Viel mehr als blühende Landschaften

8.9.2019, 20:12 Uhr
Viel mehr als blühende Landschaften

© Foto: Peter Tippl

Die Szenerie beim Regionalpavillon erinnerte in den vergangenen Monaten manchmal eher an einen französischen Dorfplatz als an eine mittelfränkische Kleinstadt. Auf dem neben der Wörnitz angelegten Boule-Areal trafen sich nahezu täglich Einheimische, um die Kugeln fliegen zu lassen und ein Bier oder einen Schoppen Wein zu trinken.

"Da gibt es inzwischen einen harten Kern von 50, 60 Personen", erzählt Peter Schubert, einer der Geschäftsführer der Landesgartenschau in Wassertrüdingen, die nach 108 Tagen ihre Pforten schloss. Die fränkischen Boule-Fans sollen ihrer neuen Passion jedoch auch künftig frönen können. Etwa 90 Prozent aller Elemente der Veranstaltung wie Wege, Brücken, Stege und eben auch dieser Boule-Platz werden den Wassertrüdingern erhalten bleiben. Die Details werden aktuell in einem Arbeitskreis beraten, unlängst hatten die Verantwortlichen Interessierte geladen, um über die Möglichkeiten der Nachnutzung zu diskutieren.

Lob für den kleinsten Ausrichter

335 000 Besucher – rund 85 000 mehr als die Ausrichter ursprünglich veranschlagt hatten – waren in den vergangenen dreieinhalb Monaten in das ehemalige Markgrafenstädtchen im Kreis Ansbach gekommen, das einen Rekord schon mal sicher hat. In der 38-jährigen Geschichte der bayerischen Landesgartenschauen ist die 6000-Einwohner-Kommune der bislang kleinste Ausrichter einer solchen Großveranstaltung und hat nach Auffassung aller Ehrengäste bei der Abschlussfeier diese Aufgabe bemerkenswert gut gemeistert.

Dabei waren die Startbedingungen alles andere als ideal. Wassertrüdingen musste auf dem Weg zur Landesgartenschau einige Rückschläge verkraften. Zum einen musste sich der frühere Bürgermeister Günther Babel (CSU) in der Hochphase der Vorbereitungen einer schweren OP unterziehen und war alles in allem über zwei Jahre lang dienstunfähig. Zum anderen sorgte eine Finanzkrise vor vier Jahren mit Gewerbesteuer- und Kreisumlage-Rückzahlungen von über 20 Millionen Euro dafür, dass Wassertrüdingens Verschuldung in die Höhe schoss.

Die damalige 2. Bürgermeisterin Monika Breit (CSU), die in dieser Phase die Amtsgeschäfte führte, und Peter Schubert, der auch der geschäftsleitende Beamte der Wassertrüdinger Stadtverwaltung ist, wurden damals von so manchem gefragt, ob man sich die Landesgartenschau noch leisten könne. "Aber dann hat sich eine Jetzt-erst-recht-Stimmung breitgemacht", erinnert sich Schubert. Die Menschen in der Hesselberg-Region, die sich bislang immer ein bisschen als Mauerblümchen zwischen Dinkelsbühl mit seiner einzigartigen Altstadt und dem Fränkischen Seenland fühlten, hätten sich auf vielerlei Weise ehrenamtlich engagiert, und selbst aus dem benachbarten Regierungsbezirk kam viel Rückenwind.

Instrument des Städtebaus

So ist der Regionalpavillon ein Gemeinschaftsprojekt der Kreise Ansbach, Weißenburg-Gunzenhausen und des schwäbischen Kreises Donau-Ries und wurde schließlich zum größten Teil vom Europäischen Meeres- und Fischereifonds finanziert. Den Verantwortlichen hatte das Gestaltungskonzept für das Umfeld von mehreren Weihern so gut gefallen, dass sie 350 000 Euro zu den Baukosten von 450 000 Euro beisteuerten. Für weitere Elemente der Landesgartenschau flossen Zuschüsse von bis zu 80 Prozent, und mit ihrem Konzept von zwei durch die Altstadt verbundenen Landschaftsparks haben die Wassertrüdinger gleich zwei große "Baustellen" in Sachen Stadtentwicklung erledigt: Im Süden wurde der angesichts der direkt neben der Stadt fließenden Wörnitz dringend nötige Hochwasserschutz elegant mit der Schaffung einer abwechslungsreichen Naturlandschaft verbunden, im Norden wurde eine ehemalige Bauschuttdeponie rekultiviert.

Genau so muss es nach Ansicht von Dagmar Voß, der Geschäftsführerin der Bayerischen Landesgartenschau GmbH, laufen. "Inzwischen ist eine Gartenschau in erster Linie ein Instrument, um bestimmte städtebauliche Ziele umzusetzen", betont Voß, die in den vergangenen Jahren einige Rückschläge verkraften musste. In Erlangen und in Traunstein etwa wurden die geplanten Landesgartenschauen durch Bürgerentscheide verhindert. In Schweinfurt, das den Zuschlag für 2026 bekommen hatte, gab es ebenfalls einen Bürgerentscheid. Am Ende fehlten den Gegnern jedoch einige Stimmen, um das Projekt zu Fall zu bringen.

Dabei ist der langfristige ökonomische und ökologische Gewinn einer Landesgartenschau unbestritten. Viele Ausrichter ernten auch viele Jahre nach der Veranstaltung noch die Früchte, wie man zum Beispiel an Neumarkt, Dinkelsbühl oder Tirschenreuth sieht. Mal war es das Gelände einer ehemaligen Kläranlage, mal eine große Industriebrache, die in attraktive Naherholungsgebiete direkt vor der Haustür verwandelt wurden. In Roth profitieren in jedem Sommer die Teilnehmer und Zuschauer des Challenge-Triathlons von einem Zielstadion mitten im Grün des Geländes der Kleinen Landesgartenschau 2003.

Positive Nachfolge-Effekte

Peter Schubert hat schon eine ganze Reihe von positiven Nachfolge-Effekten wahrgenommen. "Wir haben Nachfragen von Investoren, die zusätzliche Gastronomie und Hotellerie anbieten wollen", sagt der Geschäftsführer der Wassertrüdinger Schau. Auch einige Ärzte, die sich hier niederlassen wollten, hätten schon bei der Stadtverwaltung angefragt. Und nicht zuletzt hätten sich manche Privatleute von der Aufbruchstimmung anstecken lassen und angefangen, ihre Häuser zu renovieren.

Auch in der Stadtkasse von Wassertrüdingen macht sich die gestiegene Attraktivität bereits bemerkbar. Die Grundstücke eines Baugebiets neben dem Klingenweiherpark, der neuen grünen Mitte des nördlichen Stadtgebiets, wurden laut Schuber vor einigen Jahren noch angeboten "wie Sauerbier". Inzwischen seien alle Bauplätze verkauft.

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