Tante Marthas letzter Wille

22.1.2020, 12:02 Uhr
Tante Marthas letzter Wille

© Foto: Peter Schafhauser

Dabei fing alles harmlos an. Tante Martha war alleinstehend und nun gestorben. Die Verwandtschaft trifft sich in Tantes "guter Stube" zur Teilung der Hinterlassenschaften. Erste Gemeinheiten werden ausgetauscht. Wie im Dauerbrenner "Schweig, Bub!" bringt Kusz bei Alkohol und in gediegener Wohnzimmeratmosphäre nach und nach die fränkische Volksseele zum Vorschein. Es sind schlichte, aber grobe Gemüter, die Kusz auch in diesem Bühnenwerk turbulent und bösartig präsentiert. Noch ahnt die am Tisch versammelte Gesellschaft nichts von einem Testament.

Erst als dieses auftaucht, geht es ans Eingemachte. Ab da geht jede Contenance verloren. Jeder will den größten Anteil, jeder fühlt sich übervorteilt, der Streit um das Inventar beginnt, der skrupellose Kampf um jede Vase treibt Blüten. Es wird geschrien und bepöbelt, dass es eine Gaudi ist. Man wirft sich Gemeinheiten an den Kopf: "Ihr seid Verbrecher – alle, wie Ihr da seid!" Das ist noch die harmloseste Variante.

Um jedes Stück wird gestritten. Fast die ganze muffige Stube wird zerlegt. Hemmungslos wird schließlich auch in Tante Marthas Privatleben gewühlt. Weitgehend einig ist sich die Bagage nur gegen angebliche Erbansprüche eines jungen Saxofonisten. Der fiel schon am offenen Grab unangenehm auf, als er für die Verstorbene ungebeten den Summertime Blues spielte.

Hat Fitzgerald Kusz nur "dem Volk aufs Maul geschaut"? Verwandte kann man sich nicht aussuchen und der Volksmund sagt ja: Erworben, gestorben – geerbt, verdorben. Es ist also ein altes Thema, das hier mit galligem Humor aufbereitet wird. Die Schauspieler tauchen mit ganzer Energie und Leidenschaft in die Abgründe menschlicher Verderbnis ein. Zu guter Letzt allerdings haben sich alle verspekuliert. Besser gesagt, fast alle. Zweimal wird das Stück noch in der (ausverkauften) Luna Bühne aufgeführt. Ein Restgeheimnis soll deshalb bleiben.

Die Auflösung ist bei diesem typischen Kusz-Theater aber gar nicht so entscheidend. Dem Nürnberger Autor ist es sicher wichtiger, den Menschen einen Spiegel vorzuhalten. Oder, wie es einer der Erben formulierte: "Habt Ihr schon geerbt oder redet Ihr noch miteinander?" Schiller würde dazu zu sagen: "Willst du dich selbst erkennen, sieh‘, wie die andern es treiben . . ."

Die Weißenburger Bühne hat es jedenfalls toll getrieben. Für die guten schauspielerischen Leistungen – unter der Regie von Thomas Hausner – gab es am Ende viel Applaus.

 

Es spielten (in alphabetischer Reihenfolge): Sophie Damerow, Christian Grimm, Thomas Hausner, Marianne Koller, Cornelia Röhl, Rainer Scheibe, Baran Sönmez und Sophia Tiede. Um die Technik kümmerte sich Jeannete Schmid, als Souffleuse war Anja Michel im Einsatz.

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