Totschlag in Nürnberger Tiefgarage: Beschuldigter muss in psychiatrische Klinik

13.1.2020, 18:25 Uhr

Der Fall hatte Ende 2018 für Schlagzeilen gesorgt. Bei Bamberg stoppten Polizisten ein Auto – zuvor hatten mehrere Personen den Notruf gewählt. Der Fahrer fuhr so auffällig umher, dass es nur deshalb nicht zu Unfällen kam, weil die anderen Verkehrsteilnehmer vorsichtig waren. Der Fahrer des Autos: Tobi K. (Name geändert). Der drahtige 22-Jährige wollte noch zu Fuß flüchten – die Beamten holten ihn aber ein. Eine „normale“ Drogenfahrt? Nein. Im Kofferraum des Wagens lag eine Frauenleiche. Für Tobi K. klickten die Handschellen, die Polizisten ermittelten wegen eines Tötungsdelikts.

Ein Jahr später beginnt das Verfahren gegen den jungen Mann. Es ist kein Strafprozess. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Tobi K. aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht für die Tat belangt werden kann und beantragt die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung. Von dem Beschuldigten – so die Überzeugung von Staatsanwalt Simon Kroier – gehe eine Gefahr für die Allgemeinheit aus.

Bevor das Schwurgericht über eine Unterbringung entscheiden kann, versucht es die Geschehnisse an dem Tatabend zu rekonstruieren, befragt Zeugen und Gutachter, nimmt die Auswertung von Kameras und Handydaten in Augenschein. Was trieb der Beschuldigte vor der Tat? Was ist in der Tiefgarage und in dem Treppenhaus in der Marienvorstadt genau passiert?

Was im Treppenhaus passierte, ist unklar

Barbara Richter-Zeininger, die Vorsitzende der Schwurgerichtskammer, zeichnet das Geschehen nach acht Verhandlungstagen nach: Am Tatabend hielt sich Tobi K. demnach überwiegend im Bahnhof auf. Um 23.16 Uhr marschierte er zielstrebig in Richtung des Hauses in der Marienvorstadt. Das spätere Opfer fuhr zu der Zeit gerade von einer Weihnachtsfeier heim, parkte ihr Auto um 23.24 Uhr in der Tiefgarage, verließ das Fahrzeug und ging ins Treppenhaus. Dort traf sie auf Tobi K. – was genau im Treppenhaus passierte, ist unklar. Vier Minuten später sind die 57-Jährige und der 22-Jährige wieder am Auto. Was jetzt genau in welcher Abfolge bis zur Festnahme des Beschuldigten passiert ist, kann das Gericht nicht genau klären.

„Der Beschuldigte entschloss sich, mit der 57-Jährigen den Geschlechtsverkehr zu vollziehen und setzte das auch in die Tat um“, so Richter-Zeininger. „Dass dieser gegen den Willen des Opfers stattgefunden hat, ist offenkundig“, so die Richterin. Die Kammer ist überzeugt: Spätestens nach dem Geschlechtsverkehr entschloss sich der 22-Jährige, sein Opfer zu töten.


Frauenleiche im Auto: Beschuldigter will Stimme von Kollegah gehört haben


Die 57-Jährige wehrte sich – das belegen Kratzer, die sie dem 22-Jährigen zugefügt hat. Der Beschuldigte schlitzte ihr mit einem Messer die Drosselvene auf, erdrosselte sie mit dem Riemen ihrer Handtasche, stülpte ihr eine Plastiktüte über den Kopf – wann sie sich wehrte, warum er ihr die Plastiktüte über den Kopf zog, all das bleibt unklar. „Nach der Tötung ließ er sie im Kofferraum liegen“, so Richter-Zeininger. Er fuhr mit dem Auto Richtung Plärrer, dann auf den Frankenschnellweg Richtung Bamberg, wo er am Ende festgenommen wurde.

Was trieb den Beschuldigten an?

Was aber trieb Tobi K. an? Warum attackierte er eine ihm völlig fremde Frau? Gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Michael Wörthmüller sagte er bei einem Explorationstermin, er habe sich bei der Tat fremdgesteuert gefühlt. Er habe keine Macht mehr gehabt, habe zuschauen müssen, wie es passiert ist. Im Prozess äußert sich der 22-Jährige nicht zu den Vorwürfen.

Die Tochter des Opfers – sie tritt in dem Verfahren als Nebenklägerin auf – sieht das als reine Schutzbehauptung des Beschuldigten. Ein taktisches Vorgehen, um gleich in eine psychiatrische Anstalt zu kommen, statt am Ende eine Strafe mit anschließender Sicherungsverwahrung zu kassieren – eine größere Chance, früher wieder auf freien Fuß zu kommen.

Gericht ist von Schizophrenie überzeugt

Das Gericht aber sieht das anders. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Beschuldigte in einem akuten Zustand einer paranoiden Schizophrenie handelte. Schon im Kindesalter zeigte der 22-Jährige auffälliges Verhalten, verbrachte einige Jahre bei einer Erziehungsmaßnahme in Rumänien, konnte aber auch danach nicht im Leben Fuß fassen. Spätestens im Juli 2017 – damals saß er gerade eine Jugendstrafe ab, verstreute aus Angst vor Ameisen Salz in der Zelle und befürchtete, man habe ihm Scherben ins Essen gemischt – leide er an einer Ich-Störung. Für den akuten Zustand der paranoiden Schizophrenie sprechen auch Beobachtungen von Zeugen, die ihn am Tattag vor der Tat gesehen haben. Gegenüber Polizisten trat der Beschuldigte arrogant auf und grinste, seiner Mutter berichtete er, er fühle sich verfolgt, bei seiner Festnahme wirkte er müde und in einem tranceähnlichen Zustand.

Die Kammer geht davon aus, dass er strafrechtlich für seine Taten nicht verantwortlich zu machen ist. Weil von ihm aber eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, schickt sie ihn in eine geschlossene Einrichtung. Die wird er erst wieder verlassen, wenn zwei unabhängige Gutachter bestätigen, dass er nicht mehr gefährlich ist.

Für die Tochter des Opfers wurde online hier ein Spendenkonto eingerichtet.