Servus Kurt

10.10.2010, 17:42 Uhr
Servus Kurt

© Roland Huber

Es ist eine Ironie des Schicksals: Die Hasse-Brandler-Führe an der Großen Zinne in den Dolomiten hat Kurt Albert als erster Mensch der Welt frei geklettert. Am Nameless Tower im Karakorum-Gebirge hat er mit „Eternal Flame“ Bergsteigergeschichte geschrieben. Auf Expeditionen in Patagonien, Grönland und der Antarktis ist er mehr als einmal in lebensbedrohliche Situationen geraten – er wäre beinahe zu Tode gestürzt, ertrunken, erfroren, von wilden Tieren gefressen worden und verhungert. Immer kam er heil wieder heraus. Passiert ist es zu Hause. Am schwarzen Brand im Hirschbachtal, wo der Nürnberger als Zwölfjähriger seine Kletterkarriere begann, ist Kurt Albert am 26. September 18 Meter in die Tiefe gestürzt und starb zwei Tage später im Erlanger Universitätsklinikum. Es war alles andere als eine bergsteigerische Herausforderung die Albert zum Verhängnis wurde.

Nicht nur für fränkische Bergsteiger ist Albert eine Ikone. Bereits als Teenager kletterte er die alpinen Klassiker, den Walker Pfeiler an der Grand Jorasses, die Kult-Route „Hemming Robbins“ an der Petit Dru Westwand, die Eiger Nordwand. Mit Freunden gründete Albert, der zuletzt in Gasseldorf bei Ebermannstadt lebte, die „Rotpunktbewegung“, die bald das Verständnis vom Klettern in der ganzen Welt verändern sollte. Keimzelle der Bewegung war die Fränkische Schweiz, die in den 80er Jahren zum Mekka des Sportkletterns avancierte. Ihre Ikonen waren Albert und sein Freund Wolfgang Güllich, der 1992 bei einem Verkehrsunfall starb, und den viele bis heute für den besten Kletterer aller Zeiten halten. Die Namen Albert und Güllich sind Bergsteigern ein Begriff – von Patagonien bis ins Himalaya.

Und das nicht nur weil sich Albert einmal am Röthelfels  25 Meter über dem Boden ungesichert und an einem Arm frei hängend (während er im anderen einen Bierkrug hielt) hatte ablichten lassen. Auf den Nürnberger gehen im ganzen riesigen Klettergebiet Frankenjura zahllose Erstbegehungen zurück, die heute nahezu alle zu Klassikern des Sportkletterns zählen.

In den letzten 20 Jahren verlegte der Franke seine Abenteuer in immer unwirtlichere Regionen der Erde. Albert paddelte durch wilde Flüsse, kämpfte sich durch Urwälder oder zog auf Skiern durch die Arktis, ehe er überhaupt das eigentliche Expeditionsziel (meist irgendwelche namenlose Berge mit 1000 Meter hohen, abweisenden, nie bekletterten und saugefährlichen Nordwänden) erreichte. "By fair means" heißt dieser Expeditionsstil, der auf motorisierte Hilfe verzichtet - und Alberts Auffassung vom Bergsteigen und vom Abenteuer dadurch näher kommt als irgendetwas sonst.

Beim Klettern ging es Kurt Albert nämlich immer um viel mehr als nur darum, in neue Schwierigkeitsgrade vorzudringen. "Als Jugendliche wollten wir vor allem der Enge zu hause entgehen, wenn wir im Gebirge oder in der Fränkischen unterwegs waren", erzählte er einmal im Gespräch mit der NZ. Freiheit und Gemeinschaft waren sicher bis zum letzten Tag die Leitmotive in Alberts Klettern und in Alberts Leben. Und so hat nie ein Kletterer, der ihn traf - egal ob an der Felswand oder Abends in der Kneipe (bevorzugt im Naturfreundehaus in Veilsbronn, bei der Guten Einkehr in Morschreuth oder dem Gasthaus Seitz in Thuisbrunn) -  jemals etwas zu spüren bekommen von dem Ikonenstatus seines Gegenüber.

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