"Wolbergs-Prozess": Leiter des SSV Jahn hat ausgesagt

1.10.2018, 19:53 Uhr
Der Prozess um den Regensburger Oberbürgermeister Wolberg hat begonnen: Als erster Zeuge von 65 hat Christian Keller der Leiter des SSV Jahn am Montag ausgesagt.

© Armin Weigel/dpa Der Prozess um den Regensburger Oberbürgermeister Wolberg hat begonnen: Als erster Zeuge von 65 hat Christian Keller der Leiter des SSV Jahn am Montag ausgesagt.

"Ohne Volker Tretzel gäbe es heute keinen Profifußball in Regensburg mehr", sagte Keller irgendwann, da dauerte seine Vernehmung bereits zwei Stunden an. Er schilderte die verheerende finanzielle Lage des Jahn bis 2013. Jedes Jahr habe es ein strukturelles Defizit gegeben, weil die Aufwände die Erträge schlicht überstiegen hätten. Noch mehr sparen hätte man nicht können, da die Fußballergehälter im Vergleich ohnehin niedrig gewesen seien. Sein erklärtes Ziel sei es gewesen, den Jahn wie ein Start-up-Unternehmen mit einer anfänglichen größeren Geldsumme neu auszurichten, erklärte Keller.

Das sei auch geglückt: Seit 2016 erwirtschafte der Jahn Gewinne und trage sich selbst. Diese Entwicklung hätte es ohne Tretzel nicht gegeben, betonte Keller mehrmals. 2005 rettete der Immobilien-Unternehmer den Jahn erstmals vor der Insolvenz, 2009 stieg er als Gründungsaktionär ein und baute sein finanzielles Engagement in den Folgejahren weiter aus. Anfang 2017 hatte Tretzel mit über 7,2 Millionen Euro 90 Prozent der Anteile inne. Er habe Tretzel alle paar Wochen getroffen, ihm bei einem Kaffee erzählt, wie es beim Jahn läuft, sagte Keller. Immer wieder sei es dabei auch um finanzielle Unterstützung gegangen, die der Jahn bei Tretzel angefragt habe.

"Komplett an den Haaren herbeigezogen"

Die Motivation Tretzels habe er so verstanden, sagte Keller: "Er hat in Regensburg extrem viel Geld verdient und möchte ein Stück weit etwas zurückgeben." Tretzel habe sich als Mäzen gesehen. Eine Verknüpfung zwischen den Kapitalerhöhungen beim SSV Jahn und Baugrundstücksvergaben, wie es die Staatsanwaltschaft vermutet, sei "lächerlich und komplett an den Haaren herbeigezogen", sagte Keller. Politiker seien als Türöffner wichtig für einen Profifußballverein wie den Jahn, betonte er.

Deshalb habe er auch häufig mit den SPD-Politikern Joachim Wolbergs und Norbert Hartl, nun beide auf der Anklagebank, gesprochen. Immer wieder sei es darum gegangen, die finanzielle Unterstützung des Jahn auf breitere Beine zu stellen – das sei auch der ausdrückliche Wunsch von Tretzel gewesen. Auch bei einem Aufsichtsratsbeschluss vom Herbst 2014 über eine Kapitalerhöhung von bis zu vier Millionen Euro sei es das Ziel gewesen, weitere Sponsoren ins Boot zu holen. Allerdings: Einziger Zeichner blieb Tretzel. Es sollte ein "Befreiungsschlag zu einem kritischen Zeitpunkt" sein, sagte Keller. Sportlich und finanziell sei die Situation schwierig gewesen, der Stadionneubau sorgte für Druck.

Weitere Episode im Finanzdrama

Die Staatsanwaltschaft wirft Tretzel vor, die folgenden Kapitalerhöhungen von insgesamt 2,8 Millionen Euro in den Jahren 2014 und 2015 vorgenommen zu haben, weil er sich positive Entscheidungen der Stadt bezüglich der Bauvorhaben seines Unternehmens erhoffte. Sein Engagement für den Jahn hat Tretzel mittlerweile eingestellt – und dabei für eine weitere Episode im Finanzdrama des Fußballclubs gesorgt. Nach seiner U-Haft Anfang 2017 verkaufte Tretzel seine Anteile für 3,25 Millionen Euro an den Unternehmer Philipp Schober. Nach Intervention des Jahn, der die wirtschaftliche Seriosität von Schober angezweifelt hatte, machte Tretzel von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch und verkaufte die Anteile an den Jahn – "für eine große Summe".

Eine genaue Zahl wollte Keller angesichts der Medienvertreter im Gerichtssaal nicht nennen. Am Morgen des dritten Verhandlungstags war Richterin Elke Escher mit mehreren Anträgen konfrontiert. Weiter unklar ist, ob die umfangreiche Überwachung der Telekommunikation der Beschuldigten in dem Verfahren verwertet werden kann. Alle vier Verteidigerteams haben beantragt, diese nicht zu verwenden. Es seien Gespräche aufgezeichnet, verschriftlicht und bis heute nicht gelöscht worden, die den privaten Kernbereich betreffen sowie Gespräche mit Anwälten. Das sei nicht zulässig. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, sich zeitnah zu den Vorwürfen zu äußern.

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