Local Heroes: Wenn der frische Blick von außen hilft

10.7.2019, 08:00 Uhr
Local Heroes: Wenn der frische Blick von außen hilft

© Roland Fengler

"Unsere Aufgabe war es, die Preisakzeptanz der Café-Besucher zu analysieren und die Herkunft der Lebensmittel besser zu präsentieren", erklärt Lara Schwenniger. Die 25-Jährige studiert im Master Management an der Uni Erlangen-Nürnberg und hat im Seminar "Local Heroes" mitgemacht.

Selbst gestalten statt nur zuhören

Das Konzept dazu haben sich Tobias Eismann und Martin Meinel überlegt, Doktoranden am Lehrstuhl für industrielles Management von Professor Ingo Voigt. "Seminare, in denen die Studenten alles zum Thema Gründung und Businessplan lernen, gibt es schon lange", erklärt Eismann. Auch Planspiele, in denen die Teilnehmer selbst ein Unternehmen aufziehen, sind etabliert. "Wir wollten die Studenten direkt in die Praxis schicken und mit echten Herausforderungen konfrontieren." Vier kleine Nürnberger Unternehmen haben sich in der ersten Runde auf das Experiment eingelassen.

Ein Blick von außen hilft oft. Doch ein kleines Café, eine neue Mode-Marke oder eine familiengeführte Töpferei können sich keine teure Unternehmensberatung leisten. Diesen Job haben die Nürnberger Studenten übernommen – und dabei selbst jede Menge gelernt.

Je fünf Teilnehmer haben gemeinsam mit der Töpferei Beckert im Handwerkerhof überlegt, wie sich hochwertige Keramiken in Zeiten von Discountergeschirr vermarkten lassen. Ein Team hat die Nürnberger Modemarke Jeckybeng beim Aufbau eines Onlineshops unterstützt. Beim Erlanger Logistik-Start-up ambos.io GmbH haben sie das Geschäftskonzept analysiert. Und im Café Mainheim die Informationsstrategie durchdacht.

"Sonst haben wir viel Theorie in der Uni, hier konnten wir aktiv in einem Unternehmen mitgestalten", sagt Schwenniger. 60 Studenten aus verschiedenen Wirtschaftsstudiengängen hatten sich auf die 20 Plätze im Wahlfach beworben. Am Anfang stand eine Einführungswoche, dann folgten Zwischen- und Abschlusspräsentation mit allen Teilnehmern und Firmenvertretern. "Wir wollten, dass die Studenten nicht nur lernen, sondern auch direkt merken, wofür sie das lernen", sagt Eismann. "Der Aufwand war groß, aber die Motivation auch."

Es hat sich gelohnt. Franziska Schwingel, Geschäftsführerin des Mainheim, setzt die Ideen der Studenten gerade um. "Wir hatten vorher schon darüber nachgedacht, wie wir den Gästen die Qualität unserer Produkte vor Augen führen könnten, aber neben der täglichen Arbeit ist es immer schwierig, so etwas dann auch umzusetzen", erzählt sie. Die Studenten haben konkrete Ideen ausgearbeitet. In Kürze wird es Aufsteller auf den Tischen geben, auf denen Fotos von Bäcker, Metzger und Landwirten zu sehen sind. In kurzen Texten erzählen sie woher die Lebensmittel kommen und wie sie entstehen. "Wir haben ein Design entwerfen lassen und sind gerade in der Produktion", sagt Schwingel. Außerdem hatten die Studenten die Idee, dass das Mainheim die Patenschaft für den Baum vor dem Café übernimmt. "Es war wirklich spannend, diesen Blick von außen zu bekommen statt den eigenen betriebsblinden", sagt die Geschäftsführerin.

Für ihre Analyse haben die Seminarteilnehmer Gäste und Passanten interviewt, das Mainheim mit anderen Cafés verglichen und Einblicke hinter den Kulissen des Betriebs bekommen.

"Die Zusammenarbeit war super offen", erzählt Studentin Schwenniger. Sie hat als Nebenjob schon gekellnert und Pizza ausgeliefert, aber "über die strategische Planung in der Gastronomie habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht". Weil sie es mit einem echten Unternehmen und echten Geschäftszahlen zu tun hatten, sei ihr Anspruch und der ihrer Kommilitonen besonders hoch gewesen. "Der Umgang mit den Kunden – das war ein ganz neuer Blickwinkel für mich." Kleine Betriebe können sich eine solche Beratungsarbeit von Profis oft nicht leisten. "Durch das Seminar bekommen sie einen jungen, frischen Blick von außen, neue Ideen, Kreativität, aber auch kritische Reflexion", erklärt Meinel.

Argumente und Fingerspitzengefühl

Die Praxispartner für den Pilotversuch haben sie durch persönliche Kontakte gefunden. Für die nächste Runde, die im Oktober startet, können sich noch Firmen melden. "Wir suchen unterschiedliche Branchen und Fragestellungen, damit für jeden Teilnehmer etwas dabei ist." Die Unternehmen sollten klein sein und den Studenten vollständigen Einblick gewähren. Außerdem sollte das konkrete Projekt in drei Monaten zu bewältigen sein.

Die Studenten lernen im Seminar nicht nur Betriebsabläufe kennen, sondern auch Sozialkompetenz. "Sie hatten viele tolle Vorschläge, trotzdem waren die Praxispartner manchmal skeptisch", erzählt Meinel. "Da durften sie nicht gleich aufgeben, sondern mussten die Inhaber mit guten Argumenten und Fingerspitzengefühl überzeugen ohne sie zu frustrieren."

Bei der Abschlusspräsentation können sich auch die beteiligten Firmen über ihre Erfahrungen austauschen. "Das befruchtet sich gegenseitig", sagt Eismann. Er und sein Kollege freuen sich vor allem, durch das Seminar etwas zur Nürnberger Stadtgesellschaft beitragen zu können. "Wir wollten gerade im Jubiläumsjahr unseres Fachbereichs etwas an die Stadt zurückgeben und Gutes für die lokale Wirtschaft tun."

Interessierte Betriebe können sich beim Lehrstuhl für industrielles Management melden. Stichwort "Local Heroes", Lange Gasse 20 in Nürnberg. Telefon: 09 11/5 30 22 44 sekretariat@industrial-management.org

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