Interessantes vor dem Saisonstart

Warum der Club vor Sandhausen zittert und andere Antworten zur zweiten Liga

12.7.2022, 18:42 Uhr
Ecke, Tor: Der SV Sandhausen bei seiner liebsten Übung gegen den 1. FC Nürnberg.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, ARC Ecke, Tor: Der SV Sandhausen bei seiner liebsten Übung gegen den 1. FC Nürnberg.

Auf welche Spiele dürfen sich Club-Fans besonders freuen?

Nunja, mit der Freude ist das ja so eine Sache beim 1. FC Nürnberg. In der letzten Saison gab es zwar wieder mehr davon, garantiert ist das aber natürlich nie. Trotzdem: Die Derbys gegen die Spielvereinigung aus Fürth sind sicher etwas Besonderes. Noch spezieller aber dürfte demnächst die Partien gegen den SV Sandhausen werde. Es ist: der neue Angstgegner. Vier Treffer nach Eckbällen genügten den lustigen Sandhäusern in der vergangenen Saison, um Nürnberger Aufstiegshoffnungen zu beenden. Das war schnörkellos und unschön. Jetzt sinnt der Club auf Revanche.

Wer wird der neue Terodde?

Simon Terodde hat in der vergangenen Saison nicht nur Schalke 04 mit 30 Treffern zum Aufstieg geballert, sondern mit nun insgesamt 172 Zweitliga-Toren auch locker die Rekordmarke von Dieter Schatzschneider (153) pulverisiert. Da sich aus der letztjährigen Top Five auch Marvin Ducksch (21) und Niclas Füllkrug (19) mit Werder Bremen sowie der vom KSC zum VfL Bochum gewechselte Philipp Hofmann (19) nach oben verabschiedet haben, muss wohl HSV-Goalgetter Robert Glatzel (22) als Favorit auf die imaginäre Zweitliga-Kanone gelten. Vielleicht sorgt aber ja auch Nürnbergs neues Sturmduo Christoph Daferner und Kwadwo Duah für Furore. Und natürlich sollte man die Rückkehrer Fabian Klos (Bielefeld) und Branimir Hrgota (Fürth) auf der Rechnung haben – sofern letzterer beim Kleeblatt bleibt.

Steigt Sandhausen diesmal endlich ab?

Natürlich nicht. Auch wenn der Provinzklub aus der Kurpfalz oft als Synonym für die vermeintliche Tristesse der Zweiten Liga herhalten muss, nötigt die Beharrlichkeit, mit der sich der kleinste Standort seit nunmehr elf Jahren im Unterhaus behauptet, Respekt ab. Nur der FC St. Pauli ist aktuell ein Jahr länger dabei. Am Hardtwald bleibt man demütig und hofft auf eine "sorgenfreie Saison".

Alles andere sei "wie nach den Sternen zu greifen", findet Alois Schwartz. Der frühere Club-Trainer hat die Mannschaft nach seiner Rückkehr stabilisiert und in einer bärenstarken Rückrunde zum Klassenerhalt geführt. "Man sagt immer Dorfverein, aber ich weiß, dass viele Mannschaften hier nicht gern spielen, und das macht es ein bisschen aus", erklärt Kapitän Dennis Diekmeier das Geheimnis des Sandhäuser Erfolgs. Könnte auch im zwölften Jahr funktionieren.

Wer hat das hässlichste Trikot?

Schönheit liegt ja immer im Auge des Betrachters. Auffallend ist aber der Trend zu eher schlichten, oft einfarbigen Trikots mit dezenten Streifenmustern oder Applikationen – was dann auch schon mal wie bei Hannover 96 arg langweilig wirken kann. Das kontroverseste Shirt hat Holstein Kiel zu bieten: Die Präsentation löste im Internet einen Shitstorm aus, weil manche Menschen die von Rechtsextremen gern als Symbol genutzte Reichsflagge zu sehen glaubten. Dabei war das vermeintliche Schwarz im richtigen Licht betrachtet ein dunkles Blau, das zusammen mit den Farben Weiß und Rot an die Landesflagge Schleswig-Holsteins erinnern sollte. Dennoch distanzierten sich die Störche von Rassismus. Was ja nie verkehrt ist.

Auf welche Talente kann man sich freuen?

Auf der Tribüne des Ronhofs dürften in dieser Saison öfter mal die Scouts größerer Vereine vorbeischauen. Mit dem erst 17-jährigen Sidney Raebiger sowie Armindo Sieb (19) hat das Kleeblatt zwei U-Nationalspieler verpflichtet. Trainer Marc Schneider hat schon durchblicken lassen, dass beide regelmäßig spielen werden. Ein anderes Talent, das die Fürther gerne gehabt hätten, wechselte im Winter zu Arminia Bielefeld. Burak Ince ist 18, durfte im März aber bereits in der türkischen U21 debütieren und zeigte bislang warum die Arminia ihn haben wollte. Der HSV hat sich mit Ransford-Yeboah Königsdörffer (20), einem talentierten Angreifer aus Dresden, verstärkt. Außerdem lohnt sich ein Blick auf Igor Matanovic (19, Sankt Pauli), Antonio Foti (18, Hannover 96), Paul Nebel (19, Karlsruher SC) und den 2,01 Meter großen Jamie Lawrence, den sich Aufsteiger Magdeburg vom FC Bayern geliehen hat.

Was können die drei Aufsteiger?

Begeistern. Der 1. FC Magdeburg dominierte die dritte Liga mit attraktivem Angriffsfußball und kehrte damit nach drei Jahren Abstinenz in die zweite Liga zurück. Auch dort wird Trainer Christian Titz sich nicht hinten reinstellen, sondern versuchen, die Spiele an sich zu reißen. Die Euphorie in Magdeburg ist riesig, der FCM hat mehr als 13.000 Dauerkarten verkauft. Die Aussichten? Der Aufsteiger sei "gekommen, um zu bleiben", titelte zuletzt das ZDF.
Der 1. FC Kaiserslautern hat dagegen mal wieder turbulente Zeiten hinter sich. Dank Sonderregelungen während der Pandemie entledigte sich der FCK all seiner Schulden, inzwischen pumpt ein Investor Geld in den Stolz der Pfalz. Am Betzenberg soll wieder dauerhaft Zweitligafußball gespielt werden. Unter anderem mit einem Weltmeister. Erik Durm spielt künftig für den FCK.
Bei Eintracht Braunschweig hingegen ist nach der Vorbereitung keine große Euphorie mehr zu spüren. Zuletzt mühte sich die Mannschaft des ehemaligen Fürther Co-Trainers Michael Schiele zu einem 2:2 gegen Drittliga-Aufsteiger Essen, "wir haben noch nicht das gezeigt, was auch in der zweiten Bundesliga verlangt wird", kritisierte Schiele.

Wieviele Punkte trennen den Dritten am Ende vom 16.?

Vermutlich nicht allzu viele. Die zweite Liga war in den vergangenen Jahren immer eine sehr ausgeglichene. In der letzten Saison gab es Spieltage, an denen der Spitzenreiter nur vier Punkte vor dem Zwölften lag - und auch mal die für Symmetrie-Fans schöne Anordnung, dass sich die Mannschaften brav nacheinander mit jeweils einem Punkt Abstand in der Tabelle einreihten. Das Teilnehmerfeld verspricht eine spannende Saison - zumindest auf den Plätzen zwei bis 18. Denn der erste Aufsteiger steht ja schon fest.

Also: Steigt der HSV dieses Jahr endlich auf?

Es ist ein großer Internet-Spaß, den sich Fans des FC St. Pauli seit einiger Zeit gönnen. Sie wünschen dem Rivalen aus der Stadt alles erdenklich Gute und wetten auf Siege. Es kommt dann immer sehr anders als gewünscht, was zeigt, dass die hanseatische Variante der paradoxen Intervention sehr erfolgreich ist. Dem schließen wir uns gerne an. Also: natürlich steigen die auf.

Wo fliegt der erste Trainer?

Nunja. Sollte der HSV nicht schon zur Winterpause aufgestiegen sein, könnte Tim Walter ein heißer Kandidat sein. Auch in Hannover sind die Erwartungen riesig - nicht nur wegen der Verpflichtung des Fürther Aufstiegstrainers Stefan Leitl. Der war bislang allerdings ein ruhiges und weitgehend konfliktfreies Umfeld gewohnt, muss seit seinem Wechsel zu 96 aber erfahren, dass in Hannover das Chaos ein steter Begleiter ist. Gerade beschwert sich mit Martin Hansen ein degradierter Spieler öffentlich, andere Profis solidarisieren sich. Verläuft der Saisonstart holprig, wird auch der nette Leitl spüren, dass in Niedersachsen ein anderer Wind weht.

Wer wird die Überraschungsmannschaft?

Ein Verein, der Beinahe-Insolvenzen sehr elegant mit Einkaufstouren auf dem Transfermarkt verbindet. Der andeutet, in die vierte Liga abzusteigen, dann aber in die zweite zurückkehrt, auf dem Weg dorthin kurz vor dem Ziel den Trainer rausschmeißt. Der 1. FC Kaiserslautern ist Überraschungsweltmeister und wird die zweite Liga in dieser Hinsicht mit Leichtigkeit dominieren.


Tschüss Schalke und Werder - ist es jetzt wenigstens noch die zweitbeste Zweite Liga aller Zeiten?

Ganz ehrlich? Die zweite Liga war schon immer und wird auch immer bleiben: einfach nur die zweite Liga.

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