Schambachtal: Sternenkinder aus der Vergangenheit

14.8.2020, 15:21 Uhr
Schambachtal: Sternenkinder aus der Vergangenheit

© Foto: Jürgen Leykamm

Die Gunthildiskapelle nahe Suffersheim darf heuer auf 25-jähriges Bestehen zurückblicken. Eine gebührende Jubiläumsfeierlichkeit aber haben die Corona-Vorgaben nicht zugelassen. Dafür galt es nun einen Akt der Pietät zu vollziehen, der wohl ganz im Sinne der Heiligen gewesen sein dürfte: die Wiederbestattung der Gebeine von sieben Kindern. Die Skelette waren bei archäologischen Grabungen auf dem Areal geborgen worden. Immer wieder tauchen in der Region solch spannende Funde aus der Vergangenheit auf

Mit dem Fund selbst hatten die Forscher 1996 und 1998 durchaus zu rechnen. Sie begaben sich nach der Kapelleneinweihung vor einem Vierteljahrhundert auf die Spuren des Vorgängerbaus in unmittelbarer Nähe. Die Grabungen ließen damals die Frage aufkommen, ob hier nicht einmal ein Kloster stand statt lediglich eine kleine Wallfahrtskirche. In der Bevölkerung ging man immer von Letzterem aus, was eben diese Funde auch plausibel macht. War es doch einst durchaus üblich, "früh verstorbene, ungetaufte Kinder in die Erde eines Wallfahrtsortes zu legen, um deren Seelenheil quasi im Gefolge der Heiligen zu retten", erklärte es vor der Wiederbestattung Domkapitular Reinhard Kürzinger, Leiter der Diözesanstelle für Wallfahrts- und Tourismuspastoral im Bistum Eichstätt.

Auch nach der Zerstörung des Gebäudes im 17. Jahrhundert verblieb dem Ort selbst die entsprechende Anziehungskraft. In unserer Zeit erfährt sie neuen Auftrieb. Zur neuen Gunthildiskapelle pilgert seit ihrer Einweihung jährlich am ersten Donnerstag im August die Weißenburger Kolpingsfamilie. So auch diesmal, als sie am Ziel ihres Pilgergangs von Heuberg nach Suffersheim sich an dem sogenannten Schneckenhaus Gotteshaus zu einem besonderen Ritus versammelte.

Kleiner Kinderfriedhof

Im Vorfeld hatte die Stadt Weißenburg für den entsprechenden Erdaushub gesorgt. Nicht nur der Anlass für die Versammlung war ein ungewöhnlicher, sondern auch die Vollziehung der Bestattung selbst. Denn Kaplan Andrii Khymchuk, der scheidende Pfarrvikar des Pfarrverbands Weißenburg, gehört der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche an, die als Teil der römisch-katholischen Kirche zwar den Papst anerkennt, aber dem byzantinischen Ritus in Liturgie und geistlicher Praxis folgt. "In Deine Hände befehlen wir unsere verstorbenen Kinder", richtete der Geistliche sein Gebet an Gott, während just in diesem Augenblick ein Schmetterling wie zum Zeichen von der Kapelle gen Himmel flog.

Noch vor der Wiederbestattung erläuterte dann Heinz Ottinger als Vorsitzender des Fördervereins der Gunthildiskapelle den Hintergrund. Er geht davon aus, dass die Gebeine spätestens um 1800 hier der Erde erstmalig übergeben wurden. Warum dies dort geschehen sei, könne niemand eindeutig sagen: "Vermutlich, weil die Kinder nicht getauft waren oder weil man sie am Gemeindefriedhof nicht haben wollte." Die Eltern aber, selbst wichtiger Trauerarbeit beraubt, hätten ihre Kinder wenigstens "in einer christlichen Aura ruhen wissen wollen".

Tuberkulose und ein Infekt

Laut Untersuchungen handelt es sich in einem Fall um ein vier- bis fünfjähriges Mädchen, das wohl an Tuberkulose erkrankt war und daran verstarb. Ein einfacher Infekt hingegen könnte die Todesursache eines weiteren, zweijährigen Kindes gewesen sein. Neben diesen beiden galt es fünf Säuglinge zu bestatten: Fehl- oder Totgeburten beziehungsweise Babys, die den Folgen eines Geburtstraumas erlagen. Bei den sieben könne man getrost von "Sternenkindern" sprechen. Ein Begriff, der sich erst in den letzten Jahren immer stärker eingebürgert hat. Der poetischen Wortschöpfung liegt die Idee zugrunde, Kinder zu benennen, die den Himmel erreicht haben, noch bevor sie das Licht der Welt erblicken durften.

Auch als Muster auf der gemeinsamen Urne hatte man deswegen das Sternenmotiv ausgewählt. Er hoffe, dass den Bestatteten nun der ewige Friede zuteilgeworden sei, so Ottinger nach der Versenkung der Urne in der Erde. Anlass zu dieser Hoffnung gibt unter anderem das Wort Jesu, der im Neuen Testament davon sprach, dass er Wohnungen in der jenseitigen Welt vorbereiten werde. Ihren Frieden dort "haben die Kinder bestimmt schon gefunden und uns oben vom Himmel herab zugeschaut", so wiederum Reinhard Kürzinger. So manche Blume wurde schließlich an dem neuen Grab abgelegt – darunter auch von drei Kindern: den Brüdern Jan, Max und Leo aus Weißenburg.

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