Storchennest abgebaut

18.3.2011, 08:52 Uhr
Storchennest abgebaut

Der Kamin gehört der Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen. Bei der Vertreterversammlung am Mittwochabend im Schützenhaus nahm die Frage nach der Zukunft des Storchennistplatzes doppelt so viel Zeit in Anspruch wie der Rückblick auf die Zahlen der Bank. Zwei Stunden lang diskutierten die Bürger zum Teil sehr emotional mit den Bankvertretern und machten ihnen schwere Vorwürfe.
Sie kritisierten nicht nur die Informationspolitik, sondern auch die Tatsache, dass sie nun mit dem beschlossenen Abbruch vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Dabei gehe es doch um das Wahrzeichen des idyllischen Dorfes im Altmühltal.

Die Trommetsheimer Raiba hatte den Kamin vor zwölf Jahren in die Fusion mit Markt Berolzheim-Wettelsheim eingebracht. Das Molkereigebäude selbst wurde abgebrochen, der Kamin blieb für den Storch stehen. Die Raiffeisenbank ließ im Januar 2000 ein Gutachten erstellen und den Kamin für 16 000 Mark entsprechend den Vorgaben der Fachleute sanieren, blickte Raiba-Vorstand Wilfried Wiedemann in die Vergangenheit.

Vernichtendes Urteil

Da in jüngster Zeit aus dem Sockelbereich Steine herausbrachen, beauftragte die Raiba im Herbst eine Baufirma mit der Reparatur. Doch die wollte angesichts des Zustands des Kamins keine Gewährleistung übernehmen und verlangte vor einer Sanierung ein neuerliches Gutachten. Die Raiba beauftragte den TÜV Rheinland mit dieser Aufgabe, der sich Wiedemann zufolge auf derartige Bauwerke spezialisiert hat.

Im Januar nahm der Gutachter den Kamin in Augenschein und fällte ein vernichtendes Urteil: Angesichts der erheblichen Schäden könne man den Kamin „aus Sicherheitsgründen“ nicht stehen lassen, befand der TÜV. Die Fachleute rieten klar von einer Sanierung ab und wiesen auf ein hohes „Gefährdungspotenzial bei Instandsetzungsmaßnahmen“ hin. Wiedemann: „Das hatten wir so nicht erwarten können.“ Mit dem Wissen aus dem Gutachten sei es unverantwortlich, den Turm weiter stehen zu lassen. Schließlich könnten auch Menschen zu Schaden kommen. Und niemand könne die Verantwortung für das baufällige Mauerwerk übernehmen.

Zusammen mit Vertretern des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) und der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes suchte die Raiba nach einer Lösung. „Wir haben von Anfang an die Fachleute eingeschaltet“, betonte Aufsichtsratsvorsitzender Willi Renner. Auch Oda Wieding, die Projektleiterin des Weißstorchschutzprogramms beim LBV, nahm die Raiba in Schutz. Die Eile bei der Umsiedelung sei in der bald beginnenden Brutzeit der Störche begründet, sagte sie gestern gegenüber dem Weißenburger Tagblatt. Ein Ei hatten die Trommetsheimer Störche noch nicht gelegt, wie sich gestern Nachmittag beim Rück­bau des Nestes bestätigte.

Somit bleibt nur zu hoffen, dass der Storch den neuen Standort auf dem Schlauchturm annimmt. „Immerhin haben wir die Chance, dass auch heuer in Trommetsheim ein Storch nistet“, sagte Wieding, die am Mittwochabend verhindert war. Auch wenn sie mit dem Feuerwehrhaus (ob der monatliche Sirenentest einige Zeit ausgesetzt werden kann, wird derzeit geprüft) nicht völlig zufrieden ist. „Der Platz ist mir an sich zu niedrig.“ Die neue Nisthilfe befindet sich auf gut acht Meter Höhe, der Kamin ist 15 Meter hoch. Doch auf die Schnelle habe sich nichts anderes gefunden. „Wenn jemand einen anderen hoch gelegenen Platz zur Verfügung stellen würde, bauen wir auch eine zweite Nisthilfe auf.“ Ideal wäre der Kirchturm, doch die Angst vor Verunreinigungen des Friedhofs sei nicht unbegründet, gestand die LBV-Storchenfachfrau.

Reparatur wirklich unmöglich?

Aus ihrer Sicht ist es nicht vertretbar, den „Kamin wieder hochzumauern“. Denn auch dann sei nicht gewährleistet, dass der Storch künftig wieder dort nisten würde. Eine Baufirma habe die Kosten für einen neuen Kamin inklusive Statikberechnung grob auf 150 000 bis 200 000 Euro geschätzt, gab Wilfried Wiedemann zu bedenken. Das könne die Bank vor ihren Kunden nicht vertreten. Zumal sie ohnehin die Kosten für den Abriss und das Gutachten (zusammen zwischen 10 000 und 20 000 Euro) bezahlen müsse.

Mehrfach geäußert wurde in der Versammlung der Wunsch eines weiteren Gutachtens, ob nicht doch eine Sanierung des Kamins möglich wäre. Doch dem erteilte der Raiba-Vorstand eine Absage. Schließlich hätte die Bank bewusst den spezialisierten TÜV gewählt. Zufrieden waren die Trommetsheimer mit dieser Aussage nicht. Denn etliche Besucher wollten auch das Schreiben des Gutachters nicht als Aufforderung zum Abriss verstehen, sondern allenfalls als Empfehlung. „Deutlicher kriegen wir es nicht“, versuchte Wiedemann das Amtsdeutsch zu übersetzen.

Wie geht es nun weiter? Am Montag das Baugeschäft Schmidt & Sohn aus Markt Berolzheim den Abriss beginnen. Wenn die Umsiedelung klappt, ist erst mal Zeit gewonnen. Die Raiffeisenbank hat angeboten, das Grundstück zur Verfügung zu stellen und bei einer neuen Lösung „mitzuhelfen“, wie Wiedemann mehrfach sagte. Wie weit diese Hilfe gehen würde, ließ der Vorstand offen. „Da gibt es noch keinen Aufsichtsratsbeschluss.“ Nun soll ein Arbeitskreis mit Vertretern aus Raiba, LBV, Landratsamt, Gemeinde und aus dem Ort selbst Ideen diskutieren und Fördermöglichkeiten abklären. Denkbar wäre ein einfacher Betonmast, der viel billiger als ein gemauerter Kamin wäre.

Nur ein Zuschuss ist zu wenig

Der Raiba wäre es am liebsten, die Gemeinde Alesheim würde einen Kaminersatz bauen und die Bank würde sich nur beteiligen. Doch dazu wird es kaum kommen. „Die Bereitschaft im Gemeinderat, dies zu übernehmen, ist nicht sehr groß“, formulierte es Bürgermeister Manfred Schuster. „Die Gemeinde will sich keine Baulast ans Bein binden, die nie einen Ertrag bringen kann.“ So einfach wollen auch die Bürger die Raiba nicht aus der Verantwortung lassen. Nur ein Zuschuss für einen Ersatzbau sei zu wenig, äußerten mehrere Redner in unterschiedlich deftiger Wortwahl.

Schuster warnte allerdings auch davor, nur wegen des Ärgers über den Kaminabriss nun auch gleich die Bank zu wechseln. Ohne Kunden werde sich die Raiba sonst aus Trommetsheim zurückziehen. „Und was haben wir dann? Dann ist der Storch weg und die Bank.“