen für Bundestagswahl 2017 und Landtagswahl 2018 sollen jeweils ein Jahr zuvor geklärt werden. Eine entscheidende Rolle wird die Entwicklung der CSU-Umfragewerte spielen. Sollten diese in den Sinkflug geraten, wird das die Neigung der CSU-Vorstandskollegen zur vorzeitigen Pensionierung des Chefs stark erhöhen. Ein weiteres Problem für Seehofer ist der Herrschaftsstil der vergangenen Jahre. Nach der Europawahl wurden die Folgeschäden von Seehofers Neigung überdeutlich, Wichtiges allein zu entscheiden und die eigenen Leute abzukanzeln: Zunächst sprang ihm kaum jemand gegen die Kritik aus den eigenen Reihen bei.

Seehofer hat nie ein Netzwerk in der CSU-Spitze aufgebaut, wozu auch seine tiefe Abneigung gegen Cliquenwirtschaft und Günstlingsrunden beiträgt. „Er ist ein einsamer Wolf und wird ein einsamer Wolf bleiben“, meint ein CSU-Mann. Mehr als ein Mitglied der CSU-Spitze vermutet, dass Seehofer seinen Parteifreunden mit grundsätzlichem Misstrauen begegnet. Dementsprechend kann Seehofer auch das Verhalten seiner potenziellen Nachfolger schwer einschätzen. Das Verhältnis zu Finanzminister Markus Söder gilt CSU-intern als schwer gestört. Auch bei Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ist Seehofer offensichtlich unsicher, wie weit ihre Loyalität reicht. Gleiches gilt für andere Thronanwärter. Doch verweisen CSU-Leute auch auf mehrere für Seehofer günstige Faktoren: Der Stoiber-Sturz und der anschließende Verlust der absoluten Mehrheit 2008 sind ein unvergessenes Trauma.

Zudem hat Seehofer immer wieder sein Münchhausen-Talent bewiesen, sich am eigenen Schopfe aus Krisensituationen zu befreien. Im Kreise der Thronaspiranten hat sich bislang niemand als Favorit herausgeschält, keiner hat die Bataillone hinter sich, um den Angriff zu wagen. Und anders als Stoiber hat Seehofer sein Abschiedsdatum klar benannt. Damit weiß jeder Kandidat, dass nur ein paar Jahre Geduld nötig sind, bis Seehofer sich freiwillig verabschiedet. Auch das wird die Neigung zur Revolution dämpfen.

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