50 Jahre Berufsvorbereitung auf der Wülzburg

12.10.2018, 06:05 Uhr
50 Jahre Berufsvorbereitung auf der Wülzburg

© Robert Renner

Diese bildete den Auftakt zu einem Jubiläumsjahr und wurde nach einem Gottesdienst in der Schlosskapelle im Kanonensaal der Festung begangen – einem Ort der für die Anforderungen einer Schule vor 50 Jahren erst einmal passend gemacht werden musste. Vor allem Lehrerinnen, aber auch Schülerinnen, mussten dabei mit anpacken. Von „Pionierarbeit“ sprach daher Schulleiterin Susanne Göpel beim Blick in die Historie der Einrichtung.

Sie meinte damit aber auch einen zweiten Punkt. Begonnen hatte alles mit einem Vorbereitungslehrgang für noch nicht ausbildungsreife Mädchen. Doch damals war das Rollenverständnis noch ein anderes. Frauen führten den Haushalt, kümmerten sich um die Kinder. Ein eigener Beruf war zweit-rangig. Und in dieser Zeit etablierte der Missionsdienst für Christus aus Stockdorf die neue Schule auf der Wülzburg. „Eine unglaubliche Leis-tung“ konstatierte Göpel, die seit zehn Jahren die Schule leitet.

Leben und ausbilden

Die Schwestern des Missionsdiens-tes lebten gemeinsam mit den anfangs „60 Maiden“ in Wohngruppen im Westflügel des Wülzburg-Schlossbaus und widmeten sich deren Berufsvorbereitung und Ausbildung. Wichtig war ihnen, den jungen Menschen dabei christliche Werte zu vermitteln. Schon 1976 kam der Südflügel hinzu. „Es war nötig und möglich, in dem Haus zur gleichen Zeit zu leben und auszubilden“, schilderte die Schulleiterin die Umstände, unter denen die Erweiterung vorgenommen wurde. 1980 waren die Arbeiten abgeschlossen.

Fortan lebten in dem Internat und der Schule in mehreren Wohngruppen jeweils zehn bis 14 Mädchen und lernten das Leben quasi in familiärer Gemeinschaft. Später wurden die sogenannten Förderlehrgänge eingeführt. In diesen sollte den Mädchen so weit geholfen werden, dass sie im Anschluss eine Berufsausbildung absolvieren oder ins Berufsleben starten können. Es gab verschiedene Bereiche wie Holztechnik, Gartenbau, Textiltechnik oder auch Hauswirtschaft.

2001 übernahmen die Rummelsberger sowohl das Internat, als auch die Förderlehrgänge vom Missionsdienst für Christus. Wenige Jahre später gingen nach Änderungen bei der Agentur für Arbeit aus den Förderlehrgängen die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BVB) hervor, die bis heute nach Göpels Worten sehr erfolgreich laufen. Der Internatsbetrieb hingegen wurde 2006 eingestellt.

50 Jahre Berufsvorbereitung auf der Wülzburg

© Robert Renner

Die BVB dauern zwischen elf und 18 Monaten und richten sich an Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die sich noch nicht für ein Berufsfeld entschieden haben und bei denen die Frage der Ausbildungsfähigkeit noch offen ist. Ziel ist es, die  Schüler in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt einzugliedern.

Ferner wird das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) angeboten. Es ist für Jugendliche ohne Hauptschulabschluss oder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gedacht. Die Teilnehmer wählen zwischen den Fachrichtungen Wirtschaft und Verwaltung, Gastronomie und Hauswirt- schaft oder Betreuung und Pflege. Die Jugendlichen werden auf den angestrebten Ausbildungsberuf vorbereitet und es werden ihnen zusätzliche berufliche Qualifikationen vermittelt.

Zudem gibt es das Arbeitsqualifizierungsjahr (AQJ) für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die zusätzliche berufliche Qualifikationen erwerben wollen. Sie können zwischen den Fachrichtungen Dienstleistung, Gastronomie und Hauswirtschaft oder Betreuung und Pflege wählen. Betriebspraktika ermöglichen den Kontakt zu Ausbildungsbetrieben. Die Jugendlichen werden auf die Arbeitswelt vorbereitet und mit ihnen wird eine selbstständige Lebensführung trainiert.

Allesamt gute und wichtige Angebote. „Eine kleine, aber feien Schule für Jugendliche mit Unterstützungsbedarf“, lobte denn auch Christa Naaß bei der Feierstunde, zu der unter anderem der Vorstandsvorsitzende der Rummelsberger Diakonie, Dr. Günter Breitenbach, Landratstellvertreter Robert Westphal, Weißenburgs Oberbürgermeister Jürgen Schröppel, Landtagsabgeordneter Manuel Westphal, Schulamtsdirektor Eduard Gradl, Hans-Christian Pfaller, der Leiter der Altmühlfranken-Schule, und Thomas Geyer, Leiter der Römerbrunnenschule der Lebenshilfe, gekommen waren.

„Stark machen”

Naaß hob den Unterricht in kleinen Klassen, die moderne EDV-Ausstattung, den Naturerlebnisgarten, die Schulimkerei, das interaktive Bienenhaus, das im Jubiläumsjahr noch offiziell eingeweiht wird, und den Backservice der Schule hervor. Ziel sei es, „junge Menschen stark zu machen für das Leben in der Gesellschaft und im Arbeitsalltag.

50 Jahre Berufsvorbereitung auf der Wülzburg

© Rober Renner

Individuelle Förderung bedeutet ihrer Lesart nach „Schatzsuche“. Jeder Mensch habe „besondere Fähigkeiten“, die aber manchmal erst entdeckt werden müssten. Sie dankte den Lehrer, der Schulleitung und allen anderen Beteiligten für ihr Engagement  zugunsten der Jugendlichen.

Landratvize Westphal überbrachte die Glückwünsche des Landkreises zum Jubiläum der Schule, die „in einer ganz besonderen Umgebung berufliche Bildung“ anbiete. Ihm zufolge werden dort jährlich 50 bis 60 „junge Menschen, die einer besonderen Unterstützung bedürfen“, auf den Beruf vorbereitet. Für ihn ist die Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung „eine große Chance für viele junge Menschen in der Region“.

OB Schröppel zufolge hat die Schule „zwei Facetten für die Stadt“. Zum einen werden dort junge Menschen ausgebildet, zum anderen ist die Stadt froh, dass die Wülzburg sinnvoll genutzt wird. Die Vorbereitung auf das Berufsleben hat für ihn „etwas mit Menschenwürde zu tun“, denn so werde man in die Lage versetzt, selbst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und sei nicht auf die Hilfe Dritter angewiesen.

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