Wie gefährlich sind Nanopartikel in unserer Kosmetik?

15.5.2013, 07:00 Uhr
Wie gefährlich sind Nanopartikel in unserer Kosmetik?

© dpa

Ein Nanopartikel besteht aus einem Verbund von Atomen oder Molekülen, der zwischen einem und 100 Nanometer (nm) groß ist, was in etwa einem kleinen Virus entspricht. Nanopartikel kommen in der belebten und unbelebten Natur vor. Doch seit man sie bewusst und synthetisch herstellt, sind sie in Verruf geraten. Denn sie können über Mundschleimhaut, Lungenbläschen und Darmwand ins Blut gelangen und sich in den Organen anreichern. Dabei gilt die Faustregel: Je kleiner, desto leichter.

Nur an der Haut beißen sich die Teilchen-Zwerge die Zähne aus, weshalb die Nanogefahr bei Kosmetika überschaubar bleibt. Die 10000 bis 15000 Nanometer dicke Hornschicht (Stratum corneum) der Oberhaut wirkt für unlösliche Stoffe wie eine massive Mauer, wobei die „Ziegelsteine“ aus abgestorbenen Hautzellen bestehen, die mit einem „Mörtel“ aus Lipiden, Cholesterin-Derivaten und Fettsäuren verbunden sind. Sobald die Haut allerdings krank oder verletzt ist, können Nanoteilchen vor allem an den Haarwurzeln, Talg- und Schweißdrüsen in die Lymph- und Blutbahnen des Körpers gelangen.

Die erste EU-Kosmetik-Verordnung, die in wenigen Wochen verbindlich in allen Mitgliedsstaaten in Kraft tritt, enthält unter anderem neue Vorschriften zum Umgang mit Nanomaterialien. „Im Gegensatz zu Arzneimitteln gibt es bei Kosmetika keine staatliche Zulassung. Die Verantwortung für die Sicherheit der Produkte trägt allein der Hersteller“, erklärt Karin Rockstroh von der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen (LUA).

Der Hersteller muss der EU-Kommission künftig eine ständig aktualisierte Produktinformationsdatei mit allen Inhaltsstoffen zugänglich machen. Die Datei enthält auch einen Sicherheitsbericht, für dessen fachliche Qualität wiederum der Hersteller verantwortlich ist. Außerdem muss er jeden Stoff, der laut Definition als Nanomaterial gilt, in der Inhaltsstoffliste mit dem Zusatz „(Nano)“ kennzeichnen.

Wie ein Nanopartikel definiert ist, steht in der EU-Verordnung. „Die Definition wird aber vermutlich bald durch eine neue Begriffsbestimmung ersetzt, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat“, erklärt Rockstroh. Dann regelt der Erlass den Umgang mit löslichen wie unlöslichen, natürlichen wie synthetisch hergestellten „Nanomaterialien“, bei denen mindestens 50 Prozent der Partikel ein Außenmaß zwischen 1 nm und 100 nm aufweisen.

Die 50-Prozent-Marke liefert erstmals einen messtechnisch überprüfbaren Grenzwert, denn keine Probe ist einheitlich, sondern schwankt immer um einen Mittelwert. Die Diskussion über die Begriffsbestimmung verunsichert die Hersteller. Zumal sie in weiten Teilen akademisch ist: „Viele Hersteller kennen die mittlere Teilchengröße der Inhaltsstoffe nicht, weil sie diese gar nicht messen können“, sagt Olf Richter, Fachbereichsleiter für Anorganische Schadstoffe der LUA.

Und bei den staatlichen Überwachungsbehörden sieht es nicht viel besser aus. Derzeit hätten nur Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen Analyseverfahren entwickelt, mit denen Nanopartikel in handelsüblichen Kosmetika nachweisbar sind, erklärt der Chemiker. „Es gibt momentan weder für die Probenvorbereitung noch für die eigentliche Messung irgendein standardisiertes oder gar amtlich vorgeschriebenes Verfahren.“

Richter arbeitet an der Entwicklung einer Messmethode für Nano-Zinkoxid, das manchmal in Sonnencremes als UV-Filter eingesetzt wird. Bei Nanos aus Siliciumdioxid (Rieselhilfe) oder „Carbon Black“ (Farbstoff) sind jedoch auf absehbare Zeit keine geeigneten Analyseverfahren in Sicht. Bislang gelten Spuren von Sand und Ruß in Kosmetika noch als ungefährlich. Wie sie sich in Nanogröße verhalten, ist jedoch noch weitgehend unerforscht. „Da ist Vorsicht geboten“, rät Richter.

Bei Nanosilber, das eine keimtötende Wirkung besitzt, zeichnet sich schon eine mögliche Gesundheitsgefahr ab. Das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) empfiehlt daher, auf Nanosilber in Kosmetika und Textilien zu verzichten.

Zuweilen verfährt die Industrie recht sorglos nach dem Motto: Was im Großformat ungefährlich ist, kann auch als Nanoteilchen nicht schaden. Beispiel: Titandioxid. Das Mineral wurde 1908 als ungiftiges Weißpigment entdeckt und wird seit vielen Jahrzehnten industriell hergestellt. Eine Weltproduktion von jährlich vier Millionen Tonnen lässt unsere Autos, Wände, Papiere und Kunststoffe blendend weiß erscheinen. Denn Titandioxidpulver absorbiert kaum Licht, sondern spiegelt es zurück und erzeugt damit die Farbe Weiß. Da auch das unsichtbare UV-Licht reflektiert wird, eignet sich der Stoff ideal als „mineralischer Sonnenschutz“.

Doch wer möchte schon mit weißem „Farbanstrich“ in der Sonne braten? Titandioxid-Teilchen in Nanogröße sind dagegen farblos und passen besser zur ungeschriebenen Schönheitsnorm des Badestrandes. Weil sie das UV-Licht etwas stärker reflektieren als größere Teilchen, findet man sie heute in den meisten Sonnencremes ab Lichtschutzfaktor 15.

Über die Wirkung von Nano-Titandioxid im menschlichen Körper ist bislang hingegen nur wenig bekannt. Eine Studie aus dem Jahr 2002 legt nahe, dass Partikel zwischen 5nm bis 20nm Größe das Immunsystem beeinflussen.

Dem Verbraucher bleibt letztlich nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass die Kosmetikhersteller für die gesundheitliche Unbedenklichkeit ihrer Produkte verantwortlich einstehen und die Überwachungsbehörden genügend Kapazitäten haben, um schwarze Schafe zu finden.
 

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