In Weißenburg mit der "Brücke" in ein neues Leben

3.4.2020, 06:09 Uhr
In Weißenburg mit der

© Foto: Rainer Heubeck

Deren Erfolg lässt sich zwar in Zahlen messen – aus einst 15 Besuchern sind mittlerweile 42 Plätze geworden –, doch der wichtigste Faktor in der täglichen Arbeit lässt sich damit nicht darstellen: die Wertschätzung für jeden einzelnen Besucher. Das "Wir haben hier eine tolle Gemeinschaft", betont Mathias Nißlein, selbst Brücke-Besucher und

erster Beirat der Tagesstätte, die wegen der Corona-Pandemie aktuell geschlossen hat – leider. Denn für viele Menschen ist die Einrichtung in der Schwärzgasse in Weißenburg eine Art zweite Heimat geworden.

"Wir wollen das Leben wieder mit Lebensfreude füllen", betont Norbert Fiedler, der Tagesstätten-Leiter. Deshalb herrscht auch kein Zwang, sich an den Arbeitstisch zu setzen, Gespräche zu führen oder sonst etwas zu tun. "Wir wollen mehr bieten als Tagesstruktur durch Arbeitstherapie", beschreibt Fiedler den Ansatz. "Wenn ich mal Bock auf Wellness habe, kann ich das machen – es wird hier angeboten", beschreibt Nißlein.

Der gelernte Heilerziehungspflege-Helfer wurde vor einiger Zeit selbst krank, fand in der "Brücke" einen Anker für die Seele – und will mittelfristig sogar nach Weißenburg ziehen. Denn in der Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt Mittelfranken-Süd fand er so etwas wie eine zweite Familie, knüpfte viele Kontakte mit anderen Besuchern, die sogar gemeinsam in den Urlaub fliegen – natürlich mit Betreuern. "Auch das bieten wir an", blickt Fiedler auf die Trips und Freizeiten.

"Unsere Klienten wollen einfach als Mensch wahrgenommen werden." Dazu gehört für den Tagesstätten-Leiter auch die Freizeitgestaltung über den Tag in der "Brücke" hinaus. Cross-Golf, Waldbaden, Wassertreten – all das haben die Besucher schon zusammen unternommen. Daneben gibt es körperbetonte Angebote, Spiele-Treffs oder auch eine Sprechstunde – nicht über die jeweilige Krankheit oder die Probleme des Einzelnen, sondern über aktuelle Themen oder Ereignisse. Das sei wichtig, schließlich sind die von psychischen Erkrankungen betroffenen Menschen Fiedler zufolge nicht im denk- und meinungsfreien Raum.

Aktuell "Schoß auf Schoß"

Da wird dann auch mal mit dem Awo-Vorstand diskutiert – und ihm die mittlerweile beengte Raumsituation erläutert. "Es gibt nur drei Toiletten – und auch Ruhemöglichkeiten fehlen", sagt Nißlein selbstbewusst. "Wir sitzen hier Schoß auf Schoß." Der Erfolg der Einrichtung ist zugleich ihr Problem. Es fehlt einfach am Platz. Dennoch sei die Stimmung gut – auch wenn die Besucher auf einen Neubau hoffen. Der ist schon seit Längerem geplant und soll nur wenige Meter entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite entstehen. Mit 900 statt aktuell gut 400 Quadratmetern Platz – "aber nicht mehr Betreuungsplätzen", hebt Fiedler hervor. Der Weißenburger ist seit der ersten Stunde dabei, hat vor 20 Jahren den Bau der jetzigen Tagesstätte mitbegleitet – eine Aufgabe, der er sich erneut kaum entziehen kann.

Dort gibt es dann für die Mitarbeiter Pausen- und Rückzugsräume, ebenso wie für die Besucher deutlich mehr Platz vorhanden sein wird. "Aktuell ist schon alles sehr beengt", weiß auch Fiedler, vor allem wenn an manchen Tagen über 40 Frauen und Männer die "Brücke" nutzen.Nicht zuletzt deshalb ist der Neubau anvisiert, denn der Geist der Einrichtung soll weiterhin "entspannend und entzerrend" sein, wie es der Tagesstätten-Leiter formuliert.

Seit 2006 werden von der "Brücke" auch Menschen im Betreuten Wohnen begleitet – aus einst einer Handvoll sind mittlerweile 40 Frauen und Männer geworden, denen mithilfe der Heilerzieher ein weitgehend selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Viele von ihnen nutzen die Tagesstätte als Anlaufpunkt und Aufenthaltsort. "Sie kommen freiwillig und lassen sich helfen", freut sich Fiedler über den Zuspruch.

Eingewiesen oder in die Tagesstätte gezwungen wird niemand – das passt nicht ins Konzept der Freiwilligkeit, welche die Basis der "Brücke" ist. Die meisten Besucher klopfen aus eigenem Antrieb bei der Awo-Einrichtung an, auch Angehörige suchen oft den Kontakt und die Hilfe für ihre Kinder oder Partner – und sehen eine große Chance, die einer der Besucher treffend beschreibt: "Die Tagesstätte war und ist für mich die Brücke in ein neues Leben – hier bin ich wirklich gut aufgehoben. Jetzt geht es mir wesentlich besser als zuvor."

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