Eine Umkehr machte ihn stärker

13.4.2018, 07:53 Uhr
Eine Umkehr machte ihn stärker

© Udo Herrmann

Mit seiner Truppe aus internationalen Bergsteigern war Steve Kroeger bereits mehrere Wochen mit 40 Kilogramm Gepäck unterwegs, der Gipfel des McKinley war nicht mehr weit. Bei minus 40 Grad irgendwo im Nirgendwo in der Wildnis Alaskas lag Kroeger nachts aber wach. Was ihn wachhielt, war nicht die eisige Kälte in seinem Zelt. Kroeger hatte plötzlich keine Antwort mehr darauf, warum er diese extreme Aufgabe durchziehen sollte. Stimmen irrten stundenlang durch seinen Kopf. „Du musst das jetzt durchziehen!“ und „Dreh’ um, wenn du keinen Sinn mehr darin siehst!“

Nach dreistündigem Hin- und Hergewälze stellte sich Steve Kroeger zwei ausschlaggebenden Fragen: „Wann bin ich persönlich mehr und wann fühle ich mich frei?“ Wollte er oben erschöpft auf dem Berg ankommen, der doch irgendwie wie alle anderen aussieht, oder wollte er sich mit einer drastischen Entscheidung auseinandersetzen müssen? Letztendlich war es eine Herzensentscheidung, die Kroeger dazu bewegte, kurz vor dem lang ersehnten Gipfel kehrtzumachen. Jeder Gipfel hätte ihn stärker gemacht. „Am stärksten aber machte mich das Umdrehen“, sagt der Wahlweißenburger.

5 der „7 Summits“ erklommen

Stark befürchtetes Unverständnis und Verurteilungen seiner Community blieben aus. Vielmehr gratulierten ihm Freunde und Follower dazu, dass er selbstbestimmt gehandelt hatte. Schon als Kind wollte der heute 41-Jährige auf allen Kontinenten den höchsten Berg besteigen. 2007 beschloss er, diesen Kindheitstraum auch zu leben. Der damalige Personaltrainer setzte sich das Ziel, innerhalb von sieben Jahren die sogenannten „7 Summits“  – Mount Everest, Aconcagua, McKinley, Kilimandscharo, Elbrus, Vinson und Kosciuszko – zu erklimmen. Finanzieren konnte er sich den „Spaß“ durch Sponsoren, Investoren und weitere Coachings.

Fünf der sieben Gipfelkreuze sah er live. In Alaska wollte er nicht mehr, am Mount Everest starben genau zur  Zeit von Kroegers Aufstieg 16 Menschen durch eine Lawine. Aus Res­pekt, sicher aber auch aus Angst, wurden anstehende Expeditionen zum höchsten Berg der Welt abgebrochen.

„Mir war es aber auch nicht wichtig, auf allen Gipfeln zu stehen, sondern mein Ziel und die geplanten Schritte zu verfolgen.“ Die Expedition am Mount Everest war auch das Ende seines Projekts. Für ihn ein großer Erfolg. Verständlich, wenn man bedenkt, dass er vor 2007 noch nie einen Berg bestiegen hatte und nie länger als drei Stunden wandern war. Wie auch, ohne Wanderschuhe? Doch auch nach dem Projekt bezeichnet sich Kroeger nicht als klassischen Bergsteiger: „Es hätte genauso gut eine Weltumseglung sein können, ich wollte mich einfach Extremsituationen aussetzen.“

Extrem, nur anders, ging es für Kroeger weiter. Zurück vom Mount Everest verkauften er und seine Frau kurzerhand alles und erwarben einen Wohnwagen – wobei Kroeger beim Kauf das erste Mal einen Wohnwagen betrat. Sie beschlossen, sich für zehn Monate mit ihren zwei kleinen Kindern in Andalusien auf 16 Quadratmetern einen gemeinsamen Traum zu erfüllen. Dort baute Kroeger eine lang da gewesene Idee aus: sieben Start-up-Unternehmen zum Erfolg zu verhelfen und diese mit seinem Team zu begleiten. Seit 2017 läuft das Projekt.

Weil seiner Meinung nach ein Campingplatz als Wohnsitz eine schlechte Voraussetzung für einen Kitaplatz ist, wurde der Hamburger mit seiner Familie vergangenen Herbst in Weißenburg heimisch, um auch in der Nähe der Großeltern wohnen zu können. Für Kroeger war auch auf seinen Expeditionen das Nachhausekommen immer das Schönste: „Denn man darf frei sein nicht mit alleine sein verwechseln.“

Sein Glück fand Kroeger nie auf dem Gipfel selbst, sondern auf den Expeditionen generell, getreu dem Spruch „Der Weg ist das Ziel“. Die Erfahrungen seiner Expeditionen teilt er heute gerne. In seinem Buch „Die 7 Summits-Strategie“ erläutert er sieben Etappen, über die man mit Leichtigkeit persönliche Gipfel erreichen könne.

Seine Punkte, wie Zielsetzung, Fokussierung, die richtigen Wegbegleiter, Verantwortungsverteilung etc., könne man auch gut auf Berufswelt und Alltag beziehen, meint der Halbphilippino, der als Unternehmenscoach und Motivationstrainer auch Vorträge hält. Sein Tipp für wichtige Entscheidungen: erst die Entscheidung fällen und dann über den Weg nachdenken und nie einen Plan B haben. Sonst würde man nur unnötige Energie in den Notfallplan ste­cken, die dann vielleicht für die Umsetzung von Plan A fehlen.

Am Freitag erzählt Steve Kroeger bei der Sportlerehrung im Wildbadsaal von seinen Erlebnissen und Strategien. Die Veranstaltung ist nur für geladene Gäste.

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