Geschichtsunterricht mit Galeere

2.8.2016, 15:24 Uhr
Geschichtsunterricht mit Galeere

© Zöllich

Sie sind gerade einmal eine Viertelstunde unterwegs, doch der Schweiß steht ihnen schon auf der Stirn. „So, und jetzt probieren wir mal Rammgeschwindigkeit“, kündigt der Kapitän grinsend an.

Was wie eine Szene aus dem Filmepos Ben Hur klingt, war am Wochen­ende knallharte Realität auf dem Großen Brombachsee. Geschichtsstudenten der Uni Regensburg testeten ihren originalgetreuen Nachbau einer römischen Flussgaleere, und wer wollte, durfte mitrudern. Freiwillig, ohne Fußfesseln und ohne Peitsche.

Und so saßen unter anderem der Absberger Bürgermeister Helmut Schmaußer mit Teilen seines Gemeinderats, Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts und interessierte Besucher miteinander im selben Boot. Alles im Dienste der Wissenschaft – und vielleicht auch, um sich mal ein bisschen wie Charlton Heston zu fühlen.

„Es gibt drei Kommandos, die ihr euch einprägen müsst“, erläutert Kapitän Matthias seiner bunt zusammengewürfelten Behelfsmannschaft. „Ruder an! Auf Riemen! Halt Wasser!“ Die Befehle beziehen sich auf die Position des Ruders – und schon nach kurzer Zeit haben die Besatzungsmitglieder die Kommandos verinnerlicht. Das anfänglich asynchrone Rudern wird schon nach wenigen Minuten zu einem gleichmäßigen Plätschern. Der Kapitän und sein Steuermann nicken zufrieden, anstelle des „Eins! Zwei! Drei!“ tritt eine Trillerpfeife, um die Stimme des Kapitäns zu schonen.

Sonst auf der Unteren Naab

Mit einer gut trainierten und eingespielten Mannschaft erreicht das 20 Meter lange und sechs Tonnen schwere Schiff aus Eichenholz eine durchschnittliche Geschwindigkeit von acht Kilometern in der Stunde. Wenn der Wind günstig steht, kann die Besatzung zusätzlich das Rahsegel hissen und dadurch auf zwölf Stundenkilometer kommen. Um genau dies zu tes­ten, dafür sind die Studenten an den Brombachsee gekommen. Normalerweise fährt die „Regina“ auf der Unteren Naab bei Regensburg, doch Segeln und groß angelegte Wendemanöver sind dort nicht möglich. „Hier am Brombachsee können wir ohne weiteres mal zwei Kilometer in eine bestimmte Richtung fahren“, erklärt Dr. Heinrich Konen, der das spezielle Geschichtsseminar und die Exkursion leitet. Ausgestattet mit Smartphone und GPS-Geräten nehmen die Studenten ihre wissenschaftlichen Messungen vor.

Für die freiwillige Rudermannschaft ist die knapp einstündige Fahrt in
erster Linie eine lehrreiche und authentische Geschichtsstunde; fast wie ganz nebenbei werden die Interims-Soldaten mit allerlei historischem Wissen gefüttert. „Das Schiff ist ein originalgetreuer Nachbau der spät­antiken römischen Flussgaleere Navis Lusoria“, führt Konen aus. „Sie wurde vor etwa 1600 Jahren auf Rhein und Donau als Erkundungsschiff eingesetzt, um die Grenzen des römischen Reiches zu kontrollieren.“

Die Besatzungsmitglieder waren keine Sklaven, sondern gut ausgebildete, römische Soldaten. Sie verbrachten oft Jahrzehnte im Dienst eines Schiffs – und wenn sie es verließen, dann meist nicht lebend. Durch körperliche Belastungen, eine einseitige Ernährung, Krankheiten, und nicht zuletzt durch Kampfhandlungen war die Lebenserwartung eines Soldaten auf der „Navis Lusoria“ nicht sehr hoch. Im Vergleich dazu erscheint der einstündige Galeeren-Crashkurs – trotz Ächzen, Stöhnen und Schwitzen – für die freiwilligen Ruderer dann fast schon wieder ein Spaziergang.

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