Wenn die Rechnung nicht aufgeht

14.5.2005, 00:00 Uhr
Wenn die Rechnung nicht aufgeht

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Nur einmal im Jahr denken die beiden morgens nicht zuerst an ihr Vieh. Nur einmal im Jahr gehen sie morgens nicht um sechs Uhr über den Hof zu ihren 90 Milchkühen, um diese in den gekachelten Melkraum mit all den vielen Schläuchen zu führen. Einmal im Jahr gönnen sich Inge und Manfred Rohlederer eine Auszeit von Hof und Stall — ein Wochenende lang. „Den Luxus gönnen wir uns“, sagt die 50-Jährige und erzählt von dem Thermalbad, in das sie und ihr gleichaltriger Mann dann immer abtauchen.

Dabei machen sie ihre Arbeit gerne, lieben das Leben im beschaulichen Kleingeschaidt (Kreis Erlangen-Höchstadt), ein Leben, zu dem 60 bis 70 Stunden Arbeit pro Wochen gehören. „Es ist ein schöner Beruf. Ich bin gerne Landwirt“, sagt Manfred Rohlederer. Auch wenn er und seine Frau dabei zusehen müssen, wie die Mühen ihrer Arbeit an der Milch-Börse verramscht werden — für derzeit nur 28 Cent pro Liter.

Die Rohlederers gehören zu den rund 53 000 Milchlieferanten in Bayern in banger Wartehaltung. Seit etwa zwei Wochen finden wieder „Listungsverhandlungen“ satt, feilschen die großen Discounter mit den Molkereien in Bayern um Preise. „Das momentane Niveau ist noch erträglich, auch wenn wir kämpfen“, sagt Manfred Rohlederer. Weniger dürfe es nicht werden.

Um überhaupt kostendeckend arbeiten zu können, müsste ein Landwirt deutlich über 30 Cent pro Liter bekommen. Eine Forderung, die den Rohlederers angesichts der Werbestrategien der Discounter noch wagemutiger als ohnehin schon erscheint. Denn die bringen in „Wahnsinnsaktionen“ den Liter Milch für 33 Cent an den Kunden oder verscherbeln 250 Gramm Markenbutter für 59 Cent. Um ein Kilo Butter zu produzieren benötigt man elf Liter Milch. Eine Rechnung, die für deutsche Milcherzeuger einfach nicht aufgehen kann — und die enttäuscht: „Es ärgert einen schon, wenn so viel Einsatz nichts wert sein soll“, sagt Inge Rohlederer.

Möglich machen die „Gute-Laune-Angebote zum Pfingstfest“ die Überproduktion von Milch auf dem europäischen Markt. Rund 15 Prozent wird zu viel produziert. In der EU bekommen das deutsche Bauern am stärksten zu spüren. Denn sie sind vor Frankreich und Großbritannien die Hauptproduzenten — und das bei wesentlich höheren Produktionskosten. Dabei trifft der Preisdruck bundesweit vor allem Bayern, denn dort stehen mit 1,38 Millionen die meisten Milchkühe in den Ställen

„Deshalb muss die Milchmenge zurückgefahren werden“, sagt der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) in Mittelfranken, Jürgen Ströbel. Das Gegenteil soll der Fall sein. Denn die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) beinhaltet unter anderem eine Erhöhung für das Jahr 2006. Zwar muss schon jetzt der Strafe nach Brüssel zahlen, der mehr produziert, „doch die Milch ist ja trotzdem auf dem Markt“, moniert Ströbel. Die Discounter hätten in dieser Situation leichtes Spiel. Deshalb wollen sich die bayerischen Milchbauern zu einer großen Erzeugergemeinschaft zusammenschließen, um so besser verhandeln und überleben zu können.

Bei den Rohlederers muss der Vollerwerbsbetrieb das Ehepaar und vier Kinder ernähren. Mit ihren 90 Milchkühen und 85 Stück weiblicher Nachzucht halten sie knapp doppelt so viele Milchkühe wie der bayerische Landwirt durchschnittlich. 4000 Liter Milch holt der Laster der Ochsenfurter Molkerei jeden zweiten Tag ab — bis dahin gut aufbewahrt im neuen Kühltank der Rohlederers.

20 000 Euro haben die beiden dafür bezahlt, wie sie sagen. Eine notwendige Investition. Denn viele Molkereien holen aus Kostengründen die Milch nicht mehr jeden Tag ab. Deshalb müssen die Landwirte dafür sorgen, dass ihre frische Ware auch frisch bleibt. Eine Verantwortung, die sich kleine Betriebe immer weniger leisten können, wie Zahlen der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle in Bonn belegen: In den vergangenen zehn Jahren hat jeder zweite Milchbauer in Deutschland aufgegeben.

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