Zwei Menschen verbrannten bei Unfall auf A3: Fahrerin verurteilt

16.10.2019, 20:54 Uhr
Im Juli 2018 fuhr eine heute 61-Jährige mit ihrem Pkw auf ein Stauende zwischen dem Kreuz Nürnberg und Mögeldorf auf der A3 auf. Drei Menschen starben.

Im Juli 2018 fuhr eine heute 61-Jährige mit ihrem Pkw auf ein Stauende zwischen dem Kreuz Nürnberg und Mögeldorf auf der A3 auf. Drei Menschen starben.

Laut einer Umfrage des Deutschen Verkehrssicherheitsrates unter 1000 Pkw-Fahrern ist jeder Vierte schon mindestens einmal am Steuer eingenickt. Doch alle Statistiken werden zur Nebensache, wenn wirklich etwas passiert.

Am 28. Juli vergangenen Jahres hatte die heute 61-Jährige aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt auf der A3 zwischen dem Kreuz Nürnberg und Mögeldorf das Ende eines Staus übersehen und fuhr ungebremst auf einen VW Passat auf, schob ihn auf einen Audi, der davor stand. Pahlers Auto überschlug sich und blieb auf dem Dach liegen. Der Passat und der Audi fingen sofort Feuer. Während sich die zwei Insassen des Audi retten konnten, verbrannten eine Frau und deren Tochter im VW. Pahlers Schwester, die neben der Verursacherin auf dem Beifahrersitz saß, starb drei Tage später. Der Staatsanwalt wirft der Fahrerin fahrlässige Tötung in drei Fällen vor.

Keine Erinnerung

Unmittelbar nach dem Verlesen der Anklage bittet die Verteidigung das Gericht zum Rechtsgespräch, die Öffentlichkeit muss den Saal verlassen. Eine Viertelstunde später verkündet Brigitte Pahlers Anwalt die Erklärung, dass sie "gar nicht in Worte fassen kann, wie leid es ihr tut". Auch wenn sie keine Erinnerung an den Unfallhergang habe, räume sie die Vorwürfe ein. Pahler selbst äußert sich nicht zur Anklage.

Insgesamt 16 Zeugen hat Richter André Gläßl geladen, doch zu Wort kommen nur vier. Jene vier, die den Unfall mit eigenen Augen gesehen haben. Eine Frau aus Troisdorf berichtet, dass es neben ihr „gekracht“ habe. Die zwei Fahrzeuge hätten sofort "lichterloh" gebrannt, "wahnsinnig heiß" sei es gewesen. Das habe sie sogar in ihrem Auto gespürt. Ihr Ehemann, der nächste Zeuge, gibt an, Brigitte Pahler und ihre Schwester aus ihrem Auto befreit zu haben. Ein Lkw-Fahrer sagt aus, dass er noch versucht hat, die brennenden Fahrzeuge mit einem Feuerlöscher zu löschen. Alle sind sich jedoch einig: Die Unfallstelle sowie der Stau seien schon im Vorfeld sehr gut sichtbar gewesen, weshalb es umso unvorstellbarer erscheint, dass Brigitte Pahler den Stau und die blinkenden Warnlichter übersehen konnte.

Das klärt der technische Gutachter auf. Er referiert, dass Pahlers Auto ungebremst auf dem VW aufschlug, was aus der Analyse der Fahrzeugbeleuchtung hervorgeht: die Bremslichter waren zum Zeitpunkt des Aufpralls nicht in Betrieb. Bei einem Tempo von 136 Kilometern pro Stunde, wie der Sachverständige errechnete. „Eine desolat verspätete Reaktion“, kommentiert er das Geschehen. Zum Vergleich: die stauenden Fahrzeuge waren nach übereinstimmenden Aussagen der Zeugen mit etwa 30 bis 50 Km/h unterwegs. Die hohe Geschwindigkeitsdifferenz tat ihr Übriges zur Wucht des Aufpralls.

Benzin fing Feuer

Eine Rettungsmöglichkeit für die beiden Frauen hätte es dem Gutachter zufolge nicht gegeben. Durch den Aufprall wurde der Tank zerstört, das ausgelaufene Benzin entzündete sich durch den Funkenflug, der entstand, als Pahlers Fahrzeug über den Asphalt schlitterte. Binnen ein bis zwei Sekunden, so der Experte, hatte das Auto Feuer gefangen und den Frauen keine Chance gelassen.

Dafür spricht auch das Gutachten des Rechtsmediziners. Ihm zufolge haben die beiden Insassen des Passat noch gelebt, als das Auto in Flammen stand, davon zeugten Rußspuren in den Lungen. Bei der Angeklagten geht er davon aus, dass sie hinter dem Steuer eingeschlafen ist. Das begründe, warum sie sich an den Hergang nicht erinnern kann. Sollte es so gewesen sein, handelt es sich nicht um einen Sekundenschlaf, bei dem der Fahrer schnell wieder aufschreckt.

Strecke verlief sehr gerade

Brigitte Pahler muss vielmehr für 15 bis 20 Sekunden eingenickt sein, weshalb sie auch sämtliche Warnhinweise und Geschwindigkeitsbegrenzungen übersah. Es sei durchaus möglich, schaltet sich der technische Gutachter ein, dass Pahler länger geschlafen hat, ohne von der Straße abzukommen. Im Unfallbereich verläuft die Straße sehr gerade, zudem haben Fahrbahnrillen das Fahrzeug in der Spur halten können. Möglicherweise, so der Experte, hatte sie sogar noch die Hände am Lenkrad, die den Spurverlauf noch zusätzlich stabilisieren.

Zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung fordert der Staatsanwalt, der die Vorwürfe bestätigt sieht. Pahler hätte wissen müssen, dass sie übermüdet nicht mehr fahren sollte. Dazu 2500 Euro Schmerzensgeld für den hinterbliebenen Ehemann und Vater der beiden toten Frauen, der als Nebenkläger auftritt. Weiter soll Pahler der Führerschein für zwei Jahre entzogen werden. Der Anwalt des Hinterbliebenen hegt „keine Rachegedanken“, regt jedoch eine „empfindlichere Geldauflage“ an, ohne eine Zahl zu nennen.

Zwei Jahre auf Bewährung

Der Verteidiger hält ein Jahr auf Bewährung für ausreichend. Schließlich sei Pahler nicht vorbestraft, wie auch der Staatsanwalt bemerkte. Auch sie sei schwer verletzt worden und müsse nun damit leben, drei Menschen das Leben genommen zu haben.

Richter André Gläßl verurteilt sie zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung. Es ist die höchstmögliche Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Weiter erlegt er ihr anderthalb Jahre Führerscheinsperre und 2500 Euro Schmerzensgeld auf.