Trainingslager in Natz

Valentini: "Pino hat mich beim Club einfach umgemäht"

10.7.2021, 09:12 Uhr
Harte Arbeit: Enrico Valentini im Trainingslager in Südtirol.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Harte Arbeit: Enrico Valentini im Trainingslager in Südtirol.

Enrico Valentini, haben Sie eine Erinnerung daran, wann Sie das letzte Mal vom Chef so richtig angeschrien worden sind?
Valentini: Das ist tatsächlich lange her. So richtig zamgeschissen?

Ja.
Valentini: Michael Köllner hat mich mal angemault, aber das kann man eigentlich nicht gelten lassen.

Weil das etwas anderes ist, wenn der Oberpfälzer Köllner im Dialekt rumschreit.
Valentini: Genau. Also so richtig – weiß ich nicht. Reiner Scharinger, mein erster Trainer, vielleicht.

Trotzdem: Der Umgangston im Büro ist schon rau manchmal, oder? Wenn man den Fußballplatz als das Büro der Fußballprofis betrachtet.
Valentini: Das kommt in der Fußballsprache schon mal vor. Manchmal ist das vielleicht ein bisschen drüber, aber solange das so gehandhabt wird, dass wirklich alles, was auf dem Platz passiert, auch auf dem Platz bleibt, ist es eigentlich okay.

Ist das auch ein Vorteil? In jedem Beruf gibt es ja Konflikte. Oft schwelen die aber nur, niemand spricht das Problem an. Im Fußball steht man auf dem Platz und brüllt sich an.
Valentini: Je nachdem. Es passiert im Fußball auch manchmal, dass etwas nicht ausgesprochen wird. Natürlich kannst du das als Spieler auf dem Platz rauslassen. Ich finde es aber immer besser, wenn es abseits des Platzes geklärt wird. Dann hat die Mannschaft Ruhe. Aber was die Beziehung zwischen Trainer und Spieler angeht, habe ich das auch schon erlebt, dass da etwas Persönliches ist und nicht mehr gesprochen wird. Da findet dann vielleicht erst nach einem Jahr ein Gespräch statt, in dem man sich alles an den Kopf wirft. Oder man trennt sich einfach, und es passiert nichts.

Sprechen Sie die Dinge an?
Valentini: Ja. Ob ich Recht habe oder nicht, ich versuche, den Streit zu schlichten. Ein Beispiel: Mit Damir Canadi war es so, dass ich von Anfang an das Gefühl hatte, dass etwas zwischen uns steht, ohne dass wir uns wirklich kennen. Das habe ich angesprochen. Dann war es besser.

Das überrascht mich. Bei ihm hatte ich den Eindruck, dass er so ein Gespräch mit dem Spieler erst gar nicht zulässt.
Valentini: Vielleicht hat er einfach respektiert, dass ich das Gespräch gesucht habe – und dass es nichts mit dem Sportlichen zu tun hatte. Es ging nicht darum, dass ich spielen will. Es ging um das Miteinander. Ich hatte das Gefühl, da stimmt etwas nicht, und das macht es schwer zu arbeiten. Das muss man ihm lassen, dass er das respektiert hat.

Man geht da einfach zum Trainerbüro, klopft und sagt: Wir müssen reden?
Valentini: Ja. Das ist mir einfach sehr wichtig, sonst ist es schwer zu arbeiten.

Ist es ein Problem im Fußball, dass die Vorgesetzten der Spieler, also die Trainer, oft in Mitarbeiterführung nicht so wirklich geschult sind?
Valentini: Im heutigen Fußball ist Menschenführung das Wichtigste. Das kommt noch vor der Taktik. Vor dem, was du auf dem Platz vermittelst.

Warum?
Valentini: Wenn du die Mannschaft menschlich hinter dich bringst, dann macht sie auf dem Platz eh, was du willst. Wenn du führen kannst, dann bekommst du eine Mannschaft dazu, Mannschaftssport zu spielen.

Erstaunt es Sie manchmal, wenn Sie einem Trainer gegenüberstehen, der so etwas gar nicht kann?
Valentini: Erstaunen nicht. Ich versuche, damit umzugehen und zu schauen, wie ich mit der Situation klarkomme. Es gab in meiner Karriere schon Trainer, die konnten das überhaupt nicht, die hatten die Mannschaft entsprechend auch nicht hinter sich.

Die werden dann auch bald entlassen.
Valentini: Wenn der Erfolg ausbleibt, ja.

Man hört immer wieder, dass eine Mannschaft gegen den Trainer spielt. Steckt da eine Wahrheit dahinter?
Valentini: Ich persönlich habe noch keine Mannschaft erlebt, die gesagt hat: Komm, wir verlieren jetzt mal, weil wir den Trainer los haben wollen. Das geht gegen den Sport.

Um nochmal zum Schreien zurückkommen. Früher hatte man oft den Eindruck, dass so ein Mannschaftsklima sehr fies sein kann. Die älteren Spieler, die den Druck nach unten weitergeben zu den jungen Spielern. War dieser Beruf für Sie immer angenehm?

Valentini: Als ich angefangen habe, bei den Profis mitzutrainieren, da war der Umgangston schon rau. Da waren Raphael Schäfer, Andreas Wolf oder Javier Pinola. Mit Pino habe ich mich außerhalb des Platzes gut verstanden, der hat mir geholfen. Aber wenn ich einen Ball angenommen habe, hat er mich weggemäht. Der hat sich da nicht entschuldigt, der hat mich umgehauen, und das war es. So sind wir heute nicht mehr, aber eine Hierarchie muss da sein.

Eine flache Hierarchie funktioniert nicht?
Valentini: Die Hierarchien sind flacher geworden. Wenn eine Mannschaft funktioniert – wie wir ab dem Rückrunden-Derby –, dann ist das auch okay.

Aber es braucht trotzdem noch die, nennen wir es: Abteilungsleiter. Also die Erfahrenen, die die Richtung vorgeben und auch mal Ansagen machen.
Valentini: Ja. Ich habe auch keinen Bock, jedes Mal Ansagen innerhalb der Mannschaft zu machen. Aber es gehört dazu, das ist nicht schlimm. Das muss auch nicht jeder machen wollen. Wichtig ist, dass auf dem Platz jeder Verantwortung übernimmt.

Darf man diskutieren mit den Chefs?
Valentini: Ja. Das ist eine Angst, die darf man nicht haben. Ein respektvoller Umgang ist wichtig. Dann darf man auch ansprechen, was einen stört.

Wenn ein Kollege dazu kommt und groß aufspricht: Wie fängt ein Team das auf?
Valentini: Kommt darauf an, wer er ist und was er schon erreicht hat. Wenn das einer ohne Hintergrund macht, kriegt er die Antwort auf dem Platz.

Die Pinola-Methode.
Valentini: Wenn er dann weitermacht und auch außerhalb des Platzes so wäre, dann würde eine Mannschaft, die so einen gesunden Zusammenhalt hat wie wir, schon dafür sorgen, dass es passt. Aber das klingt härter, als ich es meine. So etwas passiert fast nie.

Warum? Im Fußball sind die Mitspieler Konkurrenten um einen Platz im Team. Gefühlt ist das härter als im normalen Berufsleben, wo jeder seinen Aufgabenbereich hat. Wie bekommt man da ein ordentliches Arbeitsklima hin?
Valentini: Weil du es einfach brauchst. Du musst Bock haben, in die Kabine zu kommen. Aber das ist nicht einfach. Weil wir so viele sind. Stammspieler, Ergänzungsspieler, der Betreuerstab. Deshalb gibt es manchmal Mannschaften, die auf dem Papier nicht so stark sind, die es aber schaffen, dieses Klima aufzubauen. Guter Zusammenhalt, guter Fußball.

Und dann hat man irgendwann eine Teamchemie aufgebaut, verliert aber ständig wieder Kollegen. War hier beim Club ja auch gerade wieder so.
Valentini: Das ist tatsächlich komisch für mich. Im Fußball Freunde zu finden, ist schwer, aber mit Eduard Löwen, Mikael Ishak, Georg Margreitter oder Hanno Behrens sind jetzt vier Leute weg, mit denen ich ganz eng war. Das fehlt mir sehr, weil du mit denen noch einmal auf einer anderen Ebene sprichst. Über Dinge, die du sonst nur deiner Frau erzählst. Das fehlt, aber das ist Fußball. Dann öffnet man sich neu und schaut, wie die neue Mannschaft ist.

Wenn Sie nach der Karriere in einen „richtigen“ Job wechseln: Würden Sie dann sagen, Sie haben schon so und so viele Berufsjahre hinter sich? Oder würden Sie sagen, Sie haben Fußball gespielt?
Valentini: Dadurch, dass es mir immer Spaß gemacht hat, ist es schwer, das als Job zu bezeichnen. Es gibt Menschen wie meine Eltern in ihrem Restaurant. Die haben auch Spaß, arbeiten aber viel mehr als ich. Aber ich würde schon sagen, dass ich eine gewisse Erfahrung mitnehme.

Es ist auch ein Beruf, in dem man sehr überwacht wird. Was ziehen wir an, wie fit halte ich mich, was esse ich?
Valentini: Ich finde, die Menschen machen es sich oft zu einfach: Ihr verdient ja viel Kohle. Aber es ist ein Job, in dem du dich jeden Tag beweisen musst. Jeden Tag musst du zeigen, dass du besser bist als der, der deinen Platz will. Und dann musst du es am Spieltag auf den Platz bringen. Vor Leuten, die dich bewerten.

All diese Anforderungen, die Sie erwähnt haben, sehe ich auch. Warum gibt es dann so viele Fußballspieler, die im Leben danach Probleme bekommen?
Valentini: Wegen der gleichen Dinge. Wenn du immer einen hast, der dir sagt: Jetzt ist Essen, jetzt ist Training, zieh das an – es wird so viel übernommen. Nach der Karriere ist dieses Leben, wo dir überall geholfen wird, vorbei.


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