Stolz des Trachtlers: Gamsbart-Olympia in Mittenwald

12.10.2012, 20:17 Uhr
Stolz des Trachtlers: Gamsbart-Olympia in Mittenwald

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Wann immer Max Bertl als Vorsitzender des Bayerischen Trachtenverbandes unterwegs ist, trägt er einen Hut, und auf diesem Hut prangt ein Gamsbart. Das Prachtstück auf seiner Kopfbedeckung ist der ganze Stolz des Chefs der mehr als 250 000 in den Vereinen organisierten bayerischen Trachtler. „Bei feierlichen Anlässen trage in meinen Gamsbart tatsächlich mit großem Stolz“, sagt Bertl. Im heimischen Trachtenverein Wildsteig (Landkreis Weilheim-Schongau) ist der Gamsbart Pflicht-Hutschmuck.

Wie Bertl denken viele Trachtler und hüten ihren Gamsbart wie einen kostbaren Schatz. Manche besitzen mehrere Exemplare. An diesem Wochenende findet in Mittenwald (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) die 26. „Gamsbartolympiade“ statt. Höhepunkt ist am Sonntag die Prämierung der prächtigsten Gams-, Hirsch- und Dachsbärte. Die etwa 100 Teilnehmer kommen aus Bayern, Österreich, Italien und Slowenien.

Gamsbärte werden dort zur Tracht oder Jagdkleidung getragen. Sie seien Ausdruck alpenländischer Lebensart, sagen die Veranstalter des 1960 im österreichischen Bad Goisern ins Leben gerufenen Wettbewerbs. Damals rief der dortige Kurdirektor bei der Begrüßung: „Da geht's ja zu wie bei der Olympiade.“ Schon war der Name „Gamsbartolympiade“ geboren. Prompt zog das Olympische Komitee der Alpenrepublik dagegen vor Gericht. Erst nach einem Vergleich durfte offiziell von „Gamsbartolympiade“ gesprochen werden, sagt der Organisator des Mittenwalder Treffens, Hans Schober. Er ist selbst Bartbinder und mehrfacher Gewinner des Wettbewerbs.

„Bartbinden ist keine Arbeit, sondern Kunst“, sagt Schober. „Je nach Bart arbeite ich 30 bis 250 Stunden daran.“ Der 69-Jährige nimmt auch dieses Jahr an dem Wettbewerb teil und zählt nach Überzeugung der Veranstalter zu den Favoriten. Kein Wunder: Er beherrscht die Kunst des Bartbindens seit 30 Jahren. Fünfmal holte der pensionierte Leiter des Mittenwalder Bauhofes bisher Gold in der Königsklasse, das sind Gamsbärte von mehr als 19 Zentimeter Länge. Schober lässt sich nicht gerne in die Karten schauen: „Jedes Jahr binde ich ein paar Bärte“ – mehr verrät er nicht. „Es ist ein Hobby, leben kann man davon nicht.“

Kopfschmuck hätten schon die Urvölker besessen, erläutert Schober auf der Internetseite der Mittenwalder Tourist-Info. Langes Haar, Trophäen oder Hüte mit Schmuck seien ursprünglich Ausdruck höheren Standes gewesen.

Die Popularität des Gamsbartes ist Erzherzog Johann von Österreich (1782-1859) zu verdanken. Als Gamsjäger habe er das Aufstecken der Trophäe auf dem Hut publik gemacht. Schon bald wurde der Gamsbart zum Inbegriff der damaligen Mode. In Bayern machte vor allem Prinzregent Luitpold (1821-1912) den Hutschmuck populär.

Der Gamsbart wird in Handarbeit aus dem sogenannten Grannenhaar am Rücken des Gamsbockes gefertigt. Ebenfalls aus Rückenhaar entsteht der Dachsbart, der Hirschbart dagegen aus der Halsmähne unten. Entscheidend für die Prämierung sind Länge und Qualität der Haare, die Schönheit des hellen Reifens an der Spitze, die Dichte sowie der allgemeine Eindruck. Neben der Beschaffenheit der Haare seien sehr viel Geschick und Erfahrung beim Binden eines Gamsbartes nötig, sagt Schober. Bis zu 2500 Euro muss der Käufer dafür springen lassen.

Alle Teilnehmer der „Gamsbartolympiade“ geben ihre Prachtexemplare Sonntagfrüh im Rathaus von Mittenwald ab. Danach zieht sich die fünfköpfige Jury zur Bewertung zurück. Die mit Spannung erwartete Verkündung der Sieger ist am Nachmittag. Das Rahmenprogramm begann bereits am Donnerstag mit einem Heimatabend. Ein Jäger führte tags darauf eine Wanderung zum Soiernhaus an, dem Refugium von König Ludwig II., der alles andere als ein Freund der Jagd war. Der Wettkampf selbst wird am Sonntag von einem Frühschoppen samt Musik, Volkstanzvorführungen der Kinder und „Goaßlschnalzer“-Einlagen begleitet. Die nächsten Olympischen Spiele der Bartbinder finde, 2014 wieder in Bad Goisern statt.

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