Stell dir vor, es ist Wahl und fast keiner geht hin

3.7.2012, 11:15 Uhr
Stell dir vor, es ist Wahl und fast keiner geht hin

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Stefan Erhardt ist stinkesauer: „Was machen wir falsch?“, fragt sich der Student, der bereits seit fünf Semestern in der Studierendenvertretung (StuVe) der Uni Erlangen-Nürnberg aktiv ist.

Der Grund seines Ärgers: 30.000 Kommilitonen waren aufgerufen, ihre Sprecher für die Fachschaftsvertretungen, Fakultätsräte und den universitätsweiten Konvent zu wählen (siehe Extra-Info). Doch nur 10,3 Prozent nahmen ihr demokratisches Grundrecht wahr und gingen vergangene Woche zu den Urnen.

„Beschämend“ nennt Stefan Erhardt diese geringe Wahlbeteiligung. Denn „für uns als studentische Vertreter ist diese Wahl nicht nur eine Würdigung unserer ehrenamtlichen Arbeit, sondern auch die einzige Legitimierung. Wir können nicht mehr Mitbestimmung fordern, wenn wir vom Großteil der Studenten einfach ignoriert werden“.

Die Wahlbeteiligung an der FAU war schon immer recht gering, seit 2009 nimmt sie sogar stetig ab. Damals lag sie noch bei 17,4 Prozent, jetzt hat sie einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die meisten Ignoranten hatte dieses Jahr die Philosophische Fakultät zu vermelden: Dort traten lediglich 5,49 Prozent der Studierenden den Gang zur Urne an.

„Die Hochschulwahl und der Wahlkampf davor werden dadurch zur Farce“, meint Informatik-Student Bernhard Heinloth, der in die Fachschaftsvertretung der Technischen Fakultät gewählt wurde. „Generell sind wir viel zu wenige Aktive, und die Last ruht auf viel zu wenigen Schultern. Es stimmt mich sehr traurig, dass sich von 30.000 Studenten nicht mehr in der StuVe engagieren, geschweige denn bereit sind, den minimalen Aufwand des Wählens auf sich zu nehmen.“

Und das „obwohl die Unterstützung durch die Hochschulleitung im Vergleich zum Vorjahr deutlich größer war“, sagt Stefan Erhardt. „Über Info-Plakate, Rundmails und einen Artikel auf der Extra-Campus-Seite der NN hätten alle Studierenden gut Bescheid wissen können.“

Warum also das gewaltige Desinteresse? Vielleicht der Zeitdruck wegen des Bachelors? Oder doch die Tatsache, dass es in Bayern noch immer keine verfasste Studierendenschaft (siehe Artikel unten) gibt?

Egal, „unsere Arbeit ist nur möglich, wenn auch nicht gewählte Aktive mitmachen“, sagt Stefan Erhardt. Wer sich angesprochen fühlt, mitzuhelfen, kann gerne an den kommenden Konventssitzungen teilnehmen. Die Termine werden auf stuve.uni-erlangen.de angekündigt.

Extra-Info

Die Studierendenvertretung an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg StuVe genannt — ist durch das bayerische Hochschulgesetz geregelt:

Jeweils vier Studierende sitzen im Fakultätsrat, der sich an jeder der fünf Fakultäten der FAU um deren interne Belange kümmert. Wer für das kommende Studienjahr in die fünf Fakultätsräte gewählt wurde, steht auf www.uni-erlangen.de/infocenter/wahlen

Die nächsthöhere Ebene ist der studentische Konvent. Er funktioniert fakultätsübergreifend und vertritt die Studierenden-Interessen der ganzen Uni, zum Beispiel in der Kommission für Lehre. Außerdem unterstützt der Konvent studentische Gruppen wie amnesty international, hilft bei der Ausrichtung künstlerischer Veranstaltungen (etwa Theaterfestival Arena) und organisiert Info-Veranstaltungen zu Themen wie Studiengebühren und Mitbestimmung.

Im kommenden Studienjahr hat der Konvent der FAU folgende Mitglieder: Anna Mayer von der Liste Bildung-Grün-Links, Tobias Sprügel (RCDS-Die StudentenUNIon), Ramona Zobel, Franziska Stolz, Bernhard Brandl, Ingwer Andersen, Stefan Erhardt und Christoph Stößel (alle Fachschaftsinitiativen- Liste), Nora Block (RCDS Wiso) und Wolfram Barfuß (Grüne Hochschulgruppe).

Damit der Konvent seine Aufgaben bündeln kann, wählt er zu Semesterbeginn vier Sprecherräte, die nach außen und innen als offizielle Studierendenvertretung fungieren. Die Sprecherräte müssen nicht Mitglieder des Konvents sein, sie können auch ohne Auftrag vom Konvent selbstständig tätig werden.

Ferner wählt der Konvent zwei studentische Vertreter — einen mit Stimmrecht, einen mit beratender Funktion – , die er in den Senat der Uni entsendet. Der Senat ist ein Gremium, das unter anderem Rechtsvorschriften erlässt, Forschungsschwerpunkte festlegt und Stellungnahmen bei Neuberufungen abgibt.

Der gesamte Senat wiederum ist Teil des Hochschulrates, der das oberste Gremium der Uni darstellt. Dort werden vor allem grundsätzliche Entscheidungen von strategischer Bedeutung getroffen. Über ihre zwei Senatoren sind die Studierenden also auch in diesem höchsten Gremium vertreten.

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