Kalte Dusche nach der Party

Groteskes Trainer-Aus vor 30 Jahren: 2:0 gegen die Bayern - und der Club-Coach wird gefeuert

9.11.2023, 16:40 Uhr
Er hatte alles im Blick, sein Aus im November 1993 überraschte allerdings nicht nur Nürnbergs Trainer Willi Entenmann.

Er hatte alles im Blick, sein Aus im November 1993 überraschte allerdings nicht nur Nürnbergs Trainer Willi Entenmann.

Der FCN und Willi Entenmann: Es war eine besondere Beziehung zwischen dem emotionalen Altmeister und dem strengen, nicht weniger emotionalen Fußballlehrer.

Leidenschaft statt Phrasen

Als wir im Dezember 2011 vor Willi Entenmanns Haus in Affalterbach stehen, in der Nähe von Ludwigsburg, und Willi Entenmann wertschätzend über den damaligen Club-Coach Dieter Hecking spricht, wird ein weiteres Mal deutlich, dass die Worte, die der 68-Jährige hinsichtlich des FCN wählt, keine Phrasen sind. "Der VfB war mein Leben, der Club bedeutete meine größte Emotion", hatte Entenmann, der bei Stuttgarts Vorzeigeverein als Spieler, Trainer und Nachwuchsförderer wirkte, da bereits gesagt. In den fünf Stunden, in denen er - zwei Wochen vor seinem Tod - über sich, den FCN und Fußball sprach. Und mehrmals betonte, wie wichtig seine Nürnberg-Engagements für ihn waren.

Mit diesem Aufgebot nahm der Altmeister aus Nürnberg die Bundesliga-Saison 1993/94 in Angriff.

Mit diesem Aufgebot nahm der Altmeister aus Nürnberg die Bundesliga-Saison 1993/94 in Angriff. © imago sportfotodienst

Auch von jenem seltsamen 6. November 1993 hatte Willi Entenmann im Fünf-Stunden-Gespräch berichtet. Von diesem 2:0 gegen die Bayern. Von der erfolgreich gelösten Mammutaufgabe, nach der Nürnbergs prinzipientreuer Trainer von einem prinzipienreitenden Präsidenten geschasst wird. Liebgewonnen, sagte Entenmann, der den Club nach einem Komplettabsturz später zurück in Liga zwei hieven wird, habe er den FCN dennoch schnell. Und die Stadt, die Frankens Vorzeigeverein beheimatet.

Bereits nach einem halben Jahr sei er von der Gemüsefrau und Verkehrspolizisten mit "unser Trainer" und "einer von uns" angesprochen worden. Einer von ihnen zu sein, imponierte Entenmann. Sie, die Fans, zu verstehen, einer von ihnen zu sein, war für Entenmann sogar das Erste Gebot. Und in der Folge entstand aus Wertschätzung, Zuneigung und dem, was Entenmann von den Anhängern zurückbekam, mehr. Die Bindung zwischen dem Trainer, der sich zusehends heimischer fühlte, und den Fans wurde immer enger. Das Verhältnis zur neuen Club-Führung unter Präsident Gerhard Voack stand derweil schon vor Voacks Wahl unter keinem guten Stern.

Anspannung in Bild-Form: Club-Präsident Gerhard Voack und Willi Entenmann hatten kein gutes Verhältnis.

Anspannung in Bild-Form: Club-Präsident Gerhard Voack und Willi Entenmann hatten kein gutes Verhältnis.

Während sich die Akteure neben dem Platz immer häufiger zofften, zeigten die Akteure auf dem Platz in der Saison 1993/94 zwei Gesichter. Auswärts setzte es ein Negativerlebnis nach dem nächsten. Auf eigenem Feld flutschte es beim Entenmann-Team, das seine Hausaufgaben sehr ordentlich erledigte. Dynamo Dresden wurde mit 3:0 weggebügelt, der VfB Leipzig mit 5:0. Nach einer erneuten Auswärtspleite in Duisburg und einem Freundschaftsspiel in Ansbach, bei dem der Nürnberger Mannschaftsbus ohne Geschäftsstellenleiter Bernd Ingerling abfuhr, war eine neue Eskalationsstufe zwischen Voack und Entenmann erreicht.

Handfester Führungstreffer: André Golke brachte den Club am 6. November 1993 gegen den Branchenprimus mit 1:0 in Front. 

Handfester Führungstreffer: André Golke brachte den Club am 6. November 1993 gegen den Branchenprimus mit 1:0 in Front. 

Als am darauffolgenden Bundesliga-Spieltag der große FC Bayern im November 1993 in der Noris zu Gast ist, wird dem Trainer kurz vor Anpfiff gesteckt, dass der Präsident auf der Tribüne bereits seine Entlassung verkündet. Entenmann bleibt beherrscht, brennt aber innerlich darauf, dass seine Jungs den großen Coup landen. André Golke und Hans-Jörg Criens, der kurz nach dem Seitenwechsel dem Ball mit der Hacke den richtigen Dreh gibt, erfüllen ihm den Wunsch - der FCN gewinnt 2:0.

Tränen in den Augen

Wieder einmal gibt es das, was Entenmann mit Blick auf die frenetische Unterstützung der Club-Fans “Volksfest“ nennt. Doch ein seltsam lethargischer Entenmann feiert nicht mit, wirkt schon bei der Ehrenrunde seiner Elf seltsam teilnahmslos. Er stellt sich nach Spielende in voller Montur unter die Dusche. Bei der anschließenden Pressekonferenz hat er Tränen in den Augen. Seine Entlassung steht unmittelbar bevor.

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