Weiboldshausener Flüchtlinge müssen ausreisen

24.8.2019, 06:02 Uhr
Weiboldshausener Flüchtlinge müssen ausreisen

© Leah Mühlöder

Ihre Ausweise wurden eingezogen und ein sofortiges Arbeitsverbot erlassen. Bis zum 30. August haben Aleksandr und Elena Skundzia mit ihrem Sohn Makar Zeit, um ihre Sachen zu packen, Formalitäten zu klären und dann Deutschland freiwillig zu verlassen. Die Familie soll zurück in die Ukraine. Andernfalls würde es zur Zwangsrückführung kommen, teilte man ihnen im Amt mit.

Nach dem ersten Schock regt sich nun der Widerstand. Es herrscht Unverständnis über die Entscheidung, weil beide Eltern Arbeit haben, selbst Miete bezahlen und auch sonst fest im fränkischen Leben stehen. Hinzu kommt: Elena Skundzia ist als Kinderpflegerin für die Stadt Weißenburg angestellt. Ein Beruf, der bekanntermaßen unter Personalmangel leidet – auch hier im Landkreis. Aleksandr Skundzia ist als Zeitarbeiter bei der Firma Gore beschäftigt. In ganz Weiboldshausen gebe es Unmut über die Entscheidung der Behörde, beschreibt Gottfried Mertens die Situation vor Ort. Er und seine Frau Hildegard sind im Unterstützerkreis tätig. Dort helfen sie den Geflüchteten, damit sie sich im neuen Wohnort zurechtfinden können. Dadurch standen die Mertens den Skundzias während der letzten Jahre zur Seite, um eine Hürde nach der anderen zu nehmen und eine gute Integration zu ermöglichen. Auch jetzt wollen sie noch nicht aufgeben.

Kaum eine Chance auf Asyl

Aber das scheitert an den deutschen Einwanderungsgesetzen. Die Skundzias kamen im Dezember 2015 nach Weiboldshausen. Gemeinsam mit sieben anderen Familien aus der Ukraine brachte man sie in dem Dorf unter. Alle anderen Familien mussten Deutschland bereits wieder verlassen, denn Ukrainer haben kaum eine Chance, in Deutschland Asyl zu bekommen. Auch der Asylantrag der Skundzias wurde bereits abgelehnt: "Wir verstehen auch, dass wir kein Asyl bekommen", sieht Elena Skundzia ein. Trotzdem habe sie den Wunsch, noch etwas länger in Deutschland zu bleiben, bis sich die Lage in der Ukraine stabilisiert hat.

Deshalb versuchen sie nun, eine Beschäftigungsduldung zu erreichen. Die Familie erfüllt nämlich fast alle Auflagen: Sie sind vor dem 1. August 2018 eingereist, sichern sich selbst ihren Lebensunterhalt. Beide sprechen sehr gut deutsch, zahlen Sozialversicherungsabgaben und sind bestens in das Dorf integriert.

Allerdings scheitert es an einem Punkt: Sie ist nicht im Besitz einer bereits seit zwölf Monaten gültigen Duldung. Eine Duldung (vorübergehende Aussetzung der Abschiebung) bekommen Ausländer nach dem Aufenthaltsgesetz aber nur, "wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern". Diese Voraussetzungen sind bei den Skundzias laut der Zentralen Ausländerbehörde nicht gegeben.

Dass nicht alle Punkte erfüllt werden können, ist eine Sache. Denn Gesetz ist Gesetz. Was die Mertens richtig sauer macht, ist die politische Debatte im Chaos um die Einwanderungsgesetze: "Uns Bürgern wird Sand in die Augen gestreut, das alles ist eine große Unsinnigkeit", klagt Hildegard Mertens.

Denn in der Öffentlichkeit würden sich die Verantwortlichen solidarisch geben. Die CSU setzt zwar auf konsequente Abschiebungen, aber zeitgleich auf eine schnelle Integration in einen Job. Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann ist der Meinung, dieses Konzept sei aufgegangen. Integrierte, beschäftigte Fachkräfte hätten es danach leichter, in Deutschland bleiben zu dürfen. Das wäre auch notwendig: Laut einer Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft werden dem Freistaat im Jahr 2025 etwa 350 000 Fachkräfte fehlen. Elena Skundzia fällt als Kinderpflegerin genau in die Berufssparte, die massiv vom Fachkräftemangel betroffen sind. Trotzdem soll sie abgeschoben werden. Die Absurdität der Lage werde deutlich, "wenn man beobachtet, dass unsere Politiker zeitlich ins Ausland reisen, um dort Fachkräfte abzuwerben", beschweren sich die Mertens. Auf der anderen Seite werden bereits gut integrierte wieder in ihre Heimatländer zurückgeschickt – die Sinnhaftigkeit sei nicht zu erkennen, so Gottfried Mertens. In Weiboldshausen förderte man über einige Jahre mit viel Aufwand die Integration der Flüchtlinge – genau wie es von der politischen Seite gefordert wurde. "Jetzt soll das aber auch anerkannt werden, die Politik soll zu dem stehen, was sie damals gefordert hat", bringt Hildegard Mertens ihren Unmut auf den Punkt.

Auch Jürgen Schröppel, Oberbürgermeister der Stadt Weißenburg, versuchte bereits zu intervenieren. Er bedauere die Situation, sagt er. Skundzia sei eine "wertvolle Kraft" in der städtischen Einrichtung. Die Stadt Weißenburg sei daran interessiert, die Dame weiter zu beschäftigen. Denn auch hier herrsche Fachkräftemangel. Man würde aber an dem Fall sehen, "dass wir kein Instrumentarium haben". Schröppel informierte auch die beiden Stimmkreisabgeordneten im Landtag, Wolfgang Hauber und Manuel Westphal, über die Familie aus Weiboldshausen. "Mehr kann ich nicht tun", resigniert er. Und fügt an: "Wir brauchen dringend ein neues Einwanderungsgesetz."

Keine Kommentare