Ein Hörlbacher Imker saß mit Kanzlerin Merkel am Tisch

1.1.2020, 15:56 Uhr
Ein Hörlbacher Imker saß mit Kanzlerin Merkel am Tisch

© Foto: Privat

Und das in einem Moment, in dem Politik, Wissenschaft und Bürger enormes Interesse an den Imkern und ihren Bienen haben. Gilt die wissenschaftlich gut untersuchte Biene doch in vielen Bereichen als Indikator für Maßnahmen zum Schutz von Insekten im Allgemeinen.

Unaufgeräumte Landschaften

Deshalb sitzt Spiegl seit einem runden Jahr an lauter wichtigen Verhandlungstischen. Zuletzt war er Anfang Dezember in Berlin und nahm beim Landwirtschaftsdialog im Kanzleramt Platz, in derselben Runde wie Angela Merkel (CDU). Im Frühjahr war der Hörlbacher dagegen mehrfach Gast in München, als sich dort auf Einladung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Umweltverbände, Landwirtschaftsvertreter und Politiker zum runden Tisch Artenschutz trafen.

Zum Ende des Jahres zieht Spiegl nun die Bilanz der Bemühungen in diesem umweltpolitisch so aufgeregten Jahr. Und diese Bilanz ist entschieden unentschieden. Am Willen gibt es auf allen Seiten nichts zu zweifeln, sagt Spiegl. "Es war vom ersten Moment an nie die Debatte, ob wir was machen müssen, sondern was wir machen müssen." So wenig spektakulär das klingt, ist es doch ein erheblicher Fortschritt. Spiegl: "Die Fakten lagen schon vorher auf dem Tisch. Etwa, dass wir über Jahrzehnte hinweg an Biomasse verlieren bei den Insekten. Aber das Volksbegehren hatte da erheblichen Einfluss, dass allen klar war: "Freunde, jetzt müssen wir was machen."

Ein Hörlbacher Imker saß mit Kanzlerin Merkel am Tisch

© Foto: Jan Stephan

Die Herausforderung ist aus Sicht des Hörlbacher Hobbyimkers, dass man nun die besten Wege finden muss, um Abhilfe zu schaffen. Auch hier ist man sich auf übergeordneter Ebene weitgehend einig, dass es vor allem abwechslungsreichere, unaufgeräumtere Landschaften braucht, um eine vielfältige Flora und Fauna zu schaffen. Mit am schlechtesten geht es Bienen in großen Acker-Monokulturen. In städtischen Räumen mit vielen, unterschiedlich gestalteten Gärten kommen die Bienen besser zurecht als in Maiswüsten. Insektenschutz ist also nicht unbedingt eine Frage der Biomasse, sondern auch ihrer Bioqualität.

 

Diese Einsicht ist allerdings nicht die Lösung, sondern nur ihr Beginn. "Die Frage ist, welche Maßnahmen man nun konkret umsetzt", erklärt Spiegl. "Und ganz oft ist es auch die Frage, wer das eigentlich am Ende bezahlt." Denn Aufwand für die Landwirte muss vergütet werden, sonst geht es den Bauern betriebswirtschaftlich an den Kragen.

Und beim Geld beginnen dann oft schon die Probleme. Es soll zum Beispiel in staatlichen Kantinen im Freistaat in Zukunft zu 50 Prozent auf regionale und/oder Bio-Lebensmittel gesetzt werden, hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen. Kommunen sollen diesem Beispiel folgen. "Dann hat ein Politiker vorgerechnet, dass das etwa in einem Krankenhaus bedeutet, dass sich der Preis für die Mahlzeit verdoppelt", erzählt Spiegl. "Und das muss dann jemand bezahlen." Die Krankenkassen werden es wahrscheinlich nicht sein.

Artenschutz nicht wie bei Amazon

Die Herausforderung wird dadurch nicht kleiner, dass der Agrarsektor komplex ist und kleine Veränderungen zu enormen Verwerfungen führen können. Dazu kommt, dass Maßnahmen im Naturschutz oft lange brauchen, um messbare Ergebnisse zu erzielen. "Ich denke, dass wir bei vielen Sachen erst in zehn Jahren einschätzen können, ob es ein Erfolg war oder nicht. Artenschutz ist nicht wie bei Amazon, wo man bestellt, und am nächsten Tag wird geliefert."

Auch wenn Spiegl den Umweltverbänden den Verdienst anrechnet, dem Artenschutz mit dem Volksbegehren den nötigen Anschub gegeben zu haben (Spiegl: "Der Markus Söder ist ja jetzt unheimlich grün geworden"), so sieht der Hörlbacher auch das ein oder andere Problem. "Ich finde, es hilft nichts, sich immer vorzuwerfen, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist, man muss sich auf die Zukunft konzentrieren."

Und manchmal hat er den Eindruck, dass der ein oder andere Umweltverband bewusst nach dem Negativen suche, um seine eigene Daseinsberechtigung zu unterstreichen. "Das Arbeiten in Berlin, beim Landwirtschaftdialog war ein sehr gutes, auch weil da nur Praktiker am Tisch saßen", findet Spiegl im Rückblick. Klar sei aber auch, dass man am Anfang stehe. "Ich sehe es so, dass das Glas halb voll ist und die nächsten fünf Jahre zeigen werden, in welche Richtung es geht." Wichtig sei, dass man die Chance, die der Volksentscheid Artenvielfalt eröffnet hat, jetzt nicht verstolpere.

Im Kanzleramt war der deutsche Imker-Vize angetan von den klaren Worten, die Merkel in den Gesprächen fand. Sie habe manchen Landwirtvertretern klargemacht, dass es bei grundsätzlichen Dingen wie der Düngeverordnung oder dem Insektenschutz nicht mehr viel zu diskutieren gibt, aber bei anderen Themen signalisierte sie auch Unterstützung für die Bauern. Etwa wenn es auf europäischer Ebene um die Standards der Lebensmittelproduktion gehe, die gleich sein sollten.

In jedem Fall gibt es noch viel zu tun. Und die Imker möchten nach dem Willen von Stefan Spiegl nicht nur mitreden, sondern auch mitgestalten. Der Verband führt wissenschaftliche Untersuchungen durch, wie eine spezielle Bepflanzung des Grüns unter Fotovoltaikflächen sich auf die Artenvielfalt in diesem Bereich auswirken. Erste Ergebnisse sind vielversprechend. Könne man wissenschaftlich fundiert positive Auswirkungen nachweisen, könnte er sich vorstellen, dass der Gesetzgeber bei der Zulassung neuer Fotovoltaikflächen eine solche Bepflanzung und Nutzung generell zur Auflage mache. Das wäre ein Weg, um große Flächen ökologisch sinnvoll umzunutzen, ohne dass sie der Landwirtschaft entzogen werden. Einer von vielen Ansätzen, die derzeit in der Diskussion sind.

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