Juristische Rolle rückwärts

2.3.2012, 08:02 Uhr
Juristische Rolle rückwärts

Das Thema ist damit natürlich nicht zu den Akten gelegt. Vielmehr muss der Gesamt-Stadtrat in seiner Sitzung am Donnerstag, 15. März, entscheiden, ob das Bürgerbegehren zulässig ist. Üblicherweise hätte es dazu einen Empfehlungsbeschluss des Hauptausschusses geben sollen. Nach der Absetzung muss es nun ohne gehen. Ein weiteres Verschieben der Entscheidung ist nicht möglich. Am 17. Feb­ruar haben die Initiatoren die Unterschriften eingereicht, bis 17. März muss die Stadt über die Zulässigkeit entschieden haben. Innerhalb von drei Monaten muss dann der Bürgerentscheid durchgeführt werden. Im Stadtrat geht man von Sonntag, 20. Mai, als Wahltermin aus.

Das Groteske an der Absetzung des Tagesordnungspunktes: Innerhalb des Hauptausschusses war völlig unstrittig, dass das Bürgerbegehren einwandfrei ist. Das Ansinnen ist rechtmäßig, und von den gut 2 100 Unterschriften blieben nach der Überprüfung 1 990 übrig – 1 280 waren nur nö- tig, berichtete Rechtsamtsleiter Heiko Stefke. Die Stadt habe lediglich diese Vorgaben zu prüfen, den Zweck des Bürgerbegehrens dürfen Verwaltung und Stadtrat hingegen nicht infrage stellen.

Selbst Bernhard Amend (CSU), der den Geschäftsordnungsantrag zur Absetzung stellte, betonte in seinen Stellungnahmen mehrfach, dass die Zulässigkeit offensichtlich gegeben sei. Im Nachgang der Sitzung räumte er im Gespräch mit unserer Zeitung auch ein: „Eigentlich hätten wir da zustimmen können.“ Warum das dennoch nicht geschehen ist, hat ganz offensichtlich viel mit einem befürchteten Gesichtsverlust zu tun.

Juristisches Hickhack

Amend hatte nämlich einen juris­tischen Kniff gefunden, mit dem er dachte, er könne die CSU elegant aus der verfahrenen Situation herausmanövrieren. Er verwies auf die beiden klaren Entscheidungen des Stadtrats vom März und vom Juli, die ein Wasserspiel auf der Südseite des Marktplatzes forderten. Der Beschluss, den der Stadtrat Ende Oktober mit 16 zu 8 Stimmen ablehnte, lautete hingegen: „Mit dem Vorschlag der Verwaltung für die Gestaltung des Wasserspiels im südlichen Platzbereich in Form von Fontänen und einer filigranen Becken­einfassung (Variante 2) besteht Einverständnis.“

Damit haben nach Amends Lesart die Räte lediglich die Gestaltung abgelehnt, die generellen Beschlüsse für einen Brunnen hätten hingegen noch Bestand. Also wäre der Bürgerentscheid nicht nötig. Das würde den Bürgern den Gang in die Wahlkabine und der Stadt Weißenburg viel Geld (die Rede ist von 15 000 bis 20 000 Euro) sparen. Deshalb beantragte er die Absetzung von der Tagesordnung.

Oberbürgermeister Jürgen Schröppel (SPD) und die Stadtverwaltung sehen dies anders, weil verschiedene Wortmeldungen in der Oktober-Stadt­ratssitzung deutlich machten, dass bei der CSU ein Stimmungswechsel eingetreten ist und überhaupt kein Brunnen mehr gewünscht wird. Auch die Regierung von Mittelfranken interpretiert dies so. In dem längeren juristisches Hickhack beharrten beide Seiten auf ihren Positionen.

Eine echte Antwort darauf, warum er erst jetzt, fast zwei Monate nach dem Start des Bürgerbegehrens, mit den bestehenden Beschlüssen ankommt, konnte Amend nicht liefern. Gabi Schlör (SPD) fragte ihn, warum er es den Initiatoren nicht erspart hat, bei Eiseskälte, Schnee und Wind auf der Straße Unterschriften zu sammeln, wenn es nach seinem Verständnis doch gar nicht nötig war. Auch der OB hatte ja – unter anderem in seiner Neujahrsrede – mehrfach gebeten, sich wegen des Brunnens noch einmal zusammenzusetzen. Amend: „Das Bürgerbegehren hat mir erst klar gemacht, dass es diese Beschlüsse gibt.“ Zum Aufruf des OB äußerte sich niemand aus der CSU-Fraktion.

Letztlich waren diese Fragen aber ohnehin irrelevant. Denn egal welche Beschlusslage aktuell Gültigkeit besitzt: Der Stadtrat (und damit eigentlich vorberatend der Hauptausschuss) muss lediglich über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheiden. Selbst wenn dieses nur einen bestehenden Stadtratsbeschluss wiederholt, ändert das nichts an der Zulässigkeit, erklärte Stefke mehrfach.

CSU will keinen neuen Beschluss

Der OB, den die ganze Debatte sichtlich ärgerte, schlug deshalb auch einige Male vor, die juristische Dis­kussion zu vergessen und einen Beschluss im Sinne des Bürgerbegehrens zu fassen. Das ist – nachdem die Unterschriften eingereicht wurden – die einzige Möglichkeit, um einen Bürgerentscheid zu vermeiden. Schröppel: „Wenn wir den Konsens haben, dass wir alle einen Brunnen wollen, können wir das doch noch mal beschließen und so dem Bürgerentscheid vorgreifen. Das tut Ihnen doch nicht weh, wenn Sie den Beschluss noch mal fassen.“ Einen ähnlichen Antrag hatte auch die SPD-Fraktion gestellt. Doch darauf wollte sich die CSU nicht einlassen. Sie hätten schon mehrfach über einen Brunnen abgestimmt, ir­gendwann sei Schluss, bestimmte Amend. Mehr Erklärung gab es nicht.

Günter Kreißl (SPD) versuchte der CSU eine Brücke zu bauen, indem er die Kosten ins Spiel brachte. Bei 20 000 Euro für den Bürgerentscheid und einer 80-prozentigen Förderung für die Marktplatzsanierung hätte die Stadt ohne Wahlvorgang 100 000 Euro für einen Brunnen. „Das wäre ein Nullsummenspiel. Wir wären doch völlig bescheuert, wenn wir den Brunnen unter diesen Umständen nicht bauen.“

Die Freien Wähler hielten sich aus der Diskussion lange heraus. Manfred Reithinger brummte lediglich ein paar Mal „Wir haben den Brunnen doch abgelehnt“ dazwischen. Erst gen Ende meldete sich Wolfgang Hauber zu Wort. Er sagte, er wolle den Bürgerentscheid durchziehen, damit die Meinung der Bevölkerung klar sei und sich auch die Brunnengegner zu Wort melden könnten. Auch CSU-Fraktionsvize Karl Roth und Bernhard Amend äußerten Sympathie für dieses Vorgehen. Am Ende stimmten CSU und FW mit ihren acht Stimmen für die Absetzung des Tagesordnungspunktes, SPD und FDP mit ihren fünf Stimmen dagegen.

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