"Wir sollten mehr Respekt vor dem Wetter haben" (Teil 2)

5.3.2013, 06:33 Uhr

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Häufen sich die schweren Unwetter tatsächlich?

Thomas Ranft: Um das sagen zu können, sind die Zeitreihen noch nicht lang genug, weil es eine große Schwankungsbreite gibt. Gefühlt nimmt es natürlich zu, weil wir im Zeitalter der digitalen Medien viel mehr darüber berichten können. Früher hat es irgendwo gewittert, aber keiner hatte ein Smartphone oder eine Digitalkamera zur Hand, um die Fotos quasi in Echtzeit ins Netz zu stellen. Wahrscheinlich hat es früher tatsächlich genauso oft gewittert, aber keiner hat es mitbekommen.

Warum kracht es eigentlich immer, wenn Kalt- und Warmluft aufeinander treffen?

Thomas Ranft: Krachen tut es ganz gerne mal, wenn extrem kalte auf extrem warme Luftmassen treffen. An diesen Luftmassengrenzen bilden sich dann die Gewitter. Die Luftmassen werden durch die Hochs und Tiefs bewegt. Hochs schaufeln wie große Zahnradbagger die Luft im Uhrzeigersinn, Tiefs machen dasselbe nur gegen den Uhrzeigersinn. Wenn ein Tiefausläufer dann kalte Luftmassen aus dem Norden bringt und dieses auf warme Luftmassen trifft, kracht es.

Wieso reagieren manche Menschen empfindlich auf Wetterschwankungen?

Thomas Ranft: Hochdruck heißt, dass tatsächlich mehr Luft da ist. Das ist sozusagen ein Luftberg. Ein Tief bedeutet dementsprechend weniger Luft, also ein Lufttal. Wenn man sich das bildlich vorstellt: Wir leben im Prinzip am Grund eines Luftmeeres. Über uns ist die Luft, sie wiegt in etwa zehn Tonnen pro Quadratmeter. Bei einem Tief haben wir rund 500 Kilogramm weniger Luft über uns. Deswegen reagieren Menschen auch manchmal empfindlich, wenn sich der Druck ändert, weil wir, je nachdem, mehr oder weniger Druck auf uns lasten haben.Wenn man jetzt ein extrem hohes Hoch hat und ein extrem tiefes Tief hat, die sich begegnen, dann weht es uns ganz schön um die Ohren.

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Ein Hoch bedeutet übrigens nicht immer automatisch schönes Wetter und ein Tief schlechtes Wetter. In der letzten Winterwoche hatten wir extremes Hochdruckwetter. Aber mit Sonne hatte das ja bekanntlich nicht viel zu tun. Das hängt auch damit zusammen, dass wir relativ feuchte Luft hatten und die Sonne zudem noch nicht hoch genug stand, um die Wolken auflösen zu können. Erst das Tief, dass über uns gezogen ist, sorgte für Luftaustausch und damit für schönes Wetter am ersten Frühlingswochenende in diesem Jahr.

Was hat es mit den Bauernregeln auf sich: Kann man denen vertrauen?

Thomas Ranft: Erst einmal sollte man sehen, woher die Bauernregeln stammen und was damit eigentlich gemeint ist. Zum Beispiel die Mariä Lichtmess-Regel am 2. Februar „Wenn's an Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit; ist es aber klar und hell, kommt der Lenz wohl nicht so schnell.": Klar und hell bedeutet, es herrscht Hochdruckwetter und klarer Himmel also tiefe Temperaturen. Im Winter sind solche Lagen schon einmal beständig. Wenn es stürmt, heißt das übersetzt, es rauscht ein Tief nach dem anderen über uns hinweg, dann ist es von Haus aus schon einmal ein bisschen milder. Wechselhaftes Wetter bedeutet dann auch, dass es eventuell früher frühlingshaft werden kann.

In der Theorie macht das durchaus Sinn, in der Praxis ist das aber nicht immer zwangsläufig so. Da wären wir wieder beim Auto, dass durch die Pfütze fährt, also unerwartete Ereignisse, die die Bauernregel zunichte machen können.

Die Eisheiligen, die besagen, dass die letzte mögliche Kälteperiode mit Nachtfrostgefahr um Mitte Mai herum ist, trifft auf den Süden Deutschlands grundsätzlich besser zu als auf den Norden. Vor 100 Jahren gab es noch eine relativ große Chance, dass die Eisheiligen eintreffen, heute ist das nicht mehr so häufig. Das heißt, auch Bauernregeln werden unzuverlässiger, weil sich das Klima verändert.

„Abendrot Gutwetterbot, Morgenrot Schlechtwetter droht“: Was ist dran an dem Spruch?

Thomas Ranft: Ein sehr großer Teil unseres Wetters kommt aus Westen. Wenn man ein Abendrot hat, bedeutet das, dass in den nächsten 300 bis 400 Kilometern Entfernung keine Wolken im Weg sind, die den Sonnenuntergang versauen. Wenn ich also bis Paris freie Sicht habe, ist die Chance relativ groß, dass auch der nächste Tag noch schönes Wetter bringt. Das Morgenrot muss nicht zwingend schlechtes Wetter bedeuten. Weil ich im Osten klares Wetter habe, bedeutet das nicht zwangsläufig schlechtes Wetter im Westen.

Nordwind ist ein rauer Vetter, doch bringt er uns beständiges Wetter“ - kann man den Spruch anwenden?

Thomas Ranft: Wenn wir einen Nordwind haben, müsste das bedeuten, dass wir ein Tief haben, das östlich und ein Hoch, das westlich von uns liegt. Das ist gerne schon mal eine relativ stabile Wettersituation. Dieser Spruch stimmt also.

Warum redet man eigentlich immer vom Aprilwetter und dass es macht, was es will?

Thomas Ranft: Im Frühjahr herrschen noch große Temperaturunterschiede. Im Norden haben wir ein Kaltluftreservoir, während im Süden die Sonne schon kräftig die Luft aufheizt. So kann der April ein Monat der großen Gegensätze sein. Wenn wir Südwind haben, dann ist es schon richtig sommerlich, wenn wir Nordwind haben, bedeutet dies ein kurzer Rückfall in den Winter. Das ist nur im April möglich, weil im Juni ist es selbst im Norden schon warm. Der Haken ist nur, dass wir in den vergangenen Jahren schon einen so warmen April hatten, wie es sonst erst im Juni oder Juli ist. Ob das etwas mit dem Klimawandel zu tun hat, ist nicht auszuschließen. Aber auch da wissen wir erst in 50 Jahren Bescheid, wenn sich dieses Phänomen häuft.

Teil 1 des Interviews mit Thomas Ranft beschäftigt sich damit, warum das Wetter bei uns eigentlich so ist wie es ist, wieso langfristige Wettervorhersagen auch in 1000 Jahren noch nicht möglich sind und was das spannendste Wetter für einen Meteorologen ist.

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