Tödlicher Messerangriff

15.3.2021, 12:45 Uhr

Es begann alles ganz harmlos: Am Nachmittag des 19. Juli 2020 guckten sie Formel 1 im TV, den Abend wollten der 63-Jährige und dessen Lebensgefährtin in der Laube ihres Gartens, vor einem Mietshaus, verbringen.

Die Nachbarin aus dem Erdgeschoss kam hinzu, gegen 20 Uhr schloss sich eine weitere Nachbarin an. In der Gartenlaube wurde gewürfelt, der 63-Jährige trank einige Flaschen Bier und die Runde genoss Likör. "Wir hatten eine schöne Gaudi", erinnert sich die Lebensgefährtin des Angeklagten im Zeugenstand.

Seit zwei Jahren sei sie mit ihm befreundet, schildert sie vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth und beschreibt einen Mann, der schon mal laut auf dies und das schimpfen würde, wenn er getrunken habe. Doch sie versichert auch, dass er vor jenem Abend ganz bestimmt nie die Hand erhoben habe und gewalttätig wurde.

2,2 Promille und Erinnerungslücken

Und doch landete der 63-Jährige nach jenem Abend in Untersuchungshaft und sitzt nun als mutmaßlicher Mörder vor Gericht. Begleitet von Strafverteidiger Philipp Schulz Merkel spricht er in der Schwurgerichtskammer von Erinnerungslücken. "Ich bin heute selber erschrocken, ich weiß, dass ich nicht so ein Mensch bin", sagt er.

An den Wänden der Sitzungssäle im neuen Strafjustizzentrum an der Fürther Straße in Nürnberg hängen große Flachbildschirme, hier werden in der Hauptverhandlung Beweismittel gezeigt - und in diesem Fall existieren ungewöhnlich viele Videoaufnahmen.

Die Polizisten, die den mutmaßlichen Mörder an jenem Abend festgenommen haben, waren mit so genannten Bodycams ausgestattet, außerdem wurde auch die Vernehmung des Verdächtigen in der Kriminalpolizeiinspektion Schwabach am nächsten Morgen aufgezeichnet - und so beginnt diese Beweisaufnahme bilderreich.

Eine Straftat zu rekonstruieren, ist die übliche Aufgabe in den Hauptverhandlungen der Strafkammern, meist geschieht dies allein durch Schilderungen der Angeklagten und Erinnerungen der Zeugen. Doch hier ist zu sehen und zu hören, wie Polizeibeamte kurz nach der Bluttat in dem Mietshaus in der Friedrichstraße eintreffen, gezeigt wird die Blutlache, in der die Geschädigte im Erdgeschoss liegt, zu sehen ist auch, wie die Polizisten dem Verdächtigen die Handschellen anlegen, und ihn zum Alkoholtest auffordern.

Zu diesem Zeitpunkt lebte die Frau, eine zweifache Mutter bereits erwachsener Kinder, noch. Sie wurde in das Klinikum Schwabach eingeliefert, doch aufgrund ihrer schweren Verletzungen in das Nürnberger Südklinikum verlegt - dort starb sie in den frühen Morgenstunden.

Angeklagter spricht von Erinnerungslücken

Die Nachricht von ihrem Tod erhielt der Angeklagte, auch dies ist zu sehen und zu hören, als er bereits in der KPI Schwabach saß und vernommen wurde. Es sei den Ärzten nicht gelungen, das Leben der Patientin zu retten, teilten ihm die Kripobeamten mit und eröffneten ihm auch, dass er damit nun nicht nur eines versuchten, sondern eines vollendeten Tötungsdeliktes beschuldigt wird - der Angeklagte zeigte kaum Anteilnahme. Nur einmal schüttelte er mit dem Kopf, und fragte sich laut: "Wie bringe ich das nur ihren Kindern bei?" Doch auch bei dieser Frage an sich selbst wirkte er weniger verzweifelt als voller Mitleid mit sich selbst.

Was ihn zu der Tat trieb, konnte er in der damaligen Vernehmung kaum erklären, auch vor Gericht schüttelt er nur den Kopf. Er bekundet über seinen Rechtsanwalt, dass er über sich selbst erschrocken sei und wisse, dass er kein böser Mensch sei. In der Videovernehmung behauptete er zunächst, dass er in jener Nacht einen Angreifer mit einem Baseballschläger gesehen haben will, einen Bekannten angeblich, der ihm schon einmal Prügel angedroht hatte. Vor ihm habe er sich selbst schützen wollen. Doch bereits in dieser Vernehmung räumte er auch ein, dass dieser mutmaßliche Angreifer wohl nur ein Hirngespinst war.

Laut Anklage hatte der 63-Jährige 2,2 Promille Alkohol im Blut. Gegen 23.20 Uhr ging er hoch in den 1. Stock, betrat die Wohnung seiner Lebensgefährtin und holte aus der Küche ein Brotmesser.

Stoß in die rechte Brustseite

Die Nachbarin aus dem Erdgeschoss war zu diesem Zeitpunkt am Spieltisch in der Gartenlaube eingeschlafen, die anderen beiden Frauen weckten sie und stützten sie auf ihrem Weg zurück in ihre Wohnung. Dem 63-Jährigen, er sah angeblich gerade vom 1. Stock aus dem Fenster nach unten in den Garten, riefen sie zu, er solle kommen und helfen.

Als er auf die Frauen zutrat, rechnete - so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft - keiner mit seinem heimtückischen Angriff. Plötzlich stieß er der hilflosen, ebenfalls betrunkenen Frau, das Messer in die rechte Brustseite und zog sich in die Wohnung im ersten Stock zurück. Dort nahmen ihn die Polizisten kurze Zeit später fest.

Die Schwurgerichtskammer kalkuliert derzeit mit vier Verhandlungstagen, ein Urteil könnte am 24. März gesprochen werden.

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