Eine zentrale Notdienst-Praxis im Landkreis

27.3.2018, 07:53 Uhr
Eine zentrale Notdienst-Praxis im Landkreis

© Robert Maurer

Die Bereitschaftspraxis richtet sich ausdrücklich nicht an Notfälle. Diese werden auch in Zukunft von Notarzt und Rettungsdienst behandelt. Vielmehr geht es um jene Patienten, die mit ihrem Leiden tagsüber ihren Haus- oder einen Facharzt aufsuchen würden. Dafür gibt es schon seit Jahren den Bereitschaftsarzt, der aber vielen noch immer nicht geläufig ist.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) baut bis Jahresende ein Netz aus 110 solcher Bereitschaftspraxen im Freistaat auf. Wobei es keine festen Gebietsvorgaben gibt. Der Raitenbucher muss nicht nach Weißenburg fahren, sondern kann Eichstätt ansteuern. Wer nicht selbst in die Praxis kommen kann, wird wie bisher zu Hause besucht. Dafür hat neben jenem in der Bereitschaftspraxis ein zweiter Arzt Dienst, der unterwegs ist.

Die Bereitschaftspraxis in Weißenburg befindet sich im Fachärztezentrum direkt neben dem Klinikum in der Krankenhausstraße. Sie nutzt die Räume des Medizinischen Versorgungszentrums im ersten Obergeschoss mit. Für Astrid Hünner, verantwortliche Teamleiterin Notdienste der KVB, ist die feste Adresse ein wichtiger Aspekt. So mancher Patient habe in der Vergangenheit nur deshalb auf einen Hausbesuch gedrängt, weil es ihm zu umständlich war, die Praxis des diensthabenden Bereitschaftsarztes suchen zu müssen, glaubt sie.

Ein Vorteil der neuen Praxis ist natürlich die Lage. Da der Bereitschaftsarzt nur für weniger dramatische Fälle gedacht ist, gibt es Untersuchungsgeräte wie Ultraschall oder Röntgen nicht. Das hat andernorts für so Kritik gesorgt. Die Gerätschaften stehen aber 50 Meter weiter im Krankenhaus bereit. Bei Bedarf übergibt der Bereitschaftsarzt den Patienten an die Notaufnahme des Klinikums.

Die soll durch die neue Bereitschaftspraxis prinzipiell entlastet werden – vor allem am Wochenende. Denn es gibt bundesweit den Trend, dass immer mehr Patienten die Notaufnahmen aufsuchen, auch wenn es medizinisch gar nicht erforderlich wäre. Das verlängert zum einen die Wartezeiten dort und verursacht den Krankenhäusern Kosten, die sie nicht abrechnen dürfen. „Durch die Entlas­tung der Notaufnahmen von leichteren Fällen können wir uns Patienten, die im akuten Fall und mit schweren Erkrankungen zu uns in die Notaufnahmen kommen, rascher und intensiver widmen“, macht Klinikvorstand Jürgen Winter deutlich.

Dritter Gewinner des neuen System sollen die niedergelassenen Ärzte sein. Sie müssen seltener ran als bisher. Dr. Hans-Erich Singer, regionaler Vorstandsbeauftragter der KVB für Mittelfranken, berichtet, dass die Ärzte in der Region bislang im Schnitt gut 400 Dienststunden im Jahr leisten muss­ten. Er selbst ist Allgemeinmediziner in Mitteleschenbach und kam nach eigenen Angaben auf „700 bis 780 Stunden im Jahr“.

Mit der Konsequenz, dass er nach einer anstrengenden Nacht trotzdem am nächsten Morgen seine Praxis aufsperren musste. Mit der Neuregelung sollen es künftig nur noch 80 bis 85 Stunden im Jahr sein, erklärte Hünner. Das sei gut planbar und man könnte dann beispielsweise auch tags darauf morgens später anfangen, um noch ein bisschen Schlaf zu bekommen.

Um auf durchschnittlich weniger Stunden zu kommen, wurden die Gebiete vergrößert – das hat beispielsweise im Raum Ansbach für erheblichen Unmut gesorgt, weil man eine schlechtere Versorgung befürchtete. Außerdem sind schon seit einiger Zeit  auch sämtliche Fachärzte zum Dienst verpflichtet. Auch daran hat es Kritik gegeben, weil beispielsweise niedergelassene Psychiater monierten, dass sie sich nach ihrem Studium eigentlich nicht mehr mit körperlichen Krankheiten befasst haben.

Für Hünner und Singer kein echtes Argument. Zum einen verweisen sie darauf, dass sich die Mediziner mit ihrem Eid auch zum solidarischen Bereitschaftsdienst bekannt haben. Zum anderen könnten sie die Dienste an sogenannte Poolärzte abgeben. Das können beispielsweise Krankenhausärzte sein, die freiwillig Bereitschaftsdienste übernehmen.

Spontan Interesse angemeldet

Bislang sah es in Weißenburg-Gunzenhausen diesbezüglich aber mau aus. Wegen der höheren Fallzahlen zog es die Mediziner mit Interesse am Bereitschaftsdienst eher in die Ballungsräume. Das war finanziell einfach lukrativer. Doch im neuen System sollte sich auch der Dienst in Weißenburg lohnen.

Bei einer Vorstellung des Bereitschaftspraxissystems am Krankenhaus in Gunzenhausen hätten spontan zwei Mediziner Interesse angemeldet, berichtete Klinikvorstand Winter. Noch ist es schwierig, einen Arzt zu finden, der einen Dienst übernimmt. Aber: „Das wird sich aufbauen“, ist Hünner optimistisch. Und auch Dr. Jürgen Heimlich, Sprecher der Arbeitsgruppe „Ärztliche Versorgung“ der Gesundheitsregion Weißenburg-Gunzenhausen, ist davon überzeugt.

Landrat Gerhard Wägemann glaubt sogar, dass die Bereitschaftspraxis den Landarztberuf attraktiver macht, weil die Freizeit besser planbar wird. „Dies unterstützt unsere laufenden Bemühungen innerhalb der Gesundheitsregion, ärztlichen Nachwuchs für die Übernahme von Arztpraxen in Altmühlfranken zu gewinnen.“

In den Nachtstunden, wenn die Zahl der Anrufe beim Bereitschaftsdienst geringer ist, gibt es eine Kooperation mit dem Klinikum in Weißenburg. Dann ist die Notaufnahme zuständig.

Für Hausbesuche in den Nachtstunden wird Weißenburg-Gunzenhausen mit Roth-Schwabach zusammengelegt. Hünner: „Aus den Pilotregionen wissen wir, dass es nachts im Schnitt alle zwei Stunden einen Einsatz gibt.“ Das kann natürlich zu Wartezeiten führen, wenn in Solnhofen jemand ei­nen Arzt braucht, der Diensthabende aber in Greding sitzt. Hünner gibt jedoch zu bedenken, dass Patienten auch bei ihrem Hausarzt nicht sofort an der Reihe wären, sondern Wartezeiten in Kauf nehmen müssten.

Für die Ärzte gibt es auch bei den Hausbesuchen eine Verbesserung: Es gibt einen eigenen Fahrdienst, um den sich das BRK Südfranken kümmert. So sind die Mediziner durch das Autofahren nicht zusätzlich belastet und können unterwegs bereits mit den Patienten telefonieren und so ihre Fahrtroute nach Dringlichkeit planen oder vielleicht auch manche Fragen klären und den Hausbesuch überflüssig machen.

Zum Thema

Die Bereitschaftspraxis am Klinikum Altmühlfranken in Weißenburg hat Montag, Dienstag und Donnerstag jeweils von 18 bis 21 Uhr geöffnet. Mittwochs und freitags läuft der Praxisbetrieb bereits ab 17, aber ebenfalls bis 21 Uhr. Samstag, Sonntag und an Feiertagen ist die Praxis jeweils von 9 bis 21 Uhr besetzt. Eine Voranmeldung ist prinzipiell nicht erforderlich, aber je nach Andrang kann es natürlich zu Wartezeiten kommen. In den Nachtstunden übernimmt das Klinikum die ambulante Versorgung von Patienten.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist kostenlos und ohne Vorwahl unter der bundesweit einheitlichen Telefonnummer 116 117 erreichbar. Allerdings kann es in Stoßzeiten passieren, dass die Leitungen überlastet sind. Gerade momentan mit der anhaltenden Grippewelle läuft die Zentrale in Bayreuth dauerhaft am Limit.

Der Bereitschaftsdienst ist zu un­terscheiden von der notärztlichen Versorgung. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen ist stets der Notarzt zu verständigen. Hierfür gilt die ebenfalls kostenfreie Rufnummer 112.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern hat das Ziel, flächende­ckend eine ambulante medizinische Versorgung auch abends und an Wochenenden und Feiertagen zu gewährleisten und zugleich die Dienstbelastung möglichst gleichmäßig unter den zum Dienst verpflichteten 23 000 Haus- und Fachärzten zu verteilen. Das 2016 in Kraft getretene Krankenhausstrukturgesetz gibt vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Bereitschaftspraxen an Krankenhäusern einrichten sollen. Bis Ende 2018 wird es rund 110 Bereitschaftspraxen in Bayern geben. Dann können mehr als 99 Prozent der bayerischen Bevölkerung eine Bereitschaftspraxis innerhalb von maximal 30 Minuten Autofahrzeit erreichen.

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