Wie sähe eine Welt ohne Erdöl aus?

30.9.2014, 18:50 Uhr
In naher Zukunft versiegen die Quellen.

In naher Zukunft versiegen die Quellen.

Die Autoindustrie hat bewiesen, dass Mobilität auch ohne Erdöl möglich ist. Wie aber die globalisierte Welt ohne das schwarze Gold laufen soll, ist eine andere Frage. Containerschiffe durchkreuzen die Weltmeere, Flugzeuge transportieren Waren von Kontinent zu Kontinent. Der Nürnberger Professor Harald Kipke hat da ein paar Vorschläge.

Auf der A 9, im Bus von Nürnberg nach Berlin. Der Geschäftsmann im dunkelblauen Anzug sitzt neben einem Mädchen mit tätowierten Oberarmen und pinken Leggings. Beide starren auf Bildschirme, er hämmert auf seine Laptoptastatur ein, sie sieht sich einen Film an. Auf der Rückseite ihrer Geräte ist ein Schriftzug zu lesen „Designed in California – made in China“. Der Reisebus zieht an zahlreichen Lastwagen vorbei: Sie kommen aus Bulgarien, Portugal, Frankreich, Polen und chauffieren gefrorene Bohnen, gackernde Hühner und das Dach eines Fertigbauhauses. „In keinem Bereich wird Energie so sinnlos verpulvert wie bei der Mobilität“, sagt Harald Kipke. Er leitet den Studiengang Verkehrsingenieurwesen an der Technischen Hochschule Nürnberg. Einen adäquaten Ersatz für Öl sieht Kipke in naher Zukunft nicht. Der Dekan ist sich sicher, gäbe es vielversprechende Alternativen zu Benzin, Diesel oder Kerosin hätten sie sich schon durchgesetzt – schließlich gab es das elektrisch betriebene Auto fünf Jahre vor dem Verbrennungsmotor.

Der Tante-Emma-Laden kommt zurück

„All die Energie, die in Milliarden von Jahren als Erdöl und -gas unter der Erde gespeichert wurde, wird von uns in knapp einem Jahrhundert wieder freigesetzt“, sagt er. Kipke vertraut auf den Markt und geht davon aus, dass er selbständig auf das zu Ende gehende Öl reagieren wird. Doch Erfinder haben es heutzutage schwer. „Große Unternehmen kaufen oft vielversprechende Erfinderschmieden auf“, sagt der Ingenieur. Doch sie haben so vielen verschiedenen Interessengruppen zu dienen, dass völlig neue Erfindungen kaum mehr möglich sind. „Die Situation für Tüftler war im 19. Jahrhundert deutlich besser.“ Vielleicht müssen sich die Menschen deshalb schon bald wieder auf Altbewährtes einlassen. „Das Thema Nahversorgung wird wieder eine zentrale Rolle spielen“, sagt Kipke. Es wird zu teuer werden, wegen jeder Schraube, einem speziellen Käse oder neuen Socken Auto zu fahren.

Nach und nach verschwanden die kleinen Tante-Emma-Läden aus den Straßen. Doch langsam kehren sie wieder zurück. Oft ist der Kunde nun darüber verwundert, dass trotz der geringen Fläche nahezu alles im Sortiment ist, was zum täglichen Leben gebraucht wird. Die Ladenbesitzer haben sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingestellt. Ein Modell, das auch in den Nürnberger Stadtteilen womöglich bald wieder zu entdecken sein wird. „Für mich hängt die Globalisierung und die Verfügbarkeit von günstigem Öl sehr stark zusammen“, sagt Kipke. Irgendwann lohnt es sich finanziell nicht mehr, Krabben von der Nordsee zum Puhlen nach Marokko zu schicken, um sie dann wieder zurück in Deutschland zu verkaufen. „Die Globalisierung wird sich durch die schwindenden Ressourcen mit der Zeit auf ein niedrigeres Maß einpendeln.“

Nach sechs Stunden erreicht der Reisebus die Bundeshauptstadt. Er fährt am Flughafen Berlin-Schönefeld vorbei. Eine Propellermaschine aus Nürnberg befindet sich gerade im Landeanflug. Sie war nur eine Stunde unterwegs. Kipke sagt: „Die Kurzstreckenflüge werden als erstes zusammenbrechen.“

Keine Kommentare