Würzburg: Verfahren um totgeraste Jugendliche ausgesetzt

24.9.2020, 16:05 Uhr

Der Verdacht ist kaum zu ertragen: Hat Fahranfänger Niclas H. in der Nacht zum 23. April 2017 mit Absicht eine junge Frau überfahren? Theresa Stahl (20) lief in jener Nacht mit ihrem Freund nach Hause, gegen 3.40 Uhr wurde sie von einem VW Golf gerammt – ihr Hinterkopf knallte auf die Windschutzscheibe.

Niclas H., damals 18 Jahre alt, und seine drei Kumpels, alle 19 Jahre alt, nach einem Weinfest alle betrunken, ließen sie liegen und fuhren davon. In Untereisenheim stiegen die drei Mitfahrer aus. Niclas H. fuhr weiter, und nach 900 Metern setzte er den Golf in einen Graben. Als die Rettungskräfte kamen, saß er ohnmächtig hinter dem Steuer.

Im Oktober 2019 sah es so aus, als käme er aufgrund seiner Alkoholisierung (2,89 Promille) mit 5000 Euro Geldstrafe davon. Ein mildes Urteil des Amtsgerichts und ein verheerendes Signal, so Theresa Stahls Familie. Die Familie versucht seither, ihrer Trauer mit der Internetseite und der Aufkleber-Aktion „Gegen Alkohol am Steuer“ zu begegnen.

"Fahr' sie um oder überfahr' sie"

Doch in Unterfranken rissen die Gerüchte nie ab: Wie kam es zu dem Unfall, wer fuhr, und was geschah zwischen dem ersten Unfall, als Theresa erfasst wurde, und dem zweiten Unfall, als der Golf im Graben landete? Gerüchte, die offenbar einen wahren Kern bergen: Nun sitzen Theresas Schwester und ihr Vater Ronald Stahl mit ihrem Rechtsanwalt Philipp Schulz Merkel in zweiter Instanz im Landgericht Würzburg und blicken in Abgründe: Der Verdacht, dass Theresa ermordet wurde, erhärtet sich. Angeblich hielt es Fahrer Niclas H., angestachelt von Beifahrer Marius H., für eine gute Idee, die Fußgängerin gezielt ins Visier zu nehmen: „Fahr’ sie um oder überfahr’ sie“, soll der Beifahrer gefeixt haben, er machte angeblich nur Spaß.


Empörung im Netz nach mildem Urteil gegen Würzburger Todesfahrer


Diese Horror-Geschichte machte ein halbes Jahr nach der Todesfahrt die Runde – ausgerechnet an der Feier zu seinem 20. Geburtstag soll Marius H. sie selbst erzählt haben. Über zwei Ecken erfuhr auch eine Mode-Studentin von dem Partytratsch und wandte sich nun, auch um Niclas H. zu helfen, an die Polizei. Demnach hätten die drei Mitfahrer in jener Nacht absichtlich Niclas H. hinter das Steuer gesetzt, weil er besonders betrunken war, sie selbst kein Geld für ein Taxi hatten und um ihre eigenen Führerscheine fürchteten.

Mordverdacht steht im Raum

Als der Golf Theresa Stahl rammte, wurde sie 13 Meter weit in ein Feld geschleudert. Der Beifahrer sah ihren Freund – einen Zeugen – im Rückspiegel. Um ungeschoren davon zu kommen, setzten die Männer ihre Fahrt fort. Niclas H. soll anschließend ohnmächtig geworden sein, daraufhin stiegen die anderen drei aus, schoben den Golf in den Graben und liefen davon.

Das Amtsgericht hat das Verfahren ausgesetzt, es wird weiter ermittelt, eine Mordanklage wird wohl folgen. Marius H. sitzt in U-Haft, der Haftbefehl gegen Niclas H. ist außer Vollzug gesetzt. Theresas Vater ist entsetzt, er hofft, dass nun ans Licht kommt, was in jener Nacht wirklich passiert ist. „Ich wünsche mir nur, dass jetzt einer auspackt!“