Aus Lust am Morden

21.9.2014, 16:34 Uhr
Aus Lust am Morden

© Steiner

Dass von jedem Ort eine bestimmte Aura ausgeht, das wissen Literaturwissenschaftler schon lange. Sie nennen die geistige Atmosphäre eines Ortes gerne auch „genius loci“. Dirk Kruse und Klaus Häffner, die Organisatoren des Krimifestivals, kennen das Phänomen offenbar auch und haben für jeden Autor einen passenden Leseort ausgesucht: Für Wolfgang Polifka den Sitzungssaal im Gotischen Rathaus, für Christian Klier die Spitalkirche und für Tommie Goerz die Stadtbibliothek. Auch im Nachhinein betrachtet eine glückliche Wahl.

„Wie Kuchenbacken“

Der altehrwürdige Sitzungssaal wartete mit dem passenden Ambiente für die Grußworte auf, die Bürger-meisterin Maria Schneller und Organisator Dirk Kruse an die rund 60 Krimifans richteten und das Krimifestival als offiziell eröffnet erklärten. Der gebürtige Franke Wolfgang Polifka, der inzwischen in Hessen wohnt und von daher als „Franke mit Migrationshintergrund“ (Kruse) gilt, fand hier gleich den richtigen Draht zum Publikum. Er gesteht, dass er im hessischen Exil permanent am „Bratwurst-Mangel-Syndrom“ leidet, und Krimischreiben eigentlich ganz einfach ist: „Das ist wie Kuchenbacken, nur dauert es ein wenig länger ...“

Dass Polifka ohne Zweifel Franke geblieben ist, verrät sein Idiom: „Des is a sicherer Hinweis auf a Dollwut-Infektion ...“ Sein neuester Krimi, die Rosenberg-Pergamente, die in Kronach spielen, vereint Lokalgeschichte, Komik und Spannung ein einem Werk. Wenn das türkisch-deutsche Ermittlerduo Götz Flößer und seine Kollegin Yildis aufklären wollen, was es mit den wertvollen Dokumenten auf der Kronacher Festung auf sich hat, wird es manchmal unweigerlich komisch. „Kronacher Bratwürste sind nicht islamkompatibel“, warnt der fränkische Kommissar beispielsweise seine Kollegin, die sich weitaus weniger strenggläubig zeigt als angenommen und sogar vor fünf Halben „Schlenkerla“-Rauchbier nicht zurück-schreckt. Am Ende des ersten literarischen Appetithäppchens lässt Polifka sein Publikum noch einen Vers auf Türkisch singen. Irgendeinen Vers mit vielen „ü“. Müdülügür oder so. Wer genau wissen will, was das heißt, sollte das Buch lesen, empfiehlt Polifka am Ende.
Christian Klier, der trotz seiner stattlichen Körpergröße anfangs etwas verloren am Pult in der Spitalkirche steht, setzt ebenfalls auf Komik, um das Eis zu brechen: „Ich bin eine Primaballerina im Körper eines Handwerkers“, kokettiert er. Während er anfangs noch etwas introvertiert aus seinem ersten Krimi „Klotz, der Tod und das Absurde“ liest, taut er im weiteren Verlauf der Lesung auf. Besonders lustig wird es in seinem zweiten Krimi „Klotz und der unbegabte  Mörder“, der in Nürnberg spielt. Dort muss der schrullige Kommissar unter anderem auch in dem fiktiven „Max-Morlock-Gymnasium“ ermitteln, „in dem überwiegend Sport unterrichtet wird“.

Krimi mit Komik

Wie viel Komik-Potential der dritte lotz-Krimi hat, demonstierte Klier gleich mit dem Prolog, der am Silbersee am ehemaligen Reichsparteitagsgelände spielt. Dort lässt Bernhard Dünnfelder, seines Zeichens Lehrer, sein Modell-U-Boot einige Runden drehen, bis es letztlich von randalierenden Jugendlichen versenkt wird. Während es langsam auf den Boden sinkt, sieht der selbsternannte U-Boot-Kapitän etwas auf dem Monitor, „was ihm den Atem raubt ...“
Tommie Goerz, der im richtigen Leben eigentlich Dr. Marius Kliesch heißt und in einer Erlanger Agentur für Industriekommunikation tätig ist, erklärt dem brav bis zur Stadtbibliothek mitgewandertem Publikum, warum er unter Pseudonym schreibt: Erstens seiner Frau zuliebe und zweitens, weil er seinerzeit für eine Professur an einer Hochschule kandidierte.

Dass Tommie Goerz alias Marius Kliesch aber nicht nur literarisch kreativ ist, sondern auch musikalisch, bewies er in Weißenburg ebenfalls.
Gemeinsam mit seiner Band „Hans, Hans, Hans und Hans“ (Hans Werner Fiederer, Hans Rainer Dirr und Hans Günther Wichert) lockerte er die Lesung mit Liedern wie „Wo is’n der Schorsch heit?“ auf. Fränkische Lyrik zu eingängiger Melodie, die im konkreten Fall von Mike Batts Kult-Hit „Ride to Agadir“ entliehen war.

Dass Goerz mit Sprache umgehen kann, hat er mehrfach in seinem Leben bewiesen. 2007 gewann der Kreative sogar einen Bronzenen Löwen in Cannes. Seine Kriminalfälle, in denen Friedemann „Friedo“ Behüt-uns ermittelt, bestechen ebenfalls durch seine detaillierte Beobachtungsgabe, eine Liebe zu fränkischen Eigenheiten, zu Land und Leuten.

So ermittelt Behütuns unter anderem in Bierkellern in Kalchreuth und genießt natürlich auch Bier und Bratwurst, die dazu führen, dass sich eine „grenzenlose Leichtigkeit“ in ihm ausbreitet. Nach etlichen Passagen, die Lust auf mehr Lektüre machen, endet die „Lesung an drei mörderischen Orten“ kurz vor 23.00 Uhr mit dem passenden Lied: „Feierabend am Land“. Dirk Kruse ist es überlassen, den eigentlichen Sinn einer solchen Reihe zusammen zu fassen: „Ich hoffe, Sie sind angefixt worden für den fränkischen Krimi.“ Ob es neue Süchtige gibt, die nach Lesestoff verlangen, dürften am Ende vor allem die lokalen Buchhändler wissen, die mit Büchertischen an den jeweiligen Leseorten vertreten waren, an denen die Autoren natürlich gerne auch signierten.
 
 

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