In Pappenheim wird weiter um vier Quadratmeter gestritten

3.12.2019, 11:12 Uhr
In Pappenheim wird weiter um vier Quadratmeter gestritten

© Foto: Jan Stephan

Drei Wochen ist es her, dass der Pelzmärtelmarkt die Altmühlstadt mit Besuchern füllte. Die sahen sich die Stände an, flanierten durch die Stadtkulisse und machten in Scharen halt vor einer neuen Pappenheimer Sehenswürdigkeit: den vier Quadratmetern des Grauens. Das unscheinbare Stück Straße, das seit Jahren für Auseinandersetzungen zwischen der gräflichen Familie und der Stadt sorgt, entwickelt sich zu einem touristischen Hotspot. Das wäre ein Kuriosum, wenn die Geschichte dieses asphaltierten Ärgernisses nicht so anstrengend wäre.

Seit Jahren schwelt der Streit zwischen Stadt und Grafschaft, nun hat er wieder Feuer gefangen. Wenn man der Sache Positives abgewinnen will, dann, dass die Eskalation nun zu einer Lösung führen könnte. Am Ende eines – vermutlich langen – Gerichtsstreits könnte die Erkenntnis stehen, wer juristisch im Recht ist. Denn: nun wollen es beide Seiten wissen.

Dabei gibt es unterschiedliche Kriegsschauplätze. Der eine ist das Ansbacher Verwaltungsgericht. Dort versucht eine Münchner Anwaltskanzlei im Namen der Grafschaft den Bescheid der Stadt aufheben zu lassen. Mit dem hatte die Verwaltung angeordnet, dass die Grafschaft das Überfahren der vier Quadratmeter dulden müsse, und zwar mit sofortiger Wirkung.

Zum einen soll das Gericht per Eilverfahren die sofortige Gültigkeit des Bescheids aufheben. Das würde bedeuten, dass bis zur Klärung der Auseinandersetzung die Überfahrt vom Wohlwollen der gräflichen Familie abhinge. Allerdings ist das Tempo eines juristischen Eilverfahrens eine Geschwindigkeit, der man mit bloßem Auge gut hinterherkommt. Mit einer Entscheidung in diesem Jahr ist eher nicht zu rechnen. Das gilt erst recht für das Hauptverfahren, in dem dann das Grundsätzliche geklärt wird.

Parallel zieht die Stadt Pappenheim an anderer Stelle in den Kampf. Man hat einen Antrag auf Enteignung beim Landratsamt eingereicht, über den die Behörde nun entscheiden muss. Gegen die Entscheidung könnte die Grafschaft wieder klagen, sollte sie nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfallen.

Die Anwältin der Stadt Pappenheim, Dr. Sylvia Meyerhuber von der Kanzlei Meyerhuber, ist optimistisch, dass ihre Mandantschaft Recht bekommt. Natürlich sei eine Enteignung ein schwerwiegender Eingriff, aber es gehe bei so etwas um die Verhältnismäßigkeit. "Und es geht ja nicht um ein Wohnzimmer oder von mir aus einen Vorgarten, sondern um vier Quadratmeter, die noch nie etwas anderes waren als eine Straße." Durch die Weigerung der Grafschaft, die Überfahrt zu dulden beziehungsweise das Grundstück zu verkaufen, würden Erschließungskosten von mehreren Hunderttausend Euro für eine verbreiterte Straße fällig. "Und das ist aus unserer Sicht eben nicht verhältnismäßig."

Das Angebot der Grafschaft, die vier Quadratmeter gegen Grunddienstbarkeiten auf dem Marktplatz und in der Graf-Carl-Straße zu tauschen, hält die Anwältin für nicht annehmbar. Die Aufgabe von vier Quadratmetern stünden dauerhafte Rechte für rund 450 Quadratmeter gegenüber. Ein derart offensichtliches Missverhältnis könnte sogar den Vorwurf der Untreue gegenüber den Stadtvertretern begründen, glaubt die Rechtsanwältin.

Die Anwälte der Grafschaft argumentieren dagegen, dass die Stadt dreieinhalb Jahre Zeit gehabt hätte, um sich um eine andere Erschließung der Stadtwerkeinsel zu kümmern. So alt ist die erste Drohung der gräflichen Familie, das Straßenstück einzuzäunen und so die Straße auf die Stadtwerkeinsel für Fahrzeuge weitgehend unpassierbar zu machen.

Die Stadt scheint derzeit leicht im Vorteil bei der juristischen Klärung der Auseinandersetzung. Zumindest muss sie nur einen von beiden Rechtsstreitigkeiten gewinnen, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Ob der Bescheid der Stadt gültig ist, der die Überfahrung regelt, oder das Grundstück enteignet wird, dürfte den Verantwortlichen am Ende egal sein.

Der Kern der Auseinandersetzung besteht im Falle des Bescheids darin, ob das Vier-Quadratmeter-Grundstück der Grafschaft an der Stadtmühle als Straße gewidmet ist oder nicht. Die Stadt sagt ja und verweist auf einen "Schreibfehler" beziehungsweise eine Ungenauigkeit im Verzeichnis von 1989. Die Grafschaf sagt nein und weist darauf hin, dass das Flurstück nicht explizit genannt ist. Im Falle der Enteignung wiederum geht es im Kern darum, ob die Stadt der Grafschaft ein annehmbares Angebot gemacht hat, dessen Ausschlagen zu einer nicht zumutbaren Belastungfür die Allgemeinheit führen würde.

Derweil tut sich bereits eine neue Front im Dauerzwist zwischen Grafschaft und Stadt auf. Der Baunternehmer, der für die Stadt den Parkplatz auf der Stadtwerkeinsel pflastern soll, bekam zuletzt Post von der Münchner Rechtsanwaltskanzlei. Freundlich wies man darauf hin, dass aus Sicht der Grafschaft die Grundstücksgrenzen auf der Insel unklar seien.

Er solle doch die Stadt anhalten, erst die Grenzen vermessen zu lassen, bevor er mit den Arbeiten beginne. Das sei in seinem Interesse, nicht dass am Ende noch "Unterlassungs- und/oder Schadensersatzansprüche" auf ihn zukommen würden. Selten hat man eine so zuvorkommend formulierte Drohung gelesen. Mit den Arbeiten angefangen hat der Bauunternehmer aber inzwischen trotzdem.

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