Vom Ring mit Ecken

25.8.2017, 14:43 Uhr

Als Boxing Day wird im Commonwealth der Tag nach Weihnachten bezeichnet, der Stephanitag, aber nicht, weil man im vereinten Königreich glaubt, der heilige Stephanus wäre nicht gesteinigt, bloß geboxt worden, sondern weil an diesem Tag die Mitarbeiter Geschenke (Boxen) von ihren Chefs erhalten. Der Weißenburger Boxing Day findet in der anderen Jahreshälfte statt, am ersten Sonntag der Kirchweih – kurz vor dem Steinheben und dem Hunderennen. Boxen im gerstensaftschwangeren Gott-Erhalts-Bierzelt, eine Mischung aus Volksfest, Freaks und seriösem Sport?

Dieses Jahr trat die als Weißenburg getarnte Bayernauswahl gegen den BC Wladimir Moskau an. Da schnalzt man doch selbst als Laie mit der Zunge. Rein von den genannten Namen her ließ sich zwar kaum zuordnen, ob der Athlet nun für die rote oder die blaue Ecke antrat: Andrej Merzlyakov, Alexander Karetin, Erfani Qamaruddin, Rakhim Sidaew . . ., aber egal. Auch der BC-Weißenburg-Schriftzug auf den roten Dressen der Russen schien niemanden groß zu stören.

Wahrscheinlich hatten die armen Kerle mit den kurzgeschorenen Köpfen, die größtenteils aussahen, als kämen sie geradewegs aus einem nordkaukasischen Waisenheim, auf ihrer Anreise (mit zwei Autos!) irgendwo ihre Shirts gegen etwas Berauschenderes eingetauscht. Ich habe ja den Verdacht, dass man diesen BC Wladimir Moskau extra für die Kerwa erfunden hat – mit Kämpfern aus Werweißwoher. Boxer müssen ja wenig sprechen, was manchmal fast schade ist. Als nämlich der deutsche Rocky Balboa Marciano, also Graciano „Rocky“ Rocchigiani, der Ehrengast dieses Box-Frühschoppens – er kam in Jeans mit weißen Nähten, wie man sie sonst nur noch in Kampen oder Schwabing trägt – sprach, war alles jut.

Boxen übt eine Faszination aus, und mindestens die Hälfte aller österreichischen Intellektuellen (Werner Schneyder) ist davon begeistert, während es die andere Hälfte für ein stupides Birnenweichklopfen hält. Aber trotz der humpenweise konsumierten Hopfenblütenteequantitäten, einer an ein Voltigierpferd erinnernden Ringrichterin und mancher, nach Unterwelt aussehender Aufgepumpter war hier großer Sport zu sehen. Wie da getänzelt, weggeduckt und blitzschnell zugeschlagen wurde, ließ einen schon die Luft anhalten.

Zwischen den Kämpfen gab man die Spenden der Weißenburger Gewerbetreibenden bekannt – „für die Jugendarbeit“. Die Russen bekamen Bierkrüge und Kopfkissen (den geschundenen Häuptern). Gewonnen hat auch einer, ich glaube die Blauen, aber da hatte mir das konsumierte Bier bereits einen ehrlichen Uppercut versetzt bei diesem herrlich volkstümlichen Ereignis. Pamplona hat die Stierhatz, Irland den St. Patrick’s Day, Sizilien die Mattanza und Weißenburg das Boxen auf der Kerwa. Das ist doch was.    

 

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