Wusste Söder schon 2019 von Corona? Eine Falschmeldung geht viral

22.10.2020, 12:54 Uhr
Bayern und sein Haushalt mit Corona-Hilfen: Ein Skandal - oder doch einfach nur nicht richtig gelesen?

© Peter Kneffel, dpa Bayern und sein Haushalt mit Corona-Hilfen: Ein Skandal - oder doch einfach nur nicht richtig gelesen?

Kai Stuht fährt schwere Geschütze auf. Das sei "ein Riesenskandal", redet er in die Kamera. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder müsse "zurücktreten bei Dokumenten, die das Lügentheater aufzeigen". Er rät seinen Zuschauern auf YouTube, sie sollten "das Dokument" schnell herunterladen, die Regierung werde es sicher bald löschen. Schließlich belege es, dass Bayern schon im Mai 2019 gewusst habe, dass die Corona-Pandemie komme.


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Müssen sie nicht. Die Staatskanzlei wird den Text nicht löschen, schließlich handelt es sich um das aktuelle Haushaltsgesetz. Und mit rechten Dingen geht es darin durchaus zu, auch wenn Stuht und seine Anhänger das nicht glauben wollen.

Geschichte kursiert seit Tagen

Mehr als 240.000 haben sich das Filmchen schon angesehen, etliche empören sich im Chat darunter über "diese Verbrecher" in den Regierungen, die "ins Gefängnis" gehörten. Stuht ist nicht der Einzige, der die Mär verbreitet. Seit einigen Tagen kursiert die Geschichte im Internet, per Mail, über die Messengerdienste, über die Social-Media-Kanäle. Schon im Frühsommer 2019, heißt es dort, habe Bayern in seinen Haushalt jene 20 Milliarden Euro eingestellt, die es jetzt für die Rettung des Landes ausgeben darf, benannt ausdrücklich als "Sonderfonds Corona-Pandemie". Zu einem Zeitpunkt also, als noch niemand etwas von Corona und der Pandemie ahnte, die es auslösen sollte.

Stuht, der sich später noch als vehementer Gegner der Maskenpflicht outen und auch dort längst widerlegte Thesen wiedergeben wird, fragt sich, wie Bayern "so eine Ermächtigung erlassen konnte, 2019, am 24. Mai." Auch Söder sei kein Hellseher, der Skandal also perfekt. "Da kann sich doch kein Politiker mehr herausreden." Ein "Skandal" übrigens, den mittlerweile die AfD im Landtag hochkochen will. Was bislang nicht so richtig klappt.

Sieben Zeilen Erklärung

Offenkundig hat der "investigative Journalist", wie er sich im Abspann bezeichnet, weder in der Staatskanzlei nachgefragt, noch bei Juristen oder Haushaltsexperten recherchiert, oder auch nur gründlich gelesen. Zwar stimmt es, dass der Passus im Haushaltsgesetz des Freistaats steht als Artikel 2a samt Kreditermächtigung und Corona-Bezug. Doch der Landtag verabschiedet das Gesetz stets im Voraus und bessert später immer wieder nach.

So hat er das auch 2019 gehandhabt und den Doppelhaushalt für 2019 und 2020 auf den Weg gebracht. Im Mai 2019 ist der in Kraft getreten. Am 27. April 2020 hat er das Gesetz letztmals geändert und unter anderem um jenen Artikel 2a ergänzt, der jetzt als Beleg für die Staatsverschwörung herhalten muss. Dabei findet sich der Hinweis auf die Änderungen schon in der Überschrift auf der ersten Seite des Gesetzes. Stuht hat sie tatsächlich kurz eingeblendet. Gelesen aber hat er sie offenkundig nicht, obwohl sie nur sieben Zeilen umfasst.

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