Die Hundeflüsterin aus Alesheim

11.4.2020, 06:56 Uhr
Die Hundeflüsterin aus Alesheim

© Foto: Bastian Mühling

Die Szene spielt sich auf einem Feld in der Nähe von Alesheim ab. Und irgendwann, da soll sie so oder so ähnlich im deutschen Fernsehen zu sehen sein.

Die Hundeflüsterin aus Alesheim

© Foto: Bastian Mühling

Bevor irgendwelche Verwirrungen aufkommen: Pfannkuchen ist ein Hund. Eigentlich heißt er Benny, aber in der Filmbranche ist er als Pfannkuchen bekannt. Ein Künstlername. Er hat schon im Dresden-Tatort mitgespielt. "Mit dem Namen wollte ich das Ganze auflockern", erklärt Cindy Lueddeke. So hat sie schon manchen Schauspielern die Angst genommen. Auch sie heißt eigentlich anders: Monja Cynthia Lueddeke (40). Sie lebt in der Gemeinde Alesheim. Und ihr Beruf ist so ungewöhnlich, dass er nicht einmal im Register steht: Filmtiertrainerin.

Zehn Tiere hat Cindy Lueddeke. Zwei Schäferhunde, fünf Wolfshunde, einen Malinois, einen Mischling und einen Chihuahua. Es muss das reinste Tollhaus sein. "Und alle haben so bekloppte Namen wie Pfannkuchen." Schäferhund Barney zum Beispiel heißt "Inspektor Barnaby". Gebissen wurde Lueddeke erst einmal. Bei einer Keilerei im Dunkeln ist sie dazwischen gegangen.

Was da wohl die Nachbarn sagen? "Es ist eigentlich relativ ruhig", meint Lueddeke. Klar, ab und zu heulen die Wölfe. "Aber die Nachbarn sind zufrieden." Sie gibt aber auch zu, dass es Menschen gibt, die ihren Beruf nicht so schön finden. Ins Detail möchte sie hier nicht gehen. Die Mehrheit aber reagiert so: "Wow! Wie ist das so? Welche Schauspieler hast du da kennengelernt?"

Cindy Lueddeke muss sie enttäuschen. "Ich gebe da nichts drum." Alles ganz normale Menschen. Früher konnte sie es kaum erwarten, bis ein Film ausgestrahlt wird. "Heute schaue ich mir sie manchmal gar nicht mehr an." Sowieso schaut sie so gut wie nie fern. Ein paar Namen fallen ihr dann aber doch ein: Til Schweiger, Martina Hill, Mario Adorf.

Die Hundeflüsterin aus Alesheim

© Foto: Bastian Mühling

Jahrelang hat Cindy Lueddeke das sogenannte Klick trainiert. Es ist der Schlüssel zu ihrer Arbeit. Und es ist fast schon magisch. Wie ein Zaubertrick. "Und bitte." Cindy Lueddeke richtet eine Plastikpistole auf Pfannkuchen. Der schaut sie mit einem Hundeblick an, der den Namen verdient. Lueddeke drückt den Abzug. Klack. "Pah", haucht sie. Pfannkuchen sackt zusammen, versinkt im Gras, schließt die Augen. Zwei, drei Sekunden verstreichen. Dann sagt Lueddeke: "Und geh." Beim Wort "geh" zieht sie ihre Stimme hoch. Das ist das Signal. Klick. Pfannkuchen steht auf. Dann bekommt er ein Leckerli.

"Damit verknüpfen sie, dass Klick etwas wunderbares ist." Klassische Konditionierung nennt Lueddeke das. Ganz am Anfang, da hat sie tatsächlich "Klick" gesagt. Heute ruft sie "Okay" oder "Fein" und es macht Klick. "Man fängt mit einem kleinen Gegenstand wie einem Handtuch an und steigert es dann."

Was man von ihrer Karriere nicht behaupten kann. Die ging gleich mit einem Kinofilm los. Aber von vorne: Begonnen hat alles mit einer kleinen, mobilen Hundeschule. Auf Facebook postet sie Tricks und Kurse. "Da ist jemand auf mich aufmerksam geworden": Walter Simbeck, Agent. Wenn Schauspieler Agenten haben, dürfen Filmtiere das auch. Simbeck fragt also, ob sich Lueddeke vorstellen kann, Tiere am Filmset zu betreuen. Sie sagt zu und startet 2015 gleich mal am Set vom Kinofilm "Schubert in Love" mit Olaf Schubert.

Die Hundeflüsterin aus Alesheim

© Foto: Cindy Lueddeke

"Ich bin damals so reingerutscht." 2016 macht Lueddeke beim Veterinäramt eine Prüfung, die der Paragraf 11 im Tierschutzgesetz vorschreibt. Dadurch hat sie die Erlaubnis, Hunde vor die Kamera zu bringen. Wenn sie mit anderen Tieren arbeitet, holt sie sich professionelle Unterstützung.

"Eine Berufsbezeichnung gibt es gar nicht." Das hat Cindy Lueddeke festgestellt, als sie 2017 ihr Gewerbe anmelden wollte. Also setzte sie das Wort "Filmtiertrainerin" in Anführungszeichen. Auch einen Lebenslauf hat sie nicht. Den braucht sie aber auch nicht. Ihre Sky Filmtiere sprechen sich herum. Ein kleiner Auszug aus ihrer Filmografie: Terra X, Schicksale, Tatort Dresden, Der Alte. Sie macht auch Werbefilme und Fotoshootings. Ihr Hauptberuf aber ist die Tierpflege. "Die müssen gefüttert werden, brauchen Medikamente, Auslauf." Manchmal geht sie über 16 Kilometer am Tag Gassi.

Das Training oder besser gesagt die Proben sind sehr unterschiedlich. Mal in der Stadt, mal auf dem Land – je nach Drehbuch. Mal intensiv, dann auch mal Pause. Das richtet sich immer auch nach den Tieren. Manche Tierschützer sehen es kritisch, wenn Tiere für Filmdrehs abgerichtet werden. Davon kann bei Cindy Lueddeke keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Tiere haben bei ihr Priorität Nummer eins. Deshalb nimmt sie auch nicht jeden Auftrag an. Nämlich dann, wenn sie weiß, dass der Hund daran keinen Spaß hätte. Ohnehin reichen ihr aber ein paar Drehs im Monat aus.

Wer sich länger mit ihr unterhält, wird irgendwann auf ihr nicht vorhandenes Fränkisch zu sprechen kommen. Sie kommt ursprünglich aus Monheim am Rhein, zwischen Düsseldorf und Köln. Nach der Trennung von ihrem Mann hat sie bei ihrer besten Freundin Deniz Wegenschmidt in Dittenheim Urlaub gemacht. "Ich habe mir gedacht: Das ist sowas von toll hier. Die Natur, die Wälder, die Seen." Und: "Man grüßt sich hier. Ich kannte das nicht." Seit 2004 wohnt sie in Alesheim. "Mein Traum war es immer, aufs Land zu ziehen."

Braucht Regisseur Mike Dietrich Tiere, ruft er Cindy Lueddeke an. Die beiden haben zusammen bei den Karl-May-Festspielen in Burgrieden gearbeitet. Ab Sommer stehen die Karl-May-Festspiele in Pullman City an, der Westernstadt in Eging am See. Wobei natürlich auch hier wegen der Corona-Krise ein Fragezeichen dahinter steht. Was die Tiere auf der Bühne machen sollen, schreibt Dietrich ins Drehbuch. Lueddeke sorgt dafür, dass die Tiere das auch so umsetzen. Oder eben nicht. "Sie hat super Ideen und sie versteht es, die Tiere auf der Bühne zu präsentieren", erzählt Dietrich. "Wenn man als Regisseur mit Tieren arbeitet, muss man flexibel sein."

Das gilt aber genauso für Filmtiertrainer. Ein Anruf bei Veronika Buckel, eine Kollegin von Lueddeke. "Ich finde es bewundernswert, dass Cindy das hauptberuflich macht." Das Geschäft sei schwer planbar. "Man muss von jetzt auf gleich alles stehen und liegen lassen können." Und: "Man muss auf alles mögliche hintrainieren, damit die Tiere alles abrufen können, was gefragt werden könnte." Es sind Sätze, die sich vor Konjunktiven kaum retten können. Was Buckel über ihre Freundin sagt, drückt perfekt aus, wie man selbst Lueddeke erlebt hat: "Unglaublich viel Energie, ein sehr fröhlicher Mensch, sehr kreativ." Aber: "Auch wenn die Produktion drängt, hat sie immer das Tier im Blick."

Freundlich, aber bestimmt. Es ist diese Mischung, die Cindy Lueddeke auszeichnet. Auf dem Feld bei Alesheim, da trägt sie eine grün-braun karierte Militärjacke, die auch für Disziplin steht. Am Anfang mochte das so gar nicht zu dieser Frohnatur passen. Aber nach dem Training mit Pfannkuchen ist klar: Freundlich, aber bestimmt. Wenn es um ihre Tiere geht, dann geht es für Cindy Lueddeke um alles. "Super", ruft sie zu Pfannkuchen nach dessen Attacke auf ihren Sohn Jonas. Und der spurtet los. Zu seinem Leckerli.

Keine Kommentare