Wirbel um Corona-Gästelisten: Die Polizei ermittelt - und jetzt?

17.7.2020, 18:21 Uhr
In vielen Biergärten müssen die Daten bereits am Eingang hinterlassen werden.
  

© Angelika Warmuth/dpa In vielen Biergärten müssen die Daten bereits am Eingang hinterlassen werden.  

Ein Mörder flüchtet in einem Auto, eine typische Szene aus einem Sonntagabendkrimi. Ermittler werten Videoaufnahmen aus, entdecken ein Nummernschild und machen den Täter ausfindig, womöglich sogar über eine Vermietungsfirma. Ein alltäglicher Vorgang aus polizeilicher Sicht. Wer sich jetzt also wundert, dass Ermittler auch bei Daten zu Restaurantbesuchen alle Möglichkeiten zur Verfolgung ausschöpfen, die der gesetzliche Rahmen zulässt, der ist blauäugig. Genau das ist ihr Job. Der Gesetzgeber muss nur dort eingreifen, wo das Treiben der Polizei unverhältnismäßig wird, vor allem im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrechten und  Strafverfolung. Ein Begleitgesetz könnte verfassungsrechtliche Bedenken aufheben. Aber: Die Polizei hat ohnehin theoretischen Zugriff auf einen Datenschatz. Ob sie ihn heben darf oder nicht, darüber entscheiden im Zweifel Richter oder Staatsanwaltschaften.


Fränkische Polizei nutzt Corona-Gästelisten für Ermittlungen


Die Debatte ist nicht neu. Das nicht vor Einführung der Registrierungspflicht breiter über Datenschutz-Bedenken diskutiert wurde, ist bedauerlich. Die Gästelisten sind aber auch ein Vorgeschmack auf eine mögliche Vorratsdatenspeicherung, über deren endgültige Rechtmäßigkeit und Ausgestaltung vor dem Europäischen Gerichtshof entschieden wird. Wenn man sie so nennen will, dann sind die Listen in Restaurants eine Vorratsdatenspeicherung light. Lokal begrenzt, ohne System, und zum Zweck des Infektionsschutzes. Das Prinzip aber ist durchaus ähnlich.

Physische Ausgangsbeschränkungen versus digitale Überwachung

Die Deutschen, auch wenn die Geschichte gerne anders erzählt wird, schätzen den Schutz ihrer Daten. Besonders im Internet. Physische Ausgangsbeschränkungen und die massive Begrenzung der Reisefreiheit nahmen die meisten Bundesbürger hin - als es um eine Tracing-App zur Rückverfolgung von Corona-Infektionen ging, da traten viele auf die Bremse. Überspitzt gesagt: In der Wohnung einsperren geht, beim anonymisierten Sammeln von Daten zum Infektionsschutz aber ist Schluss. Eine durchaus schizoprene Haltung.

Problematisch an dem Wirbel um die Gästelisten ist etwas ganz anderes: der Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen. Ungeschickte Kommunikation, und das ist auch hier so, fördert immer Verschwörungstheorien. "Ich möchte nicht wissen was mit diesen Angaben alles getrieben wird", kommentiert etwa ein Nutzer auf nordbayern.de. Die Antwort: Systematisch nichts, was verboten wäre. Zumindest dann, wenn man an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung glaubt.

Ihre Meinung zum Thema? Hier können Sie einen Kommentar abgeben!

Verwandte Themen