Viele Menschen fühlen sich zu wenig informiert

21.12.2018, 17:53 Uhr
Viele Menschen fühlen sich zu wenig informiert

© Foto: Alisa Müller

"Und wenn der Hund schon so reagiert, wie geht es dann dem Wild, in dessen Revier ein Windrad gebaut wird?" Er führt weitere strittige Themenbereiche an: den Flächenverbrauch, die Gefahr von Eisschlag im Winter, tödliche Kollisionen von Fledermäusen und Vögeln mit den Rotorblättern – und was passiert eigentlich mit den Windrädern, wenn sie ausgedient haben?

Wie Walter Schmied geht es vielen Menschen in Deutschland: "Tatsächlich ist ein immer wiederkehrendes Ergebnis unserer Studien zur Windkraft, dass die Leute sich zu wenig informiert fühlen", meint Dr. Dirk Sudhaus von der Fachagentur "Wind an Land" (siehe Interview).

Doch es gibt speziell in der Metropolregion viel sogenannten "Bürgerwind" – Windräder, die von Bürgern vor Ort finanziert werden. In Nordbayern liegt ihr Anteil an der Windkraft deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von einem Fünftel. Im Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim seien 47 von 50 Windrädern von ansässigen Bürgern finanziert, erzählt Stefan Paulus von der Firma Wust, die Bürgerwindräder projektiert.

Auch die vier Räder des Windparks Birkenfels, an denen Schmied seine Bedenken konkretisiert, zählen zum "Bürgerwind". 215 Einwohner der fünf an den dortigen Wald angrenzenden Gemeinden haben sich zur "NorA Bürgerwind GmbH" ("Kommunale Allianz nördlicher Landkreis Ansbach") zusammengeschlossen und im Durchschnitt je 20 000 Euro in den Windpark investiert.

An ihm können exemplarisch viele der Fragen, die nicht nur Walter Schmied umtreiben, geklärt werden. Zum Beispiel der Flächenverbrauch: Die Einzelteile der knapp 200 Meter hohen Bauten kamen dort auf schon vorhandenen Waldwegen zu ihrem Einsatzort. Die Monteure mussten nur die Fläche, auf der der Kran während der Bauzeit steht, neu befestigen – und natürlich das Fundament des Windrads. Je nach Bauart muss für ein Windrad im Forst ein halber bis ein Hektar Wald gerodet werden. Dieselbe Fläche muss der Betreiber allerdings an anderer Stelle wieder aufforsten. Immer mehr Windräder werden im Wald gebaut, in Bayern steht aktuell fast ein Viertel der 1200 Windräder inmitten von Bäumen.

Da die Laufzeit gesetzlich auf 20 Jahre festgelegt ist, drehen sich die Exemplare bei Birkenfels noch mindestens 17 Jahre. Hans Henninger, Bürgermeister von Flachslanden, einer der fünf beteiligten Gemeinden, rechnet damit, dass sie danach noch weiterbetrieben werden. Das kommt allerdings auch auf die Entwicklung der Technik an. Denn momentan ist es rentabler, neu zu bauen: Die Technik hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung gemacht. An der gleichen Stelle erzeugt ein modernes Windrad etwa doppelt so viel Strom wie eines, das vor zehn Jahren gebaut wurde.

In Deutschland werden in Rheinland-Pfalz aktuell die ersten Windräder durch neue Modelle ersetzt. Die Einzelteile der alten Anlagen werden in diesem Fall nach Polen transportiert, wo die Windräder ein zweites Leben bekommen. Beim Rückbau kommen auch die Betonfundamente, die etwas mehr als drei Meter tief sind, wieder aus dem Erdreich.

Doch zwischen Bau und Rückbau tut jedes Windrad vor allem eines: Es dreht sich so oft wie möglich – und das ist nicht lautlos. Das "Summen wie von einer großen Hornisse", wie Walter Schmied die Töne beschreibt, scheint die Waldtiere jedoch nicht zu stören. "Das Geräusch hat keinen Einfluss auf das heimische Wild", berichtet Christian Fuhrmann, Vorsitzender der Jägervereinigung Ansbach und Umgebung. Die Grenze seines Reviers verläuft in etwa 250 Metern Entfernung zu den Birkenfelser Rädern. Auch sein Hund, mit dem er regelmäßig jagt, reagiert nicht auf die Laute der Rotorblätter im Wind.

Für Vögel und Fledermäuse sind Windräder dagegen potenziell lebensgefährlich. Im Falle der Fledermäuse hilft nur eines: abschalten, wenn sie besonders gerne fliegen. Das wird auch im Windpark Birkenfels gemacht, sagt Bürgermeister Henninger: "Sechs Prozent der Betriebszeit im Jahr stehen unsere Windräder wegen der Fledermäuse still."

Für den Vogelschutz ist das keine Option, weil Vögel zu fast allen Tageszeiten fliegen. Umso wichtiger ist es deswegen, den Standort von vorneherein richtig auszuwählen. Gänse und Enten zum Beispiel meiden Windparks, während andere Vögel die Lebensgefahr nicht erkennen. Zu deren Brutgebieten und Flugkorridoren sollten deshalb ausreichende Abstände eingehalten werden. "Besonders häufig kommen Greifvögel in den Windrädern um, zum Beispiel der Mäusebussard, der Rote Milan und auch der Seeadler", erläutert Kai-Michael Thomsen vom Michael-Otto-Institut im Naturschutzbund Nabu.

Menschenleben dagegen sind nicht gefährdet – auch nicht durch herabfallendes Eis. "Das Risiko liegt unterhalb des allgemeinen Lebensrisikos", beruhigt Stefan Paulus. Die Anlagen seien so programmiert, dass sie automatisch anhalten, wenn sich Eis auf den Flügeln bildet. Die gefrorene Schicht kann dann zwar nach unten segeln, wird jedoch nicht weggeschleudert. "Bei Temperaturen um die null Grad ist die Gefahr am größten. Dann ist es anzuraten, nicht direkt unter der Anlage stehenzubleiben", meint Paulus. Mit der gleichen Gefahr leben Menschen jedoch schon seit Jahrtausenden – auch unterhalb von Bäumen.

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