Pure Energie aus der Flasche

12.9.2013, 17:12 Uhr
Pure Energie aus der Flasche

© Kurt Fuchs

Deutschland will die Energiewende. Das bedeutet: Atomkraftwerke werden abgeschaltet, und der Verbrauch fossiler Brennstoffe soll sinken. Stattdessen wird auf Energie aus sogenannten erneuerbaren Quellen gesetzt: Wasser, Wind, Sonne.

Der Haken an der Sache ist nur: Wann eine Industrienation tatsächlich Strom braucht, kümmert die erneuerbaren Energien wenig. Wasser fließt, wenn es viel geregnet hat, der Wind weht, wann er will, und die Sonne scheint allenfalls tagsüber.

Das entscheidende Problem bei der Energiewende lautet daher: Wie schaffen wir es, die Energie aus Wasser, Wind und Sonne genau dann „einzufangen“, wenn sie anfällt — und genau dann wieder freizusetzen, wenn sie benötigt wird?

Eine zentrale Rolle spielt dabei Wasserstoff, ein zweiatomiges Gas, das große Mengen Energie speichern kann, die bei der chemischen Reaktion mit Sauerstoff zu Wasser wieder frei werden. Genau an dieser Stelle setzt das Bavarian Hydrogen Center (BHC), auf Deutsch: das Bayerische Wasserstoffzentrum, an.

„Unser Ziel ist die Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft entlang der gesamten Energiekette“, erklärt der BHC-Sprecher Prof. Eberhard Schlücker, Inhaber des Erlanger Lehrstuhls für Prozessmaschinen und Anlagentechnik. Die am BHC beteiligten Partner sind die Unis Erlangen-Nürnberg, Bayreuth und München, die Hochschule Amberg-Weiden, das Fraunhofer-Institut „Umsicht“ in Sulzbach-Rosenberg und das Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mühlheim.

Das BH2C widmet sich vor allem vier zentralen Fragen, die für eine künftige Wasserstoff-Energiewirtschaft beantwortet werden müssen.

1. Wie lässt sich Wasserstoff aus regenerativen Quellen gewinnen? Derzeit werden noch etwa 93 Prozent des weltweit produzierten Wasserstoffs (H2) aus fossilen Energieträgern wie Kohle oder Erdöl gewonnen. Das Hauptproblem dabei ist die Freisetzung des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Bei der Produktion von einer Tonne H2 werden etwa drei Tonnen CO2 freigesetzt.

Ansätze, um das Problem zu lösen, sind unter anderem die Vergärung von Biomasse und die elektrokatalytische Spaltung von Wasser. An solchen Projekten beteiligt ist der „auf AEG“ in Nürnberg angesiedelte Uni-Lehrstuhl für Energieverfahrenstechnik von Prof. Jürgen Karl.

Die 2., noch ziemlich offene, Frage lautet: Wie lässt sich Wasserstoff sicher und effizient speichern? Bisher wird Wasserstoff wegen seiner geringen Dichte in Gasflaschen stark zusammengepresst. Das erfordert aufwendige Apparate und kostet unverhältnismäßig viel Energie. Forscher der Erlanger Lehrstühle von Prof. Schlücker, Prof. Peter Wasserscheid (Chemische Reaktionstechnik) und Prof. Wolfgang Arlt (Thermische Verfahrenstechnik) entwickeln daher ein neuartiges Verfahren zur chemischen Wasserstoffspeicherung.

Dabei wird aus überschüssiger regenerativer Energie – beispielsweise aus einer Photovoltaik-Anlage – mittels Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und dieser in einer dieselartigen Flüssigkeit chemisch gespeichert. Diese Flüssigkeit wird „liquid organic hydrogen carrier“, abgekürzt LOHC, genannt.

Dank der LOHC-Technologie kann Wasserstoff – auch über längere Zeit – bei Umgebungsbedingungen in einem herkömmlichen Heizöltank gelagert werden. Bei Bedarf wird der Wasserstoff in einer Brennstoffzelle wieder in Strom umgewandelt.

Als wichtiges Einzelprojekt innerhalb der BHC wird eine Speicheranlage aufgebaut, die Mitte 2014 an einem Wohnhaus in Erlangen installiert werden soll. Neben dem Strom für das Haus soll die LOHC-Anlage auch Wärme für die Heizung liefern.

Bei der 3. Fragestellung geht es darum, Verbrennungsanlagen allgemein zu optimieren. Derzeit werden weltweit mehr als 85 Prozent der Energie über Verbrennungsprozesse gewonnen. Selbst wenn man von fossilen Brennstoffen immer mehr zu Wasserstoff übergeht, werden Verbrennungsprozesse auch weiterhin die Energieerzeugung dominieren.

Daher erforscht zum Beispiel Prof. Michael Wensing am Erlanger Lehrstuhl für Technische Thermodynamik unter anderem neue Einspritzanlagen für Hubkolbenmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden. Diese Motoren sollen in Gebäuden oder auch Blockheizkraftwerken zum Einsatz kommen.

Im 4. Teilaspekt am BHC geht es darum, die genannten Projekte auszuwerten und zu einer gemeinsamen Technologie zusammenzuführen. Darum kümmert sich der Erlanger Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik von Prof. Wolfgang Arlt.

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