Vertreibt das Alkoholverbot am Bahnhof die Szene auf andere Plätze?
15.10.2020, 16:16 UhrFür vier weitere Jahre soll am Bahnhof der Konsum von Bier, Schnaps oder Wein rund um die Uhr tabu sein. Auch an seinen Zugängen und auf den Vorplätzen, in der belebten Königstorpassage, am gegenüber liegenden Busbahnhof und entlang des Frauentorgrabens bis zum Sterntor darf kein Schlückchen getrunken werden.
Die Verordnung habe sich bewährt, erläuterte Leitender Polizeidirektor Hermann Guth den Stadträten im Rechts- und Wirtschaftsausschuss. Denn die Zahl der Straftaten wie Drogendelikte und Körperverletzungen seien im einstigen Brennpunktbereich deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig habe sich die "subjektive Sicherheit" erhöht. Passanten und Reisende fühlen sich hier wieder sicherer.
848 Mal wurden Bußgelder eingezogen
Dennoch stoßen die Ordnungshüter auf jede Menge Publikum, das sich nicht an die Vorgaben halten mag. Vergangenes Jahr leitet die Polizei fast 1000 Bußgeldverfahren ein, wovon in 848 Fällen ein Bußgeldbescheid erlassen wurde.
FDP-Stadtrat Ümit Sormaz regte an, das Alkoholverbot auf weitere Flächen zu erweitern, denn die Szene habe sich auf Aufseß- und Kopernikusplatz verlagert. Auch Rainer Nachtigall von der CSU, selbst Polizeibeamter, bat darum, sowohl Aufseßplatz wie auch Jamnitzerplatz, dessen Anwohner durch exzessive Feiern stark belastet seien, "in den Fokus zu nehmen". Eventuell müsse man für diese Örtlichkeiten ein ähnliches Maßnahmenpaket schnüren wie für den Hauptbahnhof und die Königstorpassage mit Angeboten des Sozialdienstes.
Vertreibung von Ort zu Ort
Bürgermeister Christian Vogel (SPD) verwahrte sich gegen den Verdacht, in der Südstadt seien neue Brennpunkte entstanden: "Dafür gibt es keine Belege". Titus Schüller von den Linken mahnte, es werde nichts nutzen, Randgruppen "von Ort zu Ort zu vertreiben". "Diese Menschen gehören zu dieser Stadt." Stattdessen solle Nürnberg ähnlich wie München sogenannte Trinkerstuben schaffen, in denen Abhängige Alkohol konsumieren können, aber auch sozial betreut werden.
Ulrich Blaschke (SPD) forderte, "die Gestrandeten unserer Gesellschaft" bräuchten einerseits Hilfen in ihrem Überlebenskampf. Das Alkoholverbot rund um den Hauptbahnhof aber habe zu 100 Köperverletzungen weniger pro Jahr geführt.
Ein Erfolgsmodell
Polizeidirektor Hermann Guth sagte, man habe die Lage im gesamten Stadtgebiet im Blick und nannte Zahlen: Am Aufseßplatz seien die registrierten Körperverletzungen zuletzt gesunken, auf rund 45 pro Jahr. Am Bahnhof aber liege die Zahl immer noch bei rund 350. "Das ist eine ganz andere Dimension", so Guth.
Das Alkoholverbot rund um den Hauptbahnhof wirkt
Katrin Kurr, die Leiterin des Ordnungsamtes, betonte, nirgendwo anders in der Stadt habe man mit einer ähnlichen Situation zu kämpfen gehabt wie am Hauptbahnhof. Das geltende Alkoholverbot habe sich als "Erfolgsmodell" erwiesen.
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