Wird Musizieren durch Corona wieder wichtiger?

25.5.2020, 05:55 Uhr
Christoph Endres, der in Nürnberg Trompeten und Posaunen baut, hofft, dass bald wieder das Zusammenspielen in Gruppen erlaubt ist.

© Eduard Weigert Christoph Endres, der in Nürnberg Trompeten und Posaunen baut, hofft, dass bald wieder das Zusammenspielen in Gruppen erlaubt ist.

Die Coronakrise hat das Zentrum des deutschen Musikinstrumentenbaus, das sächsische Vogtland, mächtig gebeutelt. Die Stadt Markneukirchen rechnet mit Gewerbesteuerausfällen in Millionenhöhe. Hunderte Instrumentenbauer sind in Kurzarbeit, Arbeitskräfte aus dem nahen Tschechien fallen teilweise komplett aus.

Doch nicht allen Instrumentenbauern geht es derzeit schlecht. „Der letzte Monat war sogar sehr gut. Die professionellen Musiker haben ja jetzt Zeit und können ihre Instrumente entbehren. Wir haben viele Klarinetten zur Reparatur da momentan“, erzählt Bernd Wurlitzer. Die Klarinetten von Wurlitzer aus Neustadt/Aisch sind weltberühmt und werden von den bekanntesten Vertretern des Fachs und in den angesehensten Orchestern genutzt. Nun sind viele dieser virtuos gespielten Instrumente in Neustadt, wo Polster und Kork gewechselt werden und die Klarinetten geölt werden, um die Mechanik wieder leiser zu machen.

"Wir sind selbst froh und erstaunt"

Immer noch kommen viele Anfragen von Orchesterbüros für Kostenvoranschläge. Und selbst der Neuverkauf läuft gut bei Wurlitzer. „Wir sind selbst sehr froh und erstaunt. Aber Privatleute haben jetzt eben wieder mehr Zeit, sich der Musik zu widmen und alte Leidenschaften wieder aufzugreifen“, meint Bernd Wurlitzer.

In Christoph Endres‘ Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumente in Nürnberg spürt man die Krise dagegen schon. „Beim Verkauf waren es 30 bis 50 Prozent weniger. Die Leute wollen die Instrumente ja vorher testen. Da wir aber eh Wartezeiten von drei bis sechs Monaten haben, hatten wir noch genug zu tun“, erzählt er. Auch bei Endres kamen nun viele Reparaturen an. „Wir haben zwei riesige Tuben-Generalüberholungen gemacht. Dafür ist sonst nie Zeit“, verdeutlicht der Obermeister der Innung für Musikinstrumentenbau Nordbayern.

In seinen Verkaufsraum dürfen momentan nur zwei Personen, natürlich herrscht Maskenpflicht. In einem separaten Raum können die Kunden die Instrumente testen. Nach dem Spielen werden Trompeten oder Posaunen bei 70 Grad im Ultraschallbad gereinigt. Zusätzlich hat sich Endres noch einen Wärmeofen angeschafft, in dem er ebenfalls potenzielle Viren unschädlich machen kann.

Motivation lässt bald nach

Auch Endres weiß, dass der Musikinstrumentenbau normalerweise unter schlechten Zeiten nicht unbedingt leidet. Die Menschen fahren nicht in den Urlaub und verbringen mehr Zeit zuhause. Allzu rosig will Endres die Situation aber auch nicht sehen. „Den Menschen fehlt das Zusammenspiel. Wenn der Posaunenchor nicht übt, lässt nach zwei Monaten die Motivation nach“, meint er.

Seit diesem Montag ist in Bayern zumindest wieder Einzelunterricht in den Musikschulen erlaubt, Endres hofft aber, dass auch Gruppen bald wieder zusammenkommen können. „Zumindest, dass sich fünf Leute unter freiem Himmel oder in einem großen Raum zum Musizieren treffen können, sollte wieder möglich sein“, wünscht er sich und beklagt sich bitterlich darüber, dass Musiker Bußgelder dafür zahlen mussten, dass sie mit zwei Metern Abstand voneinander vor Pflegeheimen aufgespielt hatten.

Ohnehin sei es keineswegs so, dass Tröpfchen durch die Blasinstrumente wie beim Singen weit in den Raum geschleudert werden. „Da schwingt ja nur die Luftsäule, da ist kein Druck dahinter. Vorne kommt praktisch nichts raus, dazu gibt es auch Versuche“, erklärt Endres.

Auch Bernd Hertlein von Piano Fricke in Ansbach will sich nicht zu sehr beschweren. Derzeit können er und seine Kollegen viel leichter in sonst ständig belegten Räumen in Schulen, Pflegeheimen oder Gemeindehäusern Klaviere stimmen und reparieren. „Die Einnahmen aus dem Laden fehlen uns natürlich, aber wir haben keine Panik“, sagt er.

"Die Leute gehen in den Supermarkt, nicht zum Geigenbauer"

Bei dem Nürnberger Geigen-Experten Ludger Geiger ist das Geschäft dagegen merklich zurückgegangen. „Wenn der Kulturbetrieb gestoppt ist, merken wir das extrem. Die Leute gehen in der Krise im Supermarkt einkaufen, aber nicht zum Geigenbauer “, verdeutlicht er. Natürlich hat auch er momentan viele Instrumente dar, bei denen er Wirbel nachpassen, Stege richten und Lackschäden reparieren kann, das große Geschäft ist das aber nicht. Nur durch die Privatmusiker trägt sich sein Laden gerade, von den Profis kommt momentan wenig, aus dem Ausland gar nichts.

Deshalb wünscht sich Geiger, dass auch die Musik bald unbeschränkter erklingen kann: „Mit Unterricht über Skype kann man kein Instrument lernen, damit können nur Fortgeschrittene eine gewisse Zeit überbrücken. Man muss wieder zusammenkommen dürfen. Musik lebt von der Begegnung, vom Zusammenspiel“, meint Geiger.


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