Trockener Geschichtsunterricht war gestern

22.8.2019, 10:55 Uhr
Trockener Geschichtsunterricht war gestern

© Foto: KPZ/Thomas Ruppenstein

Kennen Sie den noch: "333, bei Issos Keilerei"? Oder "Sechzehnhundert, eins und acht, der Dreißigjährige Krieg erwacht!"? Diese Eselsbrücken sind Überbleibsel aus einem längst vergangenen Fach: Geschichte. Und das war, abhängig vom Lehrer, aber meistens, mal ehrlich: zum Gähnen langweilig. Auch Gesa Büchert hat als Schülerin den Frontalunterricht erlebt: Lehrer steht vorne, hält Monologe, die vollgestopft sind mit Zahlen und Fakten; Schüler hört mehr oder weniger zu.

Und heute? "Heute bin ich von dem, was zukünftigen Geschichts-Pädagogen beigebracht wird, überzeugt." Gesa Büchert ist mit beiden Seiten vertraut: Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der Uni Erlangen-Nürnberg mit der Seite der Lehrerausbildung und als Museumspädagogin im Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrum der Museen in Nürnberg (KPZ) mit der Seite der Schülerbildung.

Stupide Auswendiggelerntes herunterzubeten – das war einmal. "Jetzt geht es um die Förderung eines Geschichts-Bewusstseins", sagt die Historikerin. Vermittelt werden soll die Kompetenz, sich der Vergangenheit analytisch, reflektiert und kritisch zu nähern. Um im Idealfall das eigene Denken und Handeln weiterzuentwickeln. Was aber hat die Vergangenheit mit meinem Leben zu tun? "Geschichte umgibt uns ständig", sagt Büchert. "Wir können unsere Gegenwart nur verstehen, wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen. Und nur wenn wir unsere Gegenwart verstehen, können wir unsere Zukunft gestalten."

Trockener Geschichtsunterricht war gestern

© Foto: Karlheinz Daut

Nehmen wir als Beispiel den Dreißigjährigen Krieg, der vor über 400 Jahren begann. "Doch die Bezüge zu unserer Gegenwart sind enorm." Konkret die Bezüge zwischen jenen jahrzehntelangen Schlachten in Mitteleuropa und den aktuellen Konflikten im Nahen Osten: In beiden Fällen geht es um Macht und Einfluss, um Warlords und das Einmischen externer Großmächte, um religiöse Auseinandersetzungen, und all das in einer Komplexität, die kaum zu durchdringen ist. Der Unterschied: Der Dreißigjährige Krieg ist ausgestanden. Er mündete in einen jahrelangen Friedensprozess, der die Basis bildete, dass verschiedene Religionen seit Generationen friedlich neben- und sogar miteinander leben.

Im Nürnberger Stadtmuseum Fembo-Haus hängt ein Gemälde von Joachim von Sandrart aus dem Jahr 1649. Der Künstler hat darauf ein Zeitzeugnis festgehalten: das königlich-schwedische Friedensmahl im Nürnberger Rathaus. Die Parallele zur Gegenwart? Seit 1999 veranstaltet die Stadt eine Friedenstafel, an der Menschen unterschiedlichster Kulturen, Nationen und Religionen Platz nehmen. Genau das soll im Geschichtsunterricht vermittelt werden: Wir können viel aus der Vergangenheit lernen! Hinter der trockenen Geschichte stecken Geschichten von Menschen, die gelebt und gelitten haben. Von ihren Erfahrungen und Fehlern können wir profitieren.

Vier Unterrichtsansätze

Wie soll den Schülern dieses Bewusstsein vermittelt werden? Abgestimmt auf Alter und Schulart werden vier Ansätze in den Unterricht eingebaut: das manuelle Tun, in dem etwa mit mittelalterlichen Geräten Entfernungen gemessen werden; das reale Handeln, bei dem die Schüler etwa einen Audioguide-Beitrag verfassen; das simulative Handeln in Form von Rollenspielen und das produktive Handeln, bei dem die Schüler zum besprochenen Thema ein eigenes Produkt gestalten, zum Beispiel ein farbenfrohes Bild malen.

Museen bieten dafür ideale Möglichkeiten, denn hier ist das Früher zum Greifen nah. Im Memorium Nürnberger Prozesse können Schüler eine Gerichtsverhandlung nachstellen: In Gruppen wird die Anklageschrift und die Verteidigungsstrategie erarbeitet und darüber diskutiert, was ein gerechtes Urteil ist.

Der Museumsbesuch ist Bestandteil des Lehrplans. "Die Grundschulen nehmen unsere Angebote sehr gut an", sagt Büchert. "In den weiterführenden Schulen nimmt der Besuch ab. Das ist schade. Denn unsere Programme sind eng mit dem Lehrplan verzahnt und deshalb enorm gewinnbringend." Warum die Nachfrage nachlässt? "Vielleicht scheut der ein oder andere Lehrer den Organisationsaufwand", vermutet Büchert. "Bedauerlicherweise scheint die Hürde vor allem für Mittelschulen größer zu sein."

Deshalb arbeitet das KPZ an Einheiten, die speziell auf die Schularten zugeschnitten, für Mittelschüler also zum Beispiel weniger abstrakt und mehr handlungsorientiert sind. Eine Kritik am Lehrplan will Gesa Büchert aber noch loswerden. "In der Mittelschule bilden Geschichte, Politik und Geografie ein einziges Unterrichtsfach. Das ist natürlich viel zu wenig."

Nicht oft, aber manchmal kann Büchert sehen, dass der Funke für die Faszination an der Geschichte übergesprungen ist. Dann nämlich, wenn sie einzelne Schüler wieder trifft – beim Museumsbesuch in ihrer Freizeit und mit ihren Eltern. "Genau das ist unser Ziel."

www.kpz-nuernberg.de

Verwandte Themen


Keine Kommentare