Mittelalterliches Gewerbegebiet entdeckt

8.12.2018, 06:05 Uhr
Mittelalterliches Gewerbegebiet entdeckt

© Jan Stephan

„Das ist schon überraschend“, befindet Anke Wunderlich, die im Na-men der in Weißenburg beheimateten Grabungsfirma ADA die Untersuchungen leitet. „Das hätte keiner gedacht, dass das so dicht bebaut war. Also zumindest ich hätte es nicht gedacht.“ Mit weiter Geste weist sie über das im Dezember-Regen liegende nasse Erdreich zwischen Eichstätter Straße und Seeweiherpark. „Das war hier alles voll. Dicht an dicht“, stellt die Archäologin fest. All das kann man aus den schwarze Verfärbungen he-rauslesen, die die verfaulten Balken der ehemaligen Holzkonstruktion im Boden hinterlassen haben.

Raum für Interpretation

Traditionell ist die Archäologie im Boden stark. Grundrisse lassen sich auch nach Jahrhunderten noch auf den Zentimeter genau nachzeichnen. Schwieriger wird es mit dem, was aus diesen Grundrissen nach oben in die Höhe wuchs. Da ist die Archäologie auf Interpretationen angewiesen, die auch die gemachten Funde und archivalische Quellen der Stadtgeschichte miteinschließt. „Ob da jemand gewohnt hat oder ob das eher Holzschuppen zum Lagern waren, das kann man im Moment nicht sagen“, erklärt die Archäologin.

Sicher scheint, dass hier Gewerbe seinen Sitz hatte. Man hat Abfallgruben gefunden. Mit Knochen, Keramik- und Ziegelscherben sowie Eisenschlacke und Öfen. All das deutet da-rauf hin, dass das Gebiet am östlichen Rand der Stadt recht intensiv genutzt worden war. Speziell in seiner doch beachtlichen Ausdehnung – es sollen dort in naher Zukunft immerhin 55 Wohnungen samt Tiefgarage und Gewerbeanteil entstehen – überraschen die Befunde. Immerhin war Weißenburg um das 14. Jahrhundert, der Zeit aus der die frühesten Funde stammen, keine riesige Siedlung.

Auch Weißenburgs Stadtarchivar Reiner Kammerl hatte diese Ergebnisse nicht erwartet. Solange die Funde nicht wissenschaftlich sauber aufgearbeitet seien, könne man aber im Moment nur Vermutungen anstellen, betont Kammerl.

Er selbst geht von Lagerstätten aus, die möglicherweise mit einer Ziegelhütte zu tun haben könnten, die man archivalisch später im Umfeld nachweisen könne. Eine Wohnbebauung hält er für sehr unwahrscheinlich. „Das waren nicht die Zeiten, in denen man vor der Mauer wohnte. Das war viel zu unsicher“, erklärte der Stadtarchivar. Allenfalls ein paar Gärten und weiter draußen einige Mühlen hätten vor der Stadtmauer gelegen. Eine Ausnahme habe es für Gewerbe gegeben, die mit Feuer zu tun hatten. Wegen der Brandgefahr habe sich das Flachsbrechhaus etwa nahe der heu-tigen Jahnstraße befunden. Auch die Ziegeleien zählten zu den „brand-gefährlichen“ Gewerken, die man im Osten der Stadt vor die Mauern gelegt hatte.

Gräberfeld aus dem 6. Jahrhundert

Interessant ist im Falle des Neulinger-Areals auch, was man nicht gefunden hatte, nämlich Merowinger. Das zwischen Eichstätter und Niederhofener Straße gelegene Gräberfeld aus dem 6. und 7. Jahrhundert erstreckte sich offenbar nicht über die heutige Eichstätter Straße hinaus. Allerdings haben die Archäologen noch einen letzten Rest Gelände zu untersuchen. Und zwar den Teil des Areals, der direkt an die Eichstätter Straße angrenzt. Bevor hier gegraben werden kann, muss zunächst eine Wand eingezogen werden, um ein Abrutschen der Straße zu vermeiden.

Bis die Archäologen auf den gewachsenen Boden stoßen, müssen sie zunächst knapp zwei Meter spätere Aufschüttung entfernen, erklärt Anke Wunderlich. „Da liegen dann schon mal Öltanks drin, an die sich keiner mehr erinnert hat.“ Die Aufschüttung wiederum findet der Stadtarchivar spannend. „Warum baut man erst eine Mauer mit Graben und schüttet dann zwei Meter auf?“, fragt Kammerl. Und so ahnt man schon, dass die Grabung zwar ein weiteres Mosaiksteinchen der Weißenburger Stadtgeschichte hervorbringt, zugleich aber wieder ein paar neue Fragen aufwirft.

Ebenfalls hervorgebracht hat die Grabung im Übrigen eine Kanonen-kugel, die in einem Erdkeller gefunden wurde und auf einer möglichen Zerstörungsschicht lag. Möglicherweise die Spur eines großen Angriffs im 30-Jährigen Krieg, als von der Wülzburg herab mehr als 5000 Kanonenkugeln auf die Stadt herabgeregnet sein sollen.    

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