Weißenburg war bei der Reformation vorne dabei

16.1.2018, 07:49 Uhr
Weißenburg war bei der Reformation vorne dabei

© Stadtarchiv Weißenburg

Die einstige Reichsstadt Weißenburg hatte nicht so viele Momente im hellen Licht der Weltgeschichte, die Unterzeichnung der Confessio Augustana war einer. Einer allerdings, aus dem man mehr hätte machen können. Es war das erste evangelische Glaubensbekenntnis, ein Dokument, das die Grundlage für eine christliche Glaubensrichtung wurde, der heute 74 Millionen Menschen weltweit anhängen. Und wer war von Anfang an dabei? Weißenburg! Naja, zumindest fast von Anfang an, wie der Weißenburger Stadtarchivar Reiner Kammerl detailliert nachzeichnet.

Tatsächlich hatte die kleine Reichsstadt Weißenburg zur Abwechslung mal eigene Vertreter zu dem Reichstag nach Augsburg geschickt, wo man sich sonst gerne von den großen Nürnbergern vertreten ließ. Die beiden Weißenburger Gesandten Hans Wolf und Hans Kuttenfelder trafen am 23. Juni 1530 in Augsburg ein, dem Tag, an dem der Reichstag begann. Die beiden waren allerdings völlig ahnungslos, dass hier große Geschichte gemacht werden sollte. Erst durch einen Gesandten aus Lüneburg erfuhren sie von dem bereits formulierten Glaubensbekenntnis, mit dessen Durchsetzung die evangelischen Fürsten auch gleich begannen.

Unsichere Gesandte

Wolf und Kuttenfelder waren nicht allzu begierig auf ihren Moment Weltgeschichte, immerhin konnte der schon mal den Kopf kosten. Zu dem Zeitpunkt war unklar, wie der katholische Kaiser auf den Widerstand der Luther-Anhänger reagieren würde. Sie schrieben also eilig in die Heimat, was sie denn nun bitte tun sollten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Weißenburger Rat bereits für die Einführung der Reformation entschieden und eine evangelische Kirchenordnung erlassen sowie der neuen Lehre anhängende Geistliche eingestellt. Sich bei einem Reichstag offen gegen den Kaiser zu stellen, war aber doch eine andere Sache.

Weißenburg war als Reichsstadt de facto eine Art Kleinststaat. Man hatte keinen direkten Landesherren, sondern war dem Kaiser unterstellt, der sich in das Klein-Klein der Stadtpolitik nicht einmischte. Also machte der Rat der Stadt seine eigene Politik, musste dabei aber zumindest ein Auge auf den Kaiser werfen. Der mischte sich nämlich spätestens dann ein, wenn etwas grundlegend schief lief. Das wussten die Weißenburger Räte aus eigener, bitterer Erfahrung. Als man die Stadt nämlich einige Jahrzehnte zuvor finanziell an die Wand gefahren hatte, hatte der Kaiser kur­zerhand den gesamten Rat wegen Unfähigkeit ins Gefängnis werfen lassen.

Der Reichstag in Augsburg wurde zu einem politischen Ränkespiel. Der Kaiser drohte den Reichsstädten, die der neuen Lehre anhingen, mit ernsten Konsequenzen, die ließen derweil die protestantischen Fürsten machen und hielten sich im Hintergrund. Rund drei Wochen nach der ersten Verlesung der Confessio Augustana schlossen sich schließlich Weißenburg, Heilsbronn, Kempten und Windsheim der Confessio in einer zweiten Welle an, nicht, ohne sich vorher der Unterstützung der evangelischen Fürsten versichert zu haben. Im Nachhinein hat die evangelische Propaganda das Geschehen ein wenig zusammengezogen, und die Weißenburger Gesandten sind auf den meisten Konfessionsbildern als Erstunterzeichner mit abgebildet.

Um den Übergang zum neuen Glaubensbekenntnis abzuschließen, rief man im November 1530 alle Weißenburger Bürger in die Andreaskirche, zum wohl ersten Bürgerentscheid der Neuzeit. Fast 500 Menschen hatten sich in der Stadtkirche versammelt. Wer sich zum evangelischen Glauben bekenne, sollte in den Chor marschieren, die Altgläubigen stehenbleiben. Die Ratsherren marschierten als erste voran in den Chor und nahezu alle Weißenburger folgten ihnen. Am Ende ging die Abstimmung mit den Füßen eindeutig mit 447 zu acht aus und Weißenburg war evangelisch. Das vorübergehende Ende einiger turbulenter Monate.

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