Twitternde Eiche im Dienst der Wissenschaft

26.9.2011, 17:59 Uhr
Twitternde Eiche im Dienst der Wissenschaft

© Trixi Agatha

„Dieser Sonnenstrahl kitzelt meine Blätter - ich fühl mich gut :-) “, meldete Kim vor wenigen Tagen. Seit Anfang Mai verbreitet die 150 Jahre alte Stieleiche aus dem Botanischen Garten in Erlangen nun schon als @talkingtree_de Kurznachrichten über Twitter, meist mehrere am Tag. Seit Ende Mai kann man auch auf Facebook mit ihr befreundet sein. Dort empfiehlt Kim vor allem Artikel zu Baum- und Umweltthemen.

Kim bringt die Twitter-Follower mit Nachrichten über ihr Befinden immer auf den neuesten Stand und zaubert meist ein Lächeln auf deren Lippen. Zum Beispiel, wenn ihr schwarzer Humor sich zeigt: „übrigens: ich bevorzuge Friedwälder gegenüber Eichensärgen^^ #schwarzerHumor."

Doch manchmal geben ihre Botschaften auch Anlass zur Sorge, wie im August, als die Ozonwerte hoch waren und Kim zusetzten: „Ein Nachteil der Sommerhitze: die Ozonbelastung steigt - auch hier bei mir *röchel*.“

Hinter dieser Social Media-Kampagne steht ein Projekt des Instituts für Geographie der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und der Zeitschrift  Spektrum der Wissenschaft. Die Kampagne soll die Begeisterung der Öffentlichkeit für Bäume wecken, erklärt Cathrin Meinardus. Sie ist Mitglied des Teams des Instituts für Geographie in Erlangen, das den „Talking Tree" betreut. Sie hat ihm auch seinen Namen gegeben.

Twitternde Eiche im Dienst der Wissenschaft

© Trixi Agatha

„Mit der Kampagne wollen wir die Leute neugierig machen und auch diejenigen erreichen, die sich sonst nicht für Bäume und für Umweltschutz interessieren,“ erklärt sie. Das Konzept scheint aufzugehen, denn mittlerweile hat Kim über 3200 Freunde auf Facebook und über 1000 Twitter-Follower, die auf Neuigkeiten von ihr brennen.

Kims Vorbild ist eine Buche in Brüssel

Das Vorbild des Erlangener „Talking Trees“ ist eine Buche im Botschafterviertel im belgischen Brüssel. Sie ist bereits seit über einem Jahr im Internet vertreten und wurde vom EOS-Magazin mit der Technik aufgerüstet. Die Social Media-Kampagne um den Baum dient laut den Entwicklern dazu, die Leute zum Nachdenken zu bringen. Sie sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie die Menschen mit ihrer Umwelt umgehen.

Die Erlangener Eiche wurde von den Wissenschaftler des Instituts für Geographie mit verschiedenen Messgeräten ausgestattet, die Daten zu den Umweltbedingungen aufzeichnen, denen Kim ausgesetzt ist. Eine Blackbox sammelt diese Daten und schickt sie an ein Rechenzentrum. Daraus lässt sich dann auf Kims Befinden schließen.

Der Online-Redaktionsleiter von Spektrum der Wissenschaft, Daniel Lingenhöhl, leiht Kim seine Stimme – oder vielmehr seine Hände – und übersetzt diese Daten in Kurznachrichten und teilt sie auf Twitter und Facebook: „Ich schwitze, dafür läuft die #Fotosynsthese auf Hochtouren #Sommer.“

Gemessene Daten werden in Kurznachrichten übersetzt


Der Baum verfügt über eine eigene Wetterstation, die Temperatur, Windrichtung und -stärke sowie die Niederschlagsmenge in der Umgebung des Baums misst. Außerdem messen fotoelektrische Sensoren die Sonnenscheindauer und den Bewölkungsgrad des Himmel über dem Botanischen Garten. So ermöglichen sie der Eiche zum Beispiel folgende Erkenntnis: „Trockene kühle Nächte sind was Schönes: Auch hier in der Stadt sehe ich ein paar Sterne funkeln.“

Twitternde Eiche im Dienst der Wissenschaft

© Trixi Agatha

Ein Saftflussmesser zeichnet auf, wie viel Wasser die Eiche mit ihren Wurzeln aus dem Boden aufnimmt und bis zu ihren Blättern transportiert. Ein sogenanntes Dentrometer hält fest, wie stark der Baum im Jahresverlauf durch Fotosynthese an Umfang zulegt. Das Gerät dokumentiert so ganz genau, wie der Baum auf seine Umwelt reagiert. Es erlaubt den Wissenschaftlern, einzelne Wachstumsphasen mit bestimmten Umwelteinflüssen in Verbindung zu bringen. Und Kim teilt der Welt über Twitter mit: „Die Säfte fließen durch meine Adern - ich leiste Schwerstarbeit“.

Daten werden auch für wissenschaftliche Projekte ausgewertet

Auf der Internetseite des Baumes laufen neben Twitter- und Facebooknachrichten auch der Flickr-Fotostream und verschiedene Wetterdaten direkt von der Messstation ein. Auch der YouTube-Kanal der Eiche ist auf der Seite verlinkt.

Aber Kim vertritt nicht nur die Baumwelt im Internet und macht auf deren Situation aufmerksam. Die Eiche steht darüber hinaus auch im Dienst der Wissenschaft. Die Daten, die die Blackbox aufzeichnet, werden im Institut für Geographie ausgewertet und fließen in Forschungsprojekte.

So arbeitet das Institut unter anderem an dem Projekt „Stadtklima und Stadtvegetation“ und ist an einem weiteren beteiligt, das sich zum Beispiel mit der Frage beschäftigt, wann und wie ein Baum wächst. Oder damit, wie sich das Leben eines Baumes in der Stadt von dem eines Baumes im Wald unterscheidet.

Doch so genau können die Wissenschaftler derzeit noch nicht sagen, wie es um Kim steht. Die Daten liegen noch brach, denn im Frühjahr kämpften die Betreuer des Projekts noch mit technischen Schwierigkeiten. Deshalb konnten sie keine Informationen über eine gesamte Wachstumsperiode sammeln.

Auf den ersten Blick scheint Kim jedoch nichts zu fehlen, die meisten ihrer Twitter-Botschaften klingen glücklich, so wie diese vom 16. September: „Was für ein wunderbarer Morgen, um ein Baum zu sein.#sonne“.

 

Mehr zur zwitschernder Eiche finden sie hier: http://www.talking-tree.de/

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