Kleine Buchhandlungen sind unter Druck

6.11.2017, 06:06 Uhr
Kleine Buchhandlungen sind unter Druck

© Jan Stephan

Es ist eine von Mathias Meyers Lieblingsgeschichten: die junge Frau, die in die Buchhandlung Meyer kommt, nach einigem Zögern in Richtung Tresen marschiert und nach einem Gutschein für Amazon fragt. Das ist in etwa so, als ob man in einer Videothek nach einem Netflix-Login fragt, im Club-Stadion mit Fürth-Schal rumrennt oder in einer Möbel-Manufaktur um den Ikea-Katalog bittet. Kurzum, es ist ein bisschen daneben.

Man muss kämpfen

Man habe der Dame dann nett erklärt, dass man keine Amazon-Gutscheine führe, man aber auch ganz analog, direkt hier in der Buchhandlung, ein Geschenk einkaufen könne, erzählt Meyer. Für den Inhaber der traditionsreichen Buchhandlung im Schatten der Andreaskirche hat die Geschichte viel zu erzählen. Darüber, dass man mit Kunden auch dann nett umgeht, wenn sie mal eine doofe Frage stellen. Dafür, dass manche Menschen das Konzept Buchhandlung nicht mehr verstehen. Dafür, dass man kämpfen muss, um in einer digitalen Welt zu überleben. Erst recht in der Kleinstadt.

Bei aller Romantisierung der kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen gehen immer weniger Menschen dort ihre Bücher kaufen. Das hat unterschiedliche Gründe. „Der Trend geht immer noch hin zum Digitalen“, stellt Meyer fest. Die einen klicken sich auf Amazon zur nächsten Abendlektüre, die anderen lesen gleich auf dem Tablet das E-Book, die nächsten Daddeln lieber auf der Konsole, als sich mit einem Buch abzugeben.

Dazu kommt, dass die Buchhandelsketten immer größer und mächtiger werden. Thalia, Weltbild, Rupprecht oder Hugendubel. In ihrem Wachstum haben sie zunehmend auch die Kleinstädte im Blick, weiß Bettina Balz, die im vergangenen Jahr die Buchhandlung Stoll von der Familie Laackmann übernommen hat und den Sprung in den Buchhandel wagte. In Donauwörth und Eichstätt sitzt schon der Filialist Rupprecht und speziell Thalia hat zuletzt vermehrt den Sprung in die Kleinstadt gewagt, wo sie gerne Traditionsbuchhandlungen übernahm.

„Wenn jetzt noch eine kommt, dann  wäre es definitiv zu viel“, sagt Mathias Meyer. Mit Meyer, Stoll, Weltbild und Buch unterwegs gäbe es dann vier Buchhandlungen im weiteren Sinne. Und dazu immer mehr literaturferne Orte, an denen man auch Bücher kaufen kann. Es gibt inzwischen Bücherkisten im Baumarkt und jeder Supermarkt-Vollsortimenter bietet die Spiegel-Bestseller-Liste an.

Bücher aus dem Baumarkt

Das lässt den Druck auf diejenigen wachsen, die die Literatur auch, aber eben nicht nur, als Geschäft verstehen. Die Zahl der Buchhandlungen ist in den vergangenen Jahren deutschlandweit deutlich nach unten gegangen, von 5000 auf 3000. Parallel zu dieser Entwicklung stieg die Zahl an „Buchverkaufsstellen“, also an Orten, die neben vielem anderen auch Bücher verkaufen.

„In Weißenburg haben wir noch eine Buchhandelslandschaft in vorbildlicher Form“, stellt Meyer fest, aber die Kunden müssten das auch schätzen. Es sei keine Selbstverständlichkeit, dass man hier inhabergeführte Buchhandlungen habe, die Lesungen anbieten, die eine Großveranstaltung wie die Bücherschau stemmen, die in ihren Läden ein Sortiment bieten, dass sich nicht nur am Mainstream orientiert. „In einer Buchhandlung muss der Leser Bücher finden, Titel finden, von denen er gar nicht wusste, dass es sie gibt“, ist Mathias Meyer überzeugt. Man sei nicht nur dazu da, die Menschen mit dem zu versorgen, was sie wollen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, etwas zu entdecken, was sie lieben lernen können.

Also hält man literarische Kleinode wie „Die Kulturgeschichte der Sense“ und andere Exoten vor. „Wir haben einen Kundenkreis, der schätzt das“, weiß Bettina Balz, „aber betriebswirtschaftlich ist das eher bedenklich. Wir können so etwas nur aufrechterhalten, so lange es goutiert wird. In Schönheit sterben, umgeben von schönen Büchern, wollen wir nicht.“
Und deshalb arbeitet man in der Kleinstadt auch gerne untereinander zusammen. Mathias Meyer freut sich, dass die Buchhandlung Stoll in Bettina Balz eine neue Inhaberin gefunden hat. Die wiederum kooperierte zuletzt mit der ebenfalls neu übernommenen Buchhandlung Schrenk in Gunzenhausen. Meyer spricht seine Lesungen gerne mit Kollegen in ganz Bayern ab, um so für Autoren kleine Lesereisen zu schnüren. Zumindest die Kleinen im Buchgeschäft halten zusammen. Vermutlich haben sie auch nur so und mit der Hilfe der Kunden eine Chance gegen die übermächtige Konkurrenz.

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