Versuchter Mord bei Neumarkt? Angeklagter wollte "nichts Schlimmes"

16.11.2020, 16:39 Uhr

Nachmittags ging das Paar zusammen Getränke einkaufen, am späten Abend rannte sie nur in Unterwäsche bekleidet in den Garten, ehe sie von der Nachbarin zu sich über den Zaun gezogen wurde.

"Ich hatte Todesangst", schildert sie als Zeugin vor Gericht. Ihr Ex-Partner spielt die Szene dagegen herunter - bei seiner Festnahme sagte er zu den Polizisten: "Ich wollte doch nichts Schlimmes!"

Verkochte Kartoffeln sorgten für Streit

Noch mehr Details zu den Geschehnissen jener Nacht kamen im Landgericht Nürnberg-Fürth in der Verlesung des Whatsapp-Verlaufs der ehemals Liebenden ans Licht: Am Anfang ging es im Chat nur um Kartoffeln. Er sollte gegen 17 Uhr Kartoffeln auf den Herd aufsetzen, sie wollte laut ihrer Nachricht Kartoffelsalat machen. Die Kartoffeln sind wohl später verkocht. Doch die Unterhaltung schaukelte sich im Chat von da an weiter hoch.

Kurz vor Weihnachten planten die beiden die Feiertage – ein weiterer Streitpunkt. Auch wann der heute 38-Jährige aus dem Haus von Anne M. (Name geändert) ausziehen wollte, stand zur Debatte.

Die Diskussion zwischen dem Ex-Paar zog sich über Stunden weiter, ehe sie schließlich zu ihm in den Keller ging und man anscheinend versuchte, den Abend gemeinsam zu retten. Ohne Erfolg: Die Frau (heute 32) ging zurück aufs Sofa, der virtuelle Streit wurde fortgesetzt.

Er schrieb ihr schließlich, dass er sie lieben würde und eine Zukunft mit ihr wolle. Da hatte sie ihn aber wohl schon blockiert. Daraufhin ging er zu ihr nach oben und wollte ihr ein Weihnachtsgeschenk überreichen: Einen teuren Schal.

"Ich bin nicht käuflich", quittiert Anne M. diese Aktion ihres Ex-Partners im Zeugenstand, sie wollte das Päckchen an dem Abend nicht mal aufmachen. Er wurde nach Aussage der Frau sauer, packte es selbst aus und warf ihr den Schal samt Verpackung ins Gesicht. Was daraufhin passiert ist, versucht das Gericht heute zu rekonstruieren.


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Schwierige Vergangenheit?

Ein Psychiater gab im weiteren Verlauf des Prozesses Einblicke in das Seelenleben und die Vergangenheit des Mannes, der Vater eines Sohnes ist. Diese Vergangenheit, so geht es aus dem Gutachten hervor, war von einigen Umzügen und Problemen mit der Mutter geprägt.

Als Jugendlicher und junger Erwachsener sammelte der Angeklagte mehrere Vorstrafen, unter anderem wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Sachbeschädigungen und Diebstahl in besonders schweren Fällen. Ein Rechtsmediziner benannte im Anschluss die dokumentierten Verletzungen des Angeklagten und die seiner Ex-Freundin.

Die 32-Jährige wies geringe Würgespuren am Hals und verschiedene Einblutungen am Kopf und an den Beinen auf. In ihrem Gesicht wurden kleinere Kratzer festgestellt. Der Rechtsmediziner erklärt dazu, dass es grundsätzlich möglich sei, dass ein Mensch stark gewürgt wurde und dennoch keine sichtbaren Spuren davon am Hals hat.

"Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die Geschädigte in akuter Lebensgefahr befunden hat", äußerte sich der Rechtsmediziner im Fall der Anne M. vor Gericht. Drei bis vier tage nach dem Vorfall klagte die Frau außerdem über Schluckbeschwerden. "Das könnte von einer Schleimhautschwellung kommen", so der Rechtsmediziner. Eine Verletzung, die man ebenfalls nicht äußerlich erkennen muss.

Urteil am 20.November erwartet

Die Intensität des Würgens hätte nicht ausgereicht, um einen akuten Sauerstoffmangel bei der Frau auszulösen. Dies erkläre, warum die Ex-Partnerin nicht das Bewusstsein verlor. Der Angeklagte wies diverse Kratzspuren am Körper auf. Diese habe er sich, so lautet seine Version, bei einem Fahrradsturz nach der Auseinandersetzung zugezogen.

Am Mittwoch, 18. November, geht der Prozess weiter. Das Urteil wird am darauffolgenden Freitag erwartet.


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