Wandeltheater

Frauenrechte und Schicksale: Die Weißenburger "Hübschlerin"

28.9.2021, 17:03 Uhr
Die Hübschlerin Magda (Edith Heckel) trifft auf das einsame Mädchen Katharina (Sophia Tiede).

© Miriam Zöllich, NN Die Hübschlerin Magda (Edith Heckel) trifft auf das einsame Mädchen Katharina (Sophia Tiede).

„Folgen Sie der Frau im gelben Rock“, erklärte daher Cornelia Röhl, die sowohl Autorin als auch Regisseurin des Stücks ist, zu Beginn dem Publikum. Die Frau im gelben Rock, das ist die Hübschlerin Magda (Edith Heckel). Wie es im Mittelalter üblich war, trug sie als Dirne die „schändliche“ Farbe Gelb als Erkennungszeichen.

Hübschlerinnen – die sich im Gegensatz zu „ehrbaren“ Frauen aufbrezelten – waren gesellschaftlich geächtet, genossen gleichzeitig aber auch ironischerweise eine Art von Freiheit, die verheiratete Frauen nicht hatten. Eheweib oder Dirne: Recht viel mehr Wahlmöglichkeiten hatten Frauen damals nicht.

Cornelia Röhl (rechts) hat das Stück geschrieben und Regie geführt.

Cornelia Röhl (rechts) hat das Stück geschrieben und Regie geführt. © Miriam Zöllich, NN

In diesem Spannungsfeld ist die Handlung des Wandeltheaters verortet. Wir schreiben das Jahr 1520 in Weißenburg. Es ist das Jahr, in dem die letzten Juden aus der Stadt vertrieben werden, zehn Jahre später werden die Weißenburger die Confessio Augustana annehmen und evangelisch werden. Hier spielt die Geschichte der Hübschlerin Magda „vom Rosenbühl“, wie sie in der Stadt genannt wurde. Das ist übrigens kein Zufall, denn am Rosenbühl befand sich wohl einst das Rosenbad, in dem es im Mittelalter nicht gerade gesittet zuging.

Hübschlerin Magda trifft auf einsame Katharina

Magda trauert um ihren verstorbenen Gönner Heinrich: Er hatte es ihr ermöglicht, in einem eigenen Haus zu wohnen und ein halbwegs sicheres Leben zu führen. Die Alternative wäre ein Frauenhaus gewesen, was ironischerweise im Spätmittelalter keine Bezeichnung für einen Schutzort, sondern für ein Bordell war – mitsamt Zuhälter. Doch nun, wo ihr Unterstützer tot ist, kann Magda wohl nicht mehr wählerisch bei der Auswahl ihrer Freier sein.

Im Zwiespalt: Soll Katharina ihre Überzeugungen über Bord werfen und als Dirne arbeiten?

Im Zwiespalt: Soll Katharina ihre Überzeugungen über Bord werfen und als Dirne arbeiten? © Miriam Zöllich, NN

Doch dann trifft sie auf Katharina (Sophia Tiede). Die Familie des Mädchens ist an Typhus gestorben, und Katharina ist auf sich allein gestellt. Magda nimmt sie bei sich auf, gibt ihr zu Essen und saubere Kleider – und will sie überzeugen, als Hübschlerin ihr Geld zu verdienen. In Gesprächen zwischen den beiden Frauen, aber auch durch die Dialoge der „ehrbaren“ Ehefrauen der Stadt wird schnell klar: Durch eine Heirat ist eine Frau zwar finanziell abgesichert, aber Rechte hat sie deshalb noch lange keine. Die Prostitution sieht sie deshalb als emanzipatorischen Akt.

Doch im Laufe des Stücks zeigt sich, dass auch dieser Weg Gefahren für Frauen birgt. Nicht alle Männer sind ehrbar, viele es kommt zu sexueller Gewalt. „Du musst dich wehren, sonst g‘hörst der Katz“, rät die Hübschlerin – doch gegen die körperliche Überlegenheit von Männern ist auch sie machtlos. Hinzu kommt die Gefahr, schwanger zu werden und die Dienste einer „Engelmacherin“ in Anspruch nehmen zu müssen.

Die harte Realität der Frauen im Mittelalter

Für Katharina ist bald klar: Hübschlerin zu werden, ist keine Option für sie. Wie die Zukunft für das Mädchen aussieht, lässt das Stück allerdings offen. Es ist vielmehr eine Momentaufnahme der harten Realität von Frauen im ausgehenden Mittelalter. Und es thematisiert die oftmals mangelnde Solidarität und Unterstützung untereinander.

Die Männer im Wirtshaus geben nicht gerade ein gutes Bild ab: Sie neigen zu Gewalt und Willkür.

Die Männer im Wirtshaus geben nicht gerade ein gutes Bild ab: Sie neigen zu Gewalt und Willkür. © Miriam Zöllich, NN

Denn tatsächlich führten auch die meisten Ehefrauen kein selbstbestimmtes Leben. „Sie verkauft ihren Leib nur und auf eine Stunde, Ihr habt euch verschachert mit Seele und Leib!“, zitiert der Erzähler (Thorsten Michel) daher am Ende des Stücks aus einem Gedicht von Hermann Löns.

Die Weißenburger Bühne zeigte in dem Stück eindrucksvoll, wie viele Möglichkeiten der Stadtgraben als Freiluftbühne für ein Wandeltheater bereithält. Ein Wirtshaus, ein Wohnhaus, das Haus der Kräuterfrau und natürlich die Stadt selbst kamen als Schauplätze vor und wurden mit wenigen, aber ausgesuchten Requisiten gekonnt in Szene gesetzt.

Mit einer knappen Stunde Spielzeit war „Die Hübschlerin“ auch nicht zu lang für ein stehendes Publikum. Ganz im Gegenteil: „Was, schon vorbei?“, hörte man fast schon enttäuschte Stimmen aus den Zuschauerreihen am Ende des Stücks. Das darf man durchaus als Lob verstehen.

Rund 60 Besucher hatten sich das Wandeltheater "Die Hübschlerin" im Weißenburger Stadtgraben angeschaut.

Rund 60 Besucher hatten sich das Wandeltheater "Die Hübschlerin" im Weißenburger Stadtgraben angeschaut. © Miriam Zöllich, NN


Die Mitwirkenden: Edith Heckel (die Hübschlerin), Sophia Tiede (Katharina), Thorsten Michel (Erzähler), Anja Michel (Kräuterfrau), Sophie Damerow (Wirtin), Hartmut Röhl und Martin Heckel (Wirtshausgäste), Marianne Koller, Iris Bauer und Cornelia Röhl (Ehefrauen). Buch und Regie: Cornelia Röhl.

Weiterer Aufführungstermin am Samstag, 2. Oktober, 16 Uhr. Tickets sind beim Kulturamt der Stadt Weißenburg unter 09141 / 907 326 oder kulturamt@weissenburg.de erhältlich.